AboAbonnieren

Paukenschlag im ErzbistumKardinal Woelki tauscht Leitung des Priesterseminars aus

Lesezeit 5 Minuten
Woelki 180321

Kardinal Woelki

Köln – Ein Priesterseminar ist nicht ein x-beliebiges Wohnheim für Theologiestudenten. Es ist der Ort, an dem der Bischof seinen künftigen Klerus ausbilden lässt. In anderen Zusammenhängen fiele vielleicht der Begriff „Kaderschmiede“. In der Kirche spricht man lieber von „geistlicher Formation“. Von entscheidender Bedeutung für die Bistumsleitung ist beides. Deshalb ist es ein Paukenschlag, dass Kardinal Rainer Woelki an diesem Montag die komplette Leitung des Priesterseminars in Bonn auswechselt.

Zu den Gründen nahm das Erzbistum auf Anfrage zunächst nicht Stellung. „Für die Beantwortung benötigen wir etwas Zeit“, teilte die Pressestelle mit und stellte eine „schnellstmögliche“ Rückmeldung in Aussicht.

Ursprünglich sollte die Entscheidung erst Anfang Juni bekanntgegeben werden. Insider spekulieren nun darüber, ob die plötzliche Eile mit der vom Papst angeordneten Apostolischen Visitation zusammenhängt: Ein Revirement im Priesterseminar als „Willkommensgruß“ – das könnte den päpstlichen Gesandten so oder so merkwürdig vorkommen.

Enger Vertrauter Woelkis

Fakt ist, dass der bisherige Regens (Leiter) des Seminars, Pater Romano Christen, seinen Job verliert und durch Regamy Thillainathan ersetzt wird. Der bisherige Leiter der Diözesanstelle „Berufe der Kirche“, einer Art Werbebüro für Priesternachwuchs und andere Seelsorge-Berufe, gilt als ein besonders enger Vertrauter Woelkis. Pfarrer Regamy, wie er sich selbst nennen lässt, machte zuletzt Schlagzeilen, als er im Oktober einen Telefonanruf von Papst Franziskus persönlich erhielt.

01K___24_71-101011533_ori

Pfarrer Regamy Thillainathan

Zuvor hatte er dem Papst einen Brief überreicht, indem er ihm voll Freude schilderte, dass „wir im Erzbistum Köln so viele junge Menschen haben, die ein Theologiestudium beginnen“. Der Papst habe ihn in dem kurzen Telefonat dazu ermutigt, die Berufungspastoral weiter auszubauen, erzählte Thillainathan anschließend. Jetzt wird er auf Woelkis Wunsch sozusagen der Chef der Neuberufenen.

Abstruse Thesen zur Homosexualität

Christen wiederum war 2019 wegen eines Thesenpapiers über Homosexualität als Krankheit in die Kritik geraten. Forderungen nach seiner Ablösung kam Woelki damals nicht nach. Nun schickt er Christen als Pfarrvikar nach Bad Godesberg, wo bereits ein anderes Mitglied seiner Ordensgemeinschaft als Pfarrer tätig ist.

Christens Stellvertreter Tobias Hopmann soll Pfarrer in Euskirchen werden. Ihn ersetzt der bisherige Repetent (Studienbegleiter) Markus Söhnlein. Als dritten setzt Woelki auch Pfarrer Axel Hammes vor die Tür, der als Spiritual für die geistliche Begleitung der Studenten verantwortlich war.

Sonderrolle des Spirituals

Der Spiritual spielt insofern eine Sonderrolle, als er zwar Teil der Hausleitung ist, aber nicht in Personalentscheidungen eingebunden ist. Die Unterscheidung zwischen administrativen „externen“ Funktionen und einem „Forum internum“ für den geistlichen Bereich soll einen Raum des Vertrauens für die Priesterkandidaten schaffen, in dem sie sich geschützt und ohne Risiko für ihren weiteren Werdegang äußern können.

Von Hammes wird berichtet, dass er auf Loyalität gegenüber dem Bischof Wert legte, die Studenten aber auch zu selbstständigem Denken ermutigte. Christens abstrusen Ansichten zur Homosexualität, die im Seminar zu einer „Fallbeilmentalität“ bei vermeintlichen Indizien für eine homosexuelle Veranlagung von Bewohnern führten, soll Hammes stets ablehnend gegenübergestanden haben. Seine künftige Verwendung ist noch unklar.

Wolkiges Schreiben

Zum Nachfolger hat Woelki Pfarrer Ralf Neukirchen aus Köln-Chorweiler bestimmt. Er gilt als liebenswürdig, gütig und tief geistlich. Allerdings wird bezweifelt, dass er das für seine Aufgabe notwendige Gegengewicht zu Thillainathan darstellen kann. Neukirchens Gemeinde erfährt an diesem Sonntag in einem „Proclamandum“ offiziell, dass ihr Pfarrer sie im Juni verlässt.

Das Erzbistum verrät aber nicht, wohin. Neukirchen werde im September eine „neue Stelle“ antreten, lautet die wolkige Formulierung in dem Schreiben von Personalchef Mike Kolb.

Entscheidung für Thillainathan löst Unmut aus

Im Erzbistum löste der Bericht des „Kölner Stadt-Anzeiger“ über Woelkis Entscheidung für Thillainathan als neuen Regens unmittelbar erheblichen Unmut aus: Thillainathan ist zurzeit als Seelsorger in der Berufungspastoral und Mentor für Theologiestudierende im Bereich des „Forum internum“ tätig. Er kennt aus diesem Zusammenhang etliche Seminaristen, denen er künftig im „Forum externum“ als Vorgesetzter gegenübertreten soll.

Der Regens spricht ein gewichtiges Wort bei der Zulassung der Seminaristen zur Weihe mit. In den kirchlichen Bestimmungen ist deshalb eine strikte Trennung beider Bereiche vorgesehen, ein direkter Wechsel vom „Forum internum“ ins „Forum externum“ ausgeschlossen.

Besuch Woelkis endet in einem Eklat

Schon in der jüngeren Vergangenheit hatte Woelkis Agieren im Seminar dem Vernehmen zu erheblichem Rumoren geführt. Ein turnusmäßiger Bischofsbesuch im Dezember endete in einem Eklat. Woelki brach ein Sechs-Augen-Gespräch mit den beiden „Senioren“, den gewählten Vertretern der 20 Seminaristen, brüsk ab, als diese ihm Fragen der Kommunität zu den Konflikten im Bistum vorlegten und vom Erzbischof wissen wollten, worauf sie sich als angehende Priester da eigentlich einließen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Anschließend, so wird erzählt, habe Woelki die gesamte Hausgemeinschaft „regelrecht abgewatscht“. Einzelne Studenten, die sich gleichwohl kritisch äußerten, wurden im März zusammen mit Christen ins erzbischöfliche Haus bestellt – offiziell zu klärenden Gesprächen. Faktisch hätten sie es „knüppeldick bekommen“, erzählt ein Hausbewohner.

Konflikt über verpflichtende Gebete

Zu einem weiteren Konflikt kam es, als die höheren Semester Bedenken gegen die täglichen verpflichtenden Gebetszeiten vortrugen und sich mehr „Echtheit“ und einen stärkeren Bezug des Gebetslebens zur Realität wünschten. „Draußen brennt es, und drinnen machen wir unbeeindruckt weiter – das geht doch nicht“, so gibt ein Bewohner die Stimmung wieder. Der Vorschlag, das Pflichtprogramm für eine Phase der Reflexion auszusetzen, scheint bis ans Ohr des Kardinals gedrungen und bei ihm als Gebetsstreik oder geistliche Rebellion angekommen zu sein.

„Alles sieht danach aus, dass Woelki die Priesterausbildung in Zukunft möglichst eng an sich binden und genauestens unter die Lupe nehmen will“, sagt ein leitender Bistumsvertreter.

Neue Studienleiterin

Dazu passt schlussendlich eine mit viel Wumms verkündete Personalie aus der Vorwoche, die Berufung der Theologin Carmen Breuckmann-Giertz zur Studienleiterin für die Priester- und Diakonenausbildung. „Ein wichtiges Signal für Frauen in Führungspositionen“, jubelte das Erzbistum in einer Pressemitteilung. Was nicht im Text stand: Breuckmann-Giertz ’ Ehemann ist in der Personalabteilung des Generalvikariats unter anderem für den Ersteinsatz der Neupriester zuständig. Man könnte von einer nahtlosen Verzahnung zwischen Büro und Wohnzimmer sprechen – und natürlich mit dem erzbischöflichen Haus.