Köln – Es scheint fast so, als hätte die kriegsbedingte Feierpause nur einen Tag gedauert. Am Samstagabend jedenfalls bietet die Innenstadt rund um die Ringe und die Zülpicher Straße bald wieder das gewohnte Karnevalsbild: Die Straßen sind voll, vor den Kiosken knubbelt es sich, an manchen Kneipen bilden sich lange Schlangen. Es ist Karneval – und der Krieg in der Ukraine scheint ganz weit weg. Auch die Polizei spricht von viel Trubel und einem vollem Zülpicher Viertel, auch an den Ringen sei viel los gewesen. Etwa drei Viertel des Publikums seien Karnevals-Feiernde gewesen.
Vor allem „Party-Publikum“ feiert am Samstagabend in Köln
Allerdings zeigt sich schon an den Kostümen, dass hier vor allem das Party-Publikum unterwegs ist. Da tut es auch mal eine symbolische Verkleidung – die Warnweste, das FC-Trikot, der Bauarbeiterhelm, auch Hasenöhrchen stehen hoch im Kurs. Sieht man mal ein rot-weißes Ringelhemd, geht das schon fast als kölsches Kostüm durch.
Nach ersten Einschätzungen der Polizei am Sonntagmorgen sei ein gewisses Aggressionspotenzial unter den Feiernden in der Nacht zu verzeichnen gewesen. So sei es zu mehreren Körperverletzungsdelikten gekommen, wie ein Sprecher mitteilt. Zudem sei es immer wieder zu Ruhestörungen gekommen. Genaue Zahlen lagen am Sonntagmorgen allerdings noch nicht vor.
Das auch an diesem Abend der eine oder andere Auswärtige zum Feiern nach Köln gekommen ist, bleibt kein Geheimnis angesichts zahlreicher hilfloser telefonischer Verabredungsversuche auf offener Straße. „Wo seid ihr denn? Keine Ahnung, wie die Straße heißt. Sieht alles gleich aus hier.“ Das alles könnte auch ein großer Junggesellenabschied sein.
Die längste Schlange des Abends bildet sich denn auch vor der unverwüstlichen „Klapsmühle“ auf dem Hohenzollernring. Deutschen Schlager gibt es auch in anderen Bars auf den Ringen, dazwischen erklingen nur ganz vereinzelt kölsche Lieder. Höchst angesagt ist einmal mehr die Zülpicher Straße, die schon am Donnerstagnachmittag wegen Überfüllung abgeriegelt werden musste.
Karneval in Köln: Lange Schlangen vor Zugangskontrollen
Auch am Samstagabend bilden sich lange Schlangen vor den Zugangskontrollen zur Feierzone, etwa auf der für den Autoverkehr gesperrten Roonstraße. Auch die Polizei registrierte stetig steigende Besucherzahlen im Lauf des Abends. Besondere Vorkommnisse gebe es aber nicht, die Lage sei unter Kontrolle.
Vor den traditionelleren Karnevalskneipen, etwa dem Alcazar, dem Goldenen Schuss, dem Zappes oder dem Knobelbecher stehen die Jecken zwar an, doch hier wirken die Schlangen kürzer, die Lautstärke etwas verhaltener als in früheren Jahren ohne Corona und ohne Krieg in Europa. „Deutschland liefert Waffen an die Ukraine“, leuchtet es von einem großen Infoscreen über die Feiernden vor dem „Scheuen Reh“ am Bahnhof West.
Das lesen auch Clara und Lisa aus Hürth, die am frühen Abend nach Köln gekommen sind. „Wir wissen, dass in der Ukraine gekämpft wird. Und das finden wir ganz schlimm. Aber es ändert ja nichts, wenn wir hier aufs Feiern verzichten.“ Karneval sei eben Karneval, und die Corona-Auszeit habe lange genug gedauert.