Köln – Einen Tag nach der vorläufigen Entpflichtung von Weihbischof Dominikus Schwaderlapp und Prälat Günter Assenmacher, dem Offizial (oberster Kirchenrichter) des Erzbistums Köln, hat Kardinal Rainer Woelki auch Weihbischof Ansgar Puff bis auf Weiteres von seinen Aufgaben entbunden. Wir beantworten wichtige Fragen zu den weiteren Folgen aus dem Missbrauchsgutachten.
Allen dreien werden in einem von Woelki in Auftrag gegebenen Gutachten des Kölner Strafrechtlers Björn Gercke zum Umgang des Erzbistums mit Missbrauchsfällen verschiedene Pflichtverletzungen vorgeworfen. Der ebenfalls belastete Hamburger Erzbischof Stefan Heße und Schwaderlapp als sein Vorgänger im Amt des Generalvikars boten dem Papst ihren Rücktritt an.
Welche Folgen hat die Beurlaubung der beiden Weihbischöfe?
Sie dürfen keine bischöflichen Aufgaben wie Firmungen, Diakonen- oder Priesterweihen oder auch Kirchweihen mehr vornehmen. Außerdem verlieren sie ihre Zuständigkeit für die ihnen übertragenen Pastoralbezirke. Auch ihre Aufgaben in der Bistumsleitung ruhen. Im Falle Heßes, der nicht mehr in Köln tätig ist und als Hamburger Erzbischof auf einer Hierarchiestufe mit Woelki steht, hat der Kölner Kardinal keine Befugnisse.
Wie funktioniert der Rücktritt eines Bischofs?
Ein Bischof kann formal gar nicht zurücktreten. Er hat sein Amt vom Papst verliehen bekommen. Ihm muss er deshalb auch den Verzicht darauf anbieten. Der Papst ist frei, ein solches Rücktrittsgesuch anzunehmen oder eben auch nicht.
Hat der Papst über Heßes und Schwaderlapps Gesuche schon entschieden?
Nein. In einer am Freitag veröffentlichten Liste von Bischöfen, die vom Papst entpflichtet wurden, tauchen die Kölner Namen nicht auf. Zu beachten ist, dass in Puffs Fall bislang kein Rücktritt im Raum steht. Die Frage, wie lange es bis zu einer Entscheidung des Papstes dauert, beantwortet ein römischer Insider sibyllinisch: Bei Franziskus sei alles möglich – Bauchentscheidung binnen eines Tages, Einholung von Rechtsgutachten, Konsultation der zuständigen Bischofskongregation. Das könne dann Wochen dauern.
Eines aber habe man inzwischen festgestellt: „Der Papst mag keine Vorverurteilungen. Darauf reagiert er allergisch – und manchmal mit einer schier unverständlichen Verteidigung der Betroffenen.“
Was wird aus einem Bischof nach Annahme des Rücktritts?
Ein Ortsbischof, wie zum Beispiel Heße, verliert sämtliche Leitungsvollmachten, die mit seiner Aufgabe verbunden sind. Die mit der Bischofsweihe verbundenen sakramentalen Vollmachten, zum Beispiel für Firmungen oder auch Weihehandlungen, bleiben ihm ebenso erhalten wie die Möglichkeit, die Messe zu feiern und andere Sakramente zu spenden. Das gilt auch für Weihbischöfe.
Mit Einwilligung des jeweiligen Ortsbischofs können zurückgetretene Bischöfe also auch weiterhin kirchliche Aufgaben übernehmen, die mit ihrer Weihe verbunden sind. Es gab in Deutschland Fälle, in denen Bischöfe nach einem Rücktritt in der Pfarrseelsorge tätig waren. Der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst wurde nach seinem Rücktritt 2014 nach Rom abberufen und dort in einer vatikanischen Behörde mit einer neuen Aufgabe betraut.
Mit der Annahme des Rücktritts geht der Anspruch auf das Bischofsgehalt verloren. Für ihre weitere Bezahlung, erklären Experten, werden Bischöfe ähnlich behandelt wie politische Beamte, die vor der Zeit in den Ruhestand versetzt werden. Sollten sie eine neue Aufgabe übernehmen, erhalten sie das dafür vorgesehene Gehalt. Ihre Pensionsansprüche werden nach den Regeln für Beamte im jeweiligen Bundesland berechnet.
Was sind die nächsten Schritte nach der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens?
Kardinal Woelki hat angekündigt, nach eingehender Lektüre des 900-Seiten-Gutachtens in einer Pressekonferenz am 23. März weitere Konsequenzen mitzuteilen. Dass diese wiederum personeller Art sind, darf bezweifelt werden, weil das Gutachten nur noch eine – nicht namentlich genannte – Justiziarin des Erzbistums belastet, die faktisch bereits seit geraumer Zeit nicht mehr im aktiven Dienst ist.
Die Gutachter haben Woelki verschiedene Ratschläge für Verbesserungen unterbreitet, von denen er einige womöglich schon in der nächsten Woche in Angriff nehmen oder dies zumindest ankündigen könnte: eine Stärkung der Interventionsstelle für Fälle sexuellen Missbrauchs mit Abkoppelung vom Offizialat, eine Revision der Aktenführung, Benennung einer „Ombudsperson“ oder Aufbau einer „Whistleblower-Hotline“.
Solche Vorschläge auf der Verfahrensebene wären relativ problemlos und schnell umzusetzen – ganz im Sinne von Woelkis Ankündigung, dass das Gutachten Folgen haben werde.
Wer darf das von Woelki unter Verschluss genommene erste Missbrauchsgutachten sehen?
Ab dem 25. März liegen im Maternushaus, der Tagungsstätte des Erzbistums, sowohl Gerckes Gutachten als auch die Untersuchung der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) zur Ansicht aus. Auf der Homepage des Erzbistums waren am Freitag für die Tage vom 26. März bis zum 1. April noch Termine buchbar.
Woelki hatte das WSW-Gutachten im Oktober unter Verschluss genommen mit der Begründung, es enthalte methodische Mängel, vor allem aber „äußerungsrechtliche Risiken“. Daher sei es nicht veröffentlichungsfähig. Wenn er auf massiven öffentlichen Druck hin nun doch Einblick gewährt, soll gewährleistet bleiben, dass keine Inhalte aus dem Gutachten publiziert werden.
Aus Zitat-Bruchstücken, die das Erzbistum selbst bekannt gemacht hat, lässt sich schließen, dass das WSW-Gutachten die auch von Gercke benannten Bistumsfunktionäre deutlich schärfer attackiert und sie auch mit ihrer moralischen Verantwortung konfrontiert.
Vor der Lektüre müssen Handys und Kameras abgegeben werden. Notizen sind erlaubt, aber keine „Abschriften“ aus dem WSW-Gutachten. Das Erzbistum warnt vor den rechtlichen Folgen einer Zuwiderhandlung und lässt sich dazu vorher ein „Merkblatt“ unterschreiben.
Immerhin erleichtert der emeritierte Juraprofessor Heinz Schöch einen Vergleich beider Gutachten: Eine vom Erzbistum veröffentliche Ausarbeitung Schöchs stellt die in beiden Studien ausführlicher geschilderten Missbrauchsvorgänge tabellarisch nebeneinander.