Interview mit AG Arsch huh„Wir singen nicht von stolzen Fahnen“
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Es passiert wohl immer wieder: Bei Veranstaltungen von rechten Gruppierungen werden Lieder der kölschen Bands wie „Ich bin ne kölsche Jung“ gespielt.
Keines dieser Stücke kommt aus der rechten Ecke. Aber die benutzten Begriffe sind oft Chiffren, die auf der politisch rechten Seite oft ganz anders aufgeladen sind.
Ein Gespräch mit Arno Steffen, Peter Brings, Tommy Engel, Sven Welter und Henning Krautmacher
Köln – Das Lied „Su läuf dat he“ ist die Reaktion der „AG Arsch huh“ auf ein Erlebnis von Arno Steffen – als kölsche Lieder von den falschen Leuten gesungen wurden. Was war passiert? Wer hat gesungen? Und welche Lieder?
Arno Steffen: Das hat sich abgespielt zu der Zeit, als in Chemnitz gerade diese Hetzjagden auf Migranten stattgefunden hatten. Es gab eine Demo hier am Bahnhofsvorplatz; als Begleitschutz agierte eine hooligannahe Gruppierung aus Köln, gewaltbereite Knallköppe. Auf der Veranstaltung gab es Reden darüber, wie schlecht die Welt ist und rechte Propaganda. Und danach wurde das Lied „Ich bin ne kölsche Jung“ gespielt, und Bläck Fööss, Kasalla, Höhner, Brings, Paveier... das ganze Repertoire. Und am Bahnhof gehen Besucher aus Japan vorbei und gucken in diese hasserfüllten Gesichter. Ich fand das ganze Szenario unterirdisch. Das ist ja nicht Köln! Ich habe Wut bekommen auf die ganze Bagage. Die Antifa hat uns erzählt, dass das dauernd so läuft – und was man da machen könne? Und warum wir kein Lied machen? Dann haben wir diskutiert und das Lied gemacht. So ist das entstanden.
Was für Lieder waren das denn, die da gesungen wurden? Stimmungslieder? Oder das kölsche Liedgut, wo es um Heimat, Stolz und Ehre geht?
Peter Brings: Welche Lieder sollen das denn sein? Gegen das Wort Heimat ist ja erst mal nichts einzuwenden.
Naja, hier sind drei Beispiele: einmal geht es um „Kölsch Bloot“, dann geht es um die „stolzgeschwellte Brust“ im Angesicht der „rot-weißen Fahnen“ und dann um die vielen Gründe, stolz zu sein „op Kölle“.
Brings: Tja...
Tommy Engel: Kölsches Scheißgetümel.
Keines dieser Stücke kommt aus der rechten Ecke. Aber die benutzten Begriffe sind nun mal Chiffren, die auf der politisch rechten Seite ganz anders aufgeladen sind.
Engel: Darum muss man sagen, was man will und was nicht. Keiner von uns singt ja darüber, dass wir die Rechten gut finden und unterstützen. Und wenn wir versuchen, den Begriff Heimat mit in die Lieder einzufügen – dann ist das ja nicht Blut und Boden. Heimat bedeutet für uns was ganz anderes.
Sven Welter: Wir haben das Lied „Heimat es“ geschrieben; das ist nicht unbedingt ein Stimmungslied. Dabei geht es ja nicht um ein kölsches Gefühl, sondern um ein Gefühl, das jeden Menschen auf der Erde betrifft. Wir singen nicht von stolzen Fahnen; wir singen von dem Gefühl, das jeder Mensch in sich trägt – dass jeder Mensch das Recht hat auf Heimat. Das ist ein positives Gefühl; es ist falsch, wenn das von solchen Leuten missbraucht und für deren Zwecke entfremdet wird.
Brings: Ich würde kein Lied singen mit diesen Begriffen, die da genannt wurden; da würde bei uns im Proberaum die Diskussion eskalieren. Aber ich bin auch nicht verantwortlich für die Lieder, die andere Leute singen.
Engel: Die Lieder gehören uns ja nicht, die Lieder gehören den Leuten. Ich kann also niemandem verbieten, Lieder zu singen; auch nicht diesen rechtsradikalen Köppen. Die Frage ist nur: Find ich das gut oder nicht? Und wir hier, wir finden das nicht gut.
Im Wahlkampf in den USA hat man immer wieder diese Situation: Republikaner wie Trump oder früher Bush und Reagan spielen bei ihren Veranstaltungen große Songs von großen Bands – peppige Lieder, coole Botschaften. Viele Bands lassen den Gebrauch ihrer Songs untersagen. Ist das hier mal überlegt worden?
Brings: Moment, wir reden jetzt über zwei Sachen. Das eine sind Lieder mit diesen Begriffen, die da vorgelesen worden sind und die ich nicht benutzen würde...
Engel: Da hast du auch nichts mit zu tun. Du kannst ja keinem vorschreiben, was er für Lieder schreibt.
Brings: Richtig. Aber was ich tun kann: Wenn diese Leute meine Lieder singen, dann kann ich sagen: Das möchte ich nicht. Das ist das, was die Höhner gemacht haben.
Henning Krautmacher: Das ist genau richtig. Es geht darum, dass die Lieder für einen anderen Zweck eingebunden werden. Ich würde nur gerne grundsätzlich festhalten: Auch wenn die Lieder an Karneval auftauchen – wir reden hier nicht über Karnevalslieder. Es geht um Lieder, wo der eine sein Gefühl so ausdrückt, der andere macht es anders; da hat der Tommy Recht, da kann man nichts dran machen. Der Punkt ist aber: Wenn ein Stück völlig zweckentfremdet wird. Wir haben damals dagegen geklagt und vor dem Landgericht Erfurt gewonnen, als die NPD im Wahlkampf in Thüringen auf dem Marktplatz Lieder von uns gespielt hat: „Wenn nicht jetzt, wann dann“ zum Beispiel. Und das geht natürlich nicht. Nichts anderes passiert hier in Köln. Die Bläck Fööss haben das Lied „En unserem Veedel“ ja nicht geschrieben als Forderung, dass Schwarze und Migranten und Flüchtlinge hier nichts zu suchen haben. Da muss man laut sagen: Nein, dafür möchten wir unsere Lieder nicht hergeben.
Steffen: Der Rechtsweg ist nicht immer ganz einfach. Kasalla wollten mal klagen. Wenn man klagt, braucht man das Einverständnis aller Songautoren; und wenn man das alles zusammen hat – dann gibt es die Gruppierung, der man die Nutzung der Lieder untersagen will, nicht mehr. Die haben sich schon wieder umgetauft und sind nicht mehr zu belangen.
Bleiben wir mal bei dem Begriff Heimat – wie kann man den Unterschied zwischen kölsch und rechts denn erklären?
Engel: Der Begriff ist durch die Geschichte besetzt. Wir sind die Generation, die noch die Schäden aus dieser Zeit aufräumen muss. Das bedeutet, wir müssen wachsam bleiben. Das ist es, was wir hier tun.
Brings: Von den Nazis ist in den 30er Jahren vieles an Liedgut missbraucht worden; normale Lieder, die man in der Folge nicht mehr guten Gewissens singen konnte – obwohl es ursprünglich gar keine Nazi-Lieder waren. Wenn das Pack unsere Lieder singt, dann können wir immer nur sagen: Das wollen wir nicht. Und vielleicht ist es am besten, wenn du direkt in den Liedern sagst, wo du stehst.
Engel: Das ist ja genau das, was in dem Lied „Su läuf dat he“ von der AG Arsch huh gemacht wird.
Krautmacher: Wir können die Stimme erheben und so auch die Öffentlichkeit darauf hinweisen, dass wir das falsch finden und nicht gutheißen, wenn so was passiert.
Welter: Um das noch mal festzuhalten: Wenn wir von Heimat singen, dann geht es eben nicht um Blut, Boden, Stolz und Fahnen, sondern um ein Miteinander. Die Idioten benutzen den Begriff Heimat aber, um auszugrenzen; um klarzumachen, wer alles nicht Teil dieses Miteinanders ist oder sein soll. Ich geb’ mal ein Beispiel: Bevor wir das Lied „Heimat es“ spielen, mache ich immer eine Ansage, in der ich erkläre: Heimat ist für uns Liebe, Gefühl, Miteinander. Am Anfang hab’ ich auch jeweils gesagt, dass es wichtig ist, dass das rechte Pack den Begriff Heimat nicht missbraucht. Nach einem Auftritt haben mich ein paar Zuschauer abgepasst und gefragt: „Warum nennst Du nur das »rechte Pack«, und warum nicht auch das »linke Pack?«“ Weil es meine Überzeugung ist, hab ich gesagt. Eine seltsame Diskussion war das. Wir haben die Ansprache daraufhin ein bisschen geändert. Wir sprechen jetzt von „rechtsradikalen Idioten“.
Es gibt eine These: Würde man in den kölschen Liedern das Wort Köln durch den Begriff Deutschland ersetzen, dann würden viele der Songs nicht mehr gesungen werden – weil der Zungenschlag ein ganz anderer wäre. Gibt es einen doppelten Boden, der es möglich macht, dass die Lieder auch anders verstanden werden können?
Steffen: Wir haben hier in diesem Kreis ein ganz gutes Niveau an Selbstkontrolle; wir gucken ziemlich genau hin: Was geht und was geht nicht? Was ist zu platt und was missverständlich? Wir passen da ziemlich auf. Man muss auch sehen, dass bei der »AG Arsch huh« schon aufgrund des gesellschaftlichen Engagements eigentlich keine Zweifel aufkommen dürften, auf wessen Seite wir eigentlich stehen.
Engel: In dem Lied „Du bes Kölle“ heißt es unter anderem: „Du bist supertolerant.“ Dabei mach ich auf der Bühne immer diese Gestik, um klarzumachen, dass ich das sarkastisch meine. Nicht alle Menschen können zwischen den Zeilen lesen; die glauben wirklich, wenn sie das mitsingen, dass Köln supertolerant ist. Dabei kann man mit einigem Recht die Frage stellen: Ist Köln wirklich so tolerant?
Gute Frage, eigentlich.
Steffen: Es gibt genau zu dem Punkt von dem Rechtsradikalismus-Forscher Alexander Häusler einen Aufsatz, den ich gut finde. Er stellt darin die Frage, ob es in Köln tatsächlich so ein kommunales Wir-Gefühl gibt, mit dem man zum Beispiel erfolgreich Widerstand gegen Rechts mobilisieren kann? Er kommt zu dem Ergebnis: Ja, es gibt – tief verankert, weit verbreitet und historisch gewachsen – ein stadtgesellschaftliches Wir-Gefühl für Toleranz und multikulturelles Miteinander. Und Häusler beschreibt, wie die zivilgesellschaftlichen Initiativen für das »tolerante Köln« Bestätigung in der Künstler- und Musikszene gefunden haben, die wiederum stark in der Gesellschaft verwurzelt ist. Und er findet, dass die Gründung der AG Arsch huh 1992 die Bedeutung der Künstler zur lokalpatriotischen Verfestigung der Idee vom toleranten und weltoffenen Köln zeigt. Das fand ich gut.