Zehntausende, überwiegend junge Jecken feierten Weiberfastnacht im Kwartier Latäng. Größtenteils blieb es friedlich – der Blick aufs Feier-Veedel.
„Bisschen rumbrüllen, bisschen Bierchen“Party-Invasion an Weiberfastnacht – So war der Tag im Zülpicher Viertel
Kurz nach 11:11 Uhr wirkt es, als wüsste manch einer im Kwartier Latäng gar nicht, wohin mit seiner Freude: Ein junger Mann im Waschbärkostüm etwa springt aus dem Stand einen Salto rückwarts. Dass er den Platz dazu findet, ist allerdings erstaunlich, denn schnell war die Zülpicher Straße voll mit Jecken, überwiegend auffallend jung.
„Es macht immer Spaß hier. Bisschen singen, bisschen rumbrüllen, bisschen Bierchen trinken“, sagt ein passenderweise als Bierkönig Verkleideter. Auf der Zülpicher zu Feiern, das sei inzwischen Tradition, sagt sein Kumpel.
Ortswechsel, ungewohnte Ruhe: Entspannt, in Jeans und Lederjacke, einen Karnevalsorden um den Hals, schlendert Polizeipräsident Falk Schnabel gegen 13 Uhr über den fast menschenleeren, gesperrten Abschnitt der Zülpicher Straße gleich vor der Mensa. Mit Oberbürgermeisterin Henriette Reker klettert er auf einen Aussichtsturm, den die Stadt für den Weiberfastnacht-Einsatz aufgebaut hat. Beide lassen ihren Blick über die proppenvolle Uniwiese schweifen. Karnevalsmusik schallt herüber.
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Gespaltene Meinungen zu Uni-Wiese: „Das war keine Sicherheitszone, sondern ein Festivalgelände“
Die Stimmung unter den Tausenden von Feiernden ist ausgelassen, der Polizeipräsident wirkt zufrieden. „Zur Stunde ist die Situation nicht vergleichbar mit der am 11.11. Die Lage ist bisher friedlich, es hat nicht diese Menschenaufläufe an den Sperrstellen gegeben.“ Und das wird sich auch im Verlauf des Tages nicht mehr ändern. Reker freut sich darüber, „wie die Leute tanzen und feiern, wir helfen ihnen dabei, auf sich selbst aufzupassen“.
Die eigentlich als Ausweichfläche geplanten Uniwiesen wurden schon früh geöffnet. Bezirksbürgermeister Andreas Hupke kritisiert das: „Das war keine Sicherheitszone, sondern ein Festivalgelände“, sagt er am Abend. „Es ist sofort aufgemacht worden und nicht erst, als es zu voll war. Das kann nicht sein. Es ist ein Naturschutzgebiet.“ Tatsächlich gefällt es einigen Feiernden hier besser. „Ich finde es cool, dass hier auch Musik ist. Auf der Zülpi kommt die nur von einzelnen Leuten“, sagt ein Jeck, der mit Klettergurten an seine Freunde angeseilt ist. „Deswegen ist das hier eigentlich viel geiler.“
Auch ein Eishockey-Spieler und seine Freundin in weißem Plüsch gefällt die Party-Atmosphäre auf der Wiese. Eigentlich wollten sie auf die Zülpicher Straße, doch: „Die Eingänge sind dicht, das ist dieses Jahr schwierig“, sagt die junge Frau. „Am 11.11. war das auch schon so. Das ist nicht gut geplant von der Stadt Köln“, sagt der Eishockeyspieler.
Kölner Wirt: Festivalgelände Uniwiesen sind Multiplikator
Tatsächlich war die Zülpicher Straße gegen 10.45 Uhr so voll, dass die Stadt sie sperren ließ. An den beiden Eingängen auf der Roonstraße und vor der Uni-Mensa kam niemand mehr rein, stattdessen verteilten sich die Menschen eben auf jene Wiesen zwischen der Luxemburger Straße und dem Hauptgebäude der Uni. Zum Schutz des Rasens war der Bereich mit Platten abgedeckt.
Wirt Markus Vogt hält das Konzept der Stadt mit der Überlauffläche für fatal. „Es soll zwar eine Sicherheitsfläche sein – faktisch ist es ein Festivalgelände“, so Vogt. „Am 11.11. gab es eine Ausweichfläche, die mittags geschlossen wurde. Dann verliefen sich die Leute. Das ist ja nichts, was die dann ihren Freunden empfehlen.“ Das würde dieses Jahr anders sein, das „Festivalgelände“ werde ein Multiplikator werden. „Dann haben wir nächstes Jahr nicht 50.000 Leute hier, sondern 100.000. Da wird die Stadt nicht drauf vorbereitet sein.“
Die Stimmung an dieser Weiberfastnacht schätzte er aber als ruhiger ein als bei der Sessionseröffnung im vergangenen Jahr. „Der Großteil ist friedlich. Das Problem bringt die Masse. Wenn unter 100 000 Leuten 98 Prozent friedlich sind, dann bleiben immer noch 2000, die es nicht sind“, so Vogt.
Festkomitee-Präsident Kuckelkorn zeigt sich positiv
Viele, die zum Feiern ins Uni-Viertel gekommen sind, sind noch minderjährig, älter als 30 ist kaum jemand. Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn, der sich kurz zuvor ein eigenes Bild auf den Uniwiesen gemacht hat, stellt fest: „Wenn wir ehrlich sind, hätten wir in dem Alter auch so gefeiert.“ Andreas Hupke sieht das weniger entspannt. Er ist unzufrieden.
„Ich bin entsetzt davon, wie über den Bereich von der Roonstraße bis zu Dasselstraße Jugendliche, teils 14-Jährige, zum Alkoholtrinken verführt werden“, so der Bezirksbürgermeister der Innenstadt. Er wolle nicht auf die jungen Leute „draufhauen“, sagt er, aber: „Wir dürfen sie doch nicht so alleine lassen. Wir müssen uns kümmern.“ Dazu müssten sich auch die Akteure um Henriette Reker einer Diskussion stellen, so Hupke. „Wenn das so weitergeht, nimmt der gesamte Karneval Schaden.“
An den Absperrstellen am Barbarossaplatz indes gelingen Feiernden immer wieder Durchbrüche, zu beobachten sind Katz- und Mausspiele mit dem Sicherheitsdienst: Jecke schieben die Gitter beiseite, eine Traube von Menschen strömt hindurch, die Ordnungskräfte hinterher.
Anders als noch am 11.11. ist die Situation vor den Absperrungen insgesamt allerdings deutlich entspannter. Gedränge gibt es kaum – und wenn, bildet die Polizei wie an der Mensa vormittags kurzzeitig eine Kette über die gesamte Straße, bis sich die Lage beruhigt hat.
Am 11.11. hatte es zudem nur einen einzigen Zugang gegeben, den vor der Uni-Mensa, diesmal waren es zwei. Am Nachmittag verlagert sich die gigantische Freiluftparty immer mehr Richtung Aachener Weiher. Die Hügel zwischen Weiher und Bachemer Straße sind um 16 Uhr voller Menschen – und Müll. Um diese Zeit nimmt auch die Zahl von Pöbeleien und Schlägereien zu. Die Mitarbeitenden des Ordnungsamts erwischten bis zum frühen Abend im Kwartier Latäng 89 Wildpinkelnde, obwohl mehrere hundert Dixie-Klos aufgestellt worden waren.
Die Polizei greift häufiger ein, ernste Zwischenfälle werden bis zum frühen Abend aber nicht gemeldet. Auch bei der Beratungsstelle Edelgard gehen bis zum frühen Abend keine Anrufe ein. Edelgard richtet sich an Frauen und Mädchen, die im öffentlichen Raum sexuell belästigt wurden. „Dass sich niemand gemeldet hat, heißt aber nicht, dass nichts passiert ist“, sagt Meike Michel von Edelgard.