Man hätte verstanden, wenn die kölschen Musiker in diesem Jahr mal Pause gemacht hätten. Doch trotz Pandemie sind fast alle mit einem neuen Sessionslied am Start.
Es ist nicht leicht, den richtigen Ton in schwierigen Zeiten zu treffen. Doch manchem ist es gut gelungen.
Die Botschaft der besten Lieder lautet: Et ruckelt sich irgendwie zoräch
Köln – Wenn die Zeiten oder die persönliche Lebenssituation schwierig werden, sind die kölschen Textdichter nie um gute Ratschläge verlegen – erst Recht zur Karnevalszeit. Dann werden die Sorgen einfach weggeschunkelt und weggetanzt. Der Kölsch singt „däm Sturm entjäje“, wie Kasalla in diesem Jahr meint. Das war schon immer so. Vor hundert Jahren sang der großartige Gerhard Ebeler in Zeiten von Wirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und gesellschaftlicher Spaltung: „De Hauptsaach es, dat mer Musik han, die fleuten un och trumme kann. Täterä, zimmbumm!“
Doch in Zeiten von Corona wird es komplizierter, denn Feiern, Tanzen und Singen ist nicht möglich. Kasalla empfiehlt im aktuellen Sessionslied „Medden em Sturm“ Verbotenes. Und so wirkt manches Lied der kölschen Interpreten zum Start der Pandemie-Session etwas deplatziert.
In unserer Spotify-Liste haben wir Hits für die Session 2021 gesammelt. Diese können Sie ganz einfach kostenlos abonnieren und in Ihrer Spotify-Bibliothek speichern. Klicken Sie dafür einfach auf „Folgen” und Sie finden unsere neue Karnevals-Playlist immer ganz bequem in Ihrer Bibliothek.
Jeder hätte verstanden, wenn die kölschen Bands und Musiker in diesem Jahr einfach mal Pause gemacht hätten. Und doch gibt es fast von allen zu dieser Karnevalssession wie immer ein neues Lied. Einige haben sich herangetraut an das „fiese Virus“. Manch Hobbymusikant textet neue Reime zu alten Liedern („Kölsche Junge bütze nit“), während andere meinen, die Aufrufe der Stadtverwaltung zum Daheimbleiben unterstützen zu müssen („Mer jon nit mie erus“, „Mer blieve zo Hus“).
Origineller ist das, was die Paveier als Mutmacher anbieten: „Wer hätten dat jedaach, dat se uns über Naach de Stecker einfach trecke und dat nit nur för en Daach“ heißt es in „Ejal wat noch passeet“. „Mer stonn immer unsre Mann, och för dä, dä nit mieh kann.“
Gefühlvolle Ballade trifft den richtigen Ton
Die drei schönsten Lieder zur Lage der Nation finden sich auf keinem der einschlägigen Karnevalssampler, die nun in den Läden stehen. Silke Wünsch, Sängerin der Band Gäng Latäng, und Akkordeon-Spieler Christian Hecker, bekannt aus vielen Formationen der Kölner Szene wie der legendären Band Piano has been drinking, haben eine gefühlvolle Ballade mit viel Liebe und ein bisschen Augenzwinkern geschrieben, die genau den Ton der Zeit trifft: „Fastelovend fällt nit us“, heißt das Stückchen, das dem Schlamassel auch Positives abgewinnen kann: „Keine besoffene Pänz, kein Ballermann-Jedröhn – jevv zo, dat wor all wirklich nit mieh schön.“ Bei Youtube findet man ein witziges Video dazu, gedreht in der Kneipe „Piranha“, der letzten Bastion für kölsche Liedkultur im Studentenviertel.
Noch optimistischer kommt die Botschaft von Vera Bolten daher. Das Team vom Musical „Himmel und Kölle“ packt Trump und Lauterbach, das RKI und die Absage des Rosenmontagszuges in eine Corona-Version des Liedes „Et ruckelt sich zeräch“. Die Musical-Darstellerin aus Korschenbroich singt die Polka in so gutem Kölsch, wie es viele der neuen kölschen Bands nicht hinbekommen. Das schöne an diesen beiden musikalischen Corona-Perlen: Sie sind frei von Kölschtümelei.
Etwas pathetischer, aber nicht weniger hörenswert ist das Lied zum Projekt #blievjeck. Jennifer Fey, Christian Spieker und Daniel Kuschewski – allesamt in der kölschen Szene bislang unbekannt – singen eine Hymne, die eine Plakat- und Mitmachaktion untermalt. Unterstützung haben sie sich bei Nadine Weyer von den Beer Bitches, Juri Rother von Planschemalöör und Mo Torres geholt, der ein paar politische Botschaften in den Song hineinrappt: „Es bluten die Herzen! Liebe Politik, lasst die Kultur nicht sterben!“
Alle, die ihre Songs erst vor Kurzem aufgenommen haben, sind klar im Vorteil gegenüber den meisten etablierten Interpreten im Fastelovend, die ihre Lieder bereits vor Monaten produzierten. Im Sommer waren die Infektionszahlen niedrig, von einer Absage des Karnevals war keine Rede. Im Gegenteil: Die Session sollte zum rauschenden Fest nach dem Ende der Pandemie werden. „Jetz stonn mer all widder parat, dodrop han mer Iwigkeite jewat“, singen die Klüngelköpp und man kann sich leicht vorstellen, wie sich beseelte Jecke bei „Mir sin Kölsche“ den Corona-Frust aus dem Leib singen. Nun müssen die Jungs feststellen, dass Zeilen wie „Mer kumme su langsam zeröck“ einfach deutlich zu früh eingesungen wurden.
Das gilt auch für die tolle Produktion von Pläsier. Die Idee, einen „Maskeball“ zu vertonen, passt prima. Doch auch bei diesem Lied sind die Texter und Texterinnen davon ausgegangen, dass Corona nur noch im Rückblick ein Thema sein würde. Immerhin nutzt Pläsier nun das Lied zur Werbung fürs Maskentragen. Man kann das passende Accessoire kaufen und damit an notleidende Techniker spenden, die von der Krise besonders betroffen sind.
Auch Cat Ballou haben aus ihrem großartigen Sessionstitel „Do bes nit allein“ ein Statement zur Krise gemacht – eine sehr gelungene Uminterpretation eines Liedtextes, der ursprünglich überhaupt nichts mit Corona zu tun hatte. Durch ein Video, das Solidarität mit vielen leidenden Kneipenwirten und Clubbetreibern demonstriert, wird der Titel als ganz besonderes Zeitdokument in Erinnerung bleiben.
Noch näher dran am Geschehen ist Thomas Cüpper, der zu dem alten hochdeutschen Hit von Ludwig Sebus über die Sause in der „Kellerbar“ neue kölsche Strophen geschrieben. Da finden sich herrliche Zeilen wie „Su unnüdig wie Zieheknies, dat es die Pandemie“. Sebus und Cüpper konkurrieren im Rennen um das beste Lied in einer verkorksten Corona-Session sicher mit Brings: Zwar geht es auch bei „Mir singe alaaf“ um zur Zeit Verbotenes. Weil aber vorsichtig, „janz höösch för a besser Morje“ gesungen wird, könnte das Lied tatsächlich zum Sessionshit Nummer Eins werden – mit viel Hoffnung auf die Zeit danach.