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Geheime Silvester-DokumenteWie das Ordnungsamt in der Silvesternacht versagt hat

Lesezeit 4 Minuten
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Das Ordnungsamt konnte an Silvester der unübersichtlichen Situation vor dem Hauptbahnhof nicht Herr werden.

  1. Das Ordnungsamt war in der Silvesternacht für die Situation auf den Rheinbrücken zuständig.
  2. Im Februar 2014 war über eine Sperrung der Hohenzollernbrücke beraten worden. Doch das Ordnungsamt ließ die Brücke geöffnet.
  3. In der Silvesternacht kam es schließlich zu einer Massenpanik auf der Brücke.

Widersprüche, Chaos, Fehlplanung - die politische Brisanz der sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht war der Kölner Polizei schon am Mittag des Neujahrstages bekannt. Nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ verzichtete die Behörde wegen des „sensiblen Themas rund um die Flüchtlings-Thematik“ an jenem Tag auf eine Pressemitteilung und schob diese erst am 2. Januar um 17 Uhr nach.

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat Tausende Seiten vertraulicher Dokumente rund um die Silvesternacht ausgewertet. Darin wird klar, dass auch das Kölner Ordnungsamt in der Nacht und bei der Planung Fehler gemacht hat. Hier die Versäumnisse im Einzelnen:

Die Aufgabe

Die Situation auf den Rheinbrücken im Auge behalten und die Brücken bei Überfüllung sperren. Zuständig ist das Ordnungsamt.

Die Vorbereitung

Die Planung für den Silvestereinsatz 2015 beginnt zehn Monate vorher. Am 23. Februar begrüßen leitende Mitarbeiter des Ordnungsamtes im Stadthaus in Deutz Vertreter von Polizei, KVB, DLRG und Deutschem Roten Kreuz. Das Thema: Manöverkritik des Silvestereinsatzes 2014.

Immer wieder geht es in dem Gespräch um die Hohenzollernbrücke. Auf den engen Fußwegen hätten sich Menschen gedrängt, es habe Verletzungen durch Glas und Böller gegeben, manche seien in der Enge ohnmächtig geworden, heißt es im Besprechungsprotokoll. Im Gedränge seien Menschen auf die Gleise geklettert. Ein Vertreter der Bundespolizei regt an, die Brücke an Silvester künftig komplett zu sperren. Über diesen Vorschlag solle im Sommer bei einem weiteren Termin beraten werden. Doch der findet nie statt.

In der finalen Besprechung am 9. Dezember bringt der Einsatzplaner der Bundespolizei das Thema Vollsperrung noch einmal zur Sprache. Das Ordnungsamt aber lehnt ab. Er habe dann auch nicht weiter darauf bestanden, räumte der Bundespolizist im Ausschuss ein. Schriftlich wird festgehalten, dass die „Verkehrssicherungspflicht“ für die Hohenzollernbrücke bei der Stadt liegt, die „bei Bedarf“ Sperrungen veranlasst.

Zwei Polizisten erinnerten sich vor dem Ausschuss daran, dass das Ordnungsamt Pendelstreifen einsetzen wollte, um die Situation auf der Brücke im Blick zu behalten. Der Leiter des Ordnungsdienstes bestritt dies allerdings in seiner Zeugenvernehmung.

Die Fehler der Nacht

Es kommt, wie von der Bundespolizei befürchtet: Gegen Mitternacht wird es plötzlich eng in der Mitte der Hohenzollernbrücke – so eng, dass Menschen in Panik vom Fußweg über die Zäune auf die Gleise klettern. Der Einsatzleiter der Bundespolizei erinnerte sich vor dem Ausschuss: „Das ist ja wie Duisburg hier“, habe jemand in Anspielung auf das Drama bei der Loveparade 2010 geschrien. Mit den Worten „Rettet meinen Sohn“ habe ein Vater ihm einen fünfjährigen Jungen entgegengehalten. Menschen hätten geschrien: „Entweder wir springen aufs Gleis oder in den Rhein“. Die Bundespolizei ließ den Zugverkehr anhalten.

Und wo war das Ordnungsamt? Von einer Panik hätten seine Leute nichts mitbekommen, betonte der Ordnungsdienst-Leiter im Landtag. Dagegen schildert ein Mitarbeiter des Amtes im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, seine Kollegen hätten sogar geholfen, Menschen von den Gleisen zu ziehen. Wie passt das zusammen?

Pendelstreifen – so viel steht fest – gab es jedenfalls nicht. Die städtischen Kontrolleure hielten sich nur an den Brückenköpfen auf. Von dort konnten sie aber nicht die gesamte Brücke einsehen. Gegen ein Uhr wies eine Polizistin die Einsatzleiterin des Ordnungsamtes an, die Brücke für Fußgänger zu sperren. Die Frauen trafen sich eher zufällig an der Rampe im Rechtsrheinischen. Ein vorheriger Anrufversuch der Bundespolizei bei der Stadt-Verantwortlichen landete nur auf deren Mailbox. Ein Funkgerät der Ordnungsamtes, das eigens auf der Polizeiwache an der Stolkgasse hinterlegt war, blieb ungenutzt.

Weil bis kurz nach ein Uhr keine Züge fuhren, nahm das verhängnisvolle Gedränge im Bahnhof weiter zu. Um 1.28 Uhr schreibt ein Bundespolizist ins interne Einsatzsystem: „Auslastung der A-Passage ca. 90 %, überwiegend ausländische Bürger“. In der Enge gab es weitere sexuelle Übergriffe.

Die Konsequenzen

Personelle Konsequenzen gab es bislang nicht. Für den kommenden Silvestereinsatz dürfte die Diskussion um eine Komplettsperrung der Hohenzollernbrücke in den Mittelpunkt rücken. Zudem will die Stadt künftig als „fiktiver Veranstalter“ der Jahreswechselfeier in der Altstadt einspringen. Den gab es bisher nicht. Als Veranstalter wäre die Stadt zuständig, ein Sicherheitskonzept zu erstellen.