Köln – Das Erzbistum Köln als Baustelle: Mit seinem medienwirksamen Auftritt als Baggerführer bei einer Grundsteinlegung hat Kardinal Rainer Woelki selbst das Symbolbild zur Lage nach seiner „Auszeit“ geliefert. Am Wochenende gelang es ihm in seinem wichtigsten Beratergremium, dem Diözesanpastoralrat (DPR), gegen ihn aufgerichtete Barrikaden zu verschieben und auf unwegsamem Gelände Boden gutzumachen.Wie das Erzbistum nach dem zweitägigen Treffen in Düsseldorf mitteilte, kam Woelki denen entgegen, die von ihm konkrete Schritte der Veränderung verlangen: In der Seelsorge will er sich nicht länger gegen Wortgottesdienste mit Kommunionfeier an Sonntagen sperren. Im Arbeitsrecht sollen Passagen fallen, die queeren Mitarbeitenden mit Sanktionen drohen. Und in der Verwaltung plant Woelki eine Neuaufstellung samt der Trennung von Generalvikar Markus Hofmann, der im Bistum keinerlei Rückhalt mehr hat.
„Nicht nur sachlich-distanziert, sondern persönlich und emotional“
Damit habe Woelki „rote Linien“ nach vorn überschritten, lobt Gregor Stiels, Chef des Kölner Katholikenausschusses und DPR-Mitglied. An der Skepsis der Kölner Laienvertretung im Hinblick auf eine gedeihliche Zukunft des Erzbistums unter Woelkis Führung habe sich zwar nichts geändert, betont Stiels. Aber: „Ich habe den Kardinal zum ersten Mal nicht sachlich-distanziert, sondern persönlich und emotional erlebt. Das hat mir imponiert.“
Man müsse nun schauen, ob dieses Auftreten und Woelkis Versprechungen nur taktische Manöver seien oder Ausdruck eines ehrlichen Kulturwandels. Erste Überprüfung in der nächsten Sitzung des Diözesanpastoralrats.
Damit hat Woelki zuallererst Zeit gewonnen, zumal er in Düsseldorf mit ausreichend Löschschaum auch zu verhindern wusste, dass aus offenkundigen Reibungen zwischen beteuerter Transparenz und tatsächlicher Kommunikation ein Brand entstand. Natürlich seien im DPR Ungereimtheiten aufgefallen, betonte Stiels, etwa um die Finanzierung von Woelkis Lieblingsprojekt, der „Kölner Hochschule für Katholische Theologie“. Ebenso wie die zum Sitzungsbeginn mitgeteilten neuen vertraglichen „Unklarheiten im Stiftungsbereich des Erzbistums Köln“ – oder auch Woelkis fragwürdiges Agieren im Missbrauchsfall des Düsseldorfers Pfarrer Michael D. Die „Bild“-Zeitung veröffentlichte just am Wochenende Aussagen Woelkis, die im Widerspruch zur Aktenlage stehen.
Noch viele Baustellen auf der Großbaustelle Erzbistum Köln
Diskrepanzen dieser Art „sind wir leid“, sagte Stiels dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Dennoch votierte das Gremium mehrheitlich dagegen, sich mit den strittigen Punkten unmittelbar zu befassen, sondern ließ sich von Generalvikar Hofmann mit der Zusage einer „zeitnahen schriftlichen Aufklärung“ vertrösten. So ging Woelki mit dem Appeal des Reformers und Erneuerers, der auch menschlich für sich einzunehmen wusste, aus der DPR-Sitzung hervor.
Dennoch bleibt für den Kardinal der Baugrund im Erzbistum – um im Bild zu bleiben – voll mit gewaltigen Findlingen und diversen Blindgängern, die bei jeder Berührung explodieren könnten. Ein erster Sprengsatz ging unmittelbar nach dem Treffen in Düsseldorf hoch: Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtete, dass Woelki Papst Franziskus als alten, realitätsfremden Mann beschrieben habe.
Ein solches Urteil aus dem Mund eines Kardinals, der den Pontifex von Amts wegen bis aufs Blut zu verteidigen hätte, wäre schon an sich skandalträchtig, in Woelkis Fall aber besonders brisant. Denn noch steht sein Rücktrittsangebot an den Papst im Raum. Zurzeit dokumentiert Woelki auf Schritt und Tritt, dass er in Köln unbedingt weitermachen will. Despektierliche Äußerungen über den, der darüber zu entscheiden hat, wirkten da – vorsichtig gesagt – unglücklich.
Woelki ordnet seine Papst-Äußerung ein
Woelki erklärte sich dazu am Sonntag überraschend ausführlich: Mit „realitätsfremd“ habe er nicht etwa den Papst gemeint, sondern die Sicht vatikanischer Behörden auf die verfahrene Lage in Köln und mögliche Wege der Versöhnung und Erneuerung. Das Wort über Franziskus als „alten Mann“ wiederum sei auf einen Wunsch gemünzt gewesen, den 85-Jährigen zu schützen. Als Franziskus ihn 2021 – mitten in der Krise um den Umgang mit dem Missbrauchsskandal – seines vollen Rückhalts versichert und gesagt habe, Woelki dürfe dies gern auch in den Medien kundtun, da habe er das bewusst nicht getan, weil er „dem alten Mann“ das nicht auch noch habe zumuten wollen.
Kölner Insider wissen demgegenüber von Indizien für ein inzwischen extrem angespanntes Verhältnis zwischen dem Papst in Rom und seinem Kardinal am Rhein zu berichten. Nur mit Mühe, so heißt es, habe Woelki die Umwandlung seiner Beurlaubung in eine Entlassung abwenden können, möglicherweise mit Hilfe des päpstlichen Nuntius Nikola Eterovic in Berlin, für den Woelki als Reformbremser auf dem „Synodalen Weg“ von strategischer Bedeutung ist. Eine Bestätigung für die so skizzierte Gemengelage ist naturgemäß nicht zu bekommen.
Was die anstößigen Aussagen im DPR betrifft, bestätigt Stiels Woelkis Darstellung: Die Bemerkungen über den Papst seien Teil eines langen, um Worte ringenden Mäanderns gewesen – und nach Stiels’ Eindruck „nicht bösartig“. In der Diskussion habe das Ganze gar keine Rolle gespielt. „Wer das gegen die Bitte um Vertraulichkeit und ohne den Kontext sofort nach draußen getragen hat, ist unfair und will Woelki übel.“