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Trotz Absage von Zügen und SitzungenSommer-Karneval für Kölner Jecken undenkbar

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Veedelszoch

Auch die Veedelszöch, wie hier im Februar 2020 in Ehrenfeld, sind abgesagt.

Köln – Der Rosenmontagszug wird in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie erneut nicht in der gewohnten Weise stattfinden. Das hat das Festkomitee am Montag bekanntgegeben. Stattdessen soll ein alternativer Weg gefunden werden. Das Team der Zugleitung hatte bereits im vergangenen Jahr unterschiedliche Konzepte erarbeitet, die jetzt erneut auf Machbarkeit geprüft werden sollen.

Dazu zähle etwa das sogenannte Platzkonzept, bei dem die Persiflage-Wagen auf verschiedenen Plätzen in den Kölner Veedeln als Ausstellungsstücke zu sehen wären. Denkbar wäre auch die sogenannte Rio-Variante mit festen Tribünen auf beiden Seiten eines deutlich verkürzten Zugweges – auf Sitzplätzen im Außenbereich ließen sich dann die Abstände optimal einhalten. Auch eine personengenaue Rückverfolgung wäre möglich. Eine weitere Alternative wäre ein Rosenmontagszug im Rhein-Energie-Stadion.

Sollte der 1. FC Köln bis Ende Februar Corona-konform vor Publikum spielen dürfen, könne auch das ein Weg sein, so das Festkomitee. „All diese Varianten sind natürlich kein Ersatz für einen normalen Rosenmontagszug, das ist allen Beteiligten bewusst“, sagte Zugleiter Holger Kirsch. Im Vorjahr hatte es in Zusammenarbeit mit dem Hänneschen-Theater einen Rosenmontagszug im Miniaturformat gegeben, der vom WDR übertragen wurde – das soll laut Kirsch nicht wiederholt werden.

Die Freunde und Förderer des kölnischen Brauchtums haben am Montag die Schull- un Veedelszöch abgesagt, da die gesamte Logistik baut auf der Infrastruktur des Rosenmontagszuges aufbaue. Ein Alleingang sei daher nicht denkbar.

Stunksitzung sagt Sitzungen ab

Auch die Stunksitzung hat am Montag alle geplanten Sitzungen für die laufende Session abgesagt. „Es ist bereits das zweite Mal hintereinander und hoffentlich das letzte Mal, denn wir wollen alle nicht, dass es ab dem dritten Mal wie alles in Kölle automatisch zum Brauchtum wird“, sagte Pressesprecher Winni Rau. Mit der kabarettistischen Stunksitzung fällt eine der größten Karnevalsveranstaltungen der Stadt vollständig aus.

Die aktuellen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Karneval wurden bereits in den vergangenen Tagen intensiv diskutiert. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verwies im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ darauf, dass sich die Omikron-Variante auch in Deutschland extrem schnell verbreiten werde. „Der Karneval wird daher nur extrem eingeschränkt stattfinden können“, sagte er. Ihm wäre ein Sommer-Karneval lieber, der dann unter sicheren Bedingungen stattfinden könnte.

Kuckelkorn kritisiert Lauterbach öffentlich

Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn kritisierte diese Äußerung in einem Offenen Brief an Lauterbach ungewöhnlich scharf. „Es ist schade, wie wenig Sie als Rheinländer über den Karneval wissen – sonst würden Sie sich nicht öffentlich eine Verlegung der Karnevalsaktivitäten in den Sommer wünschen“, schrieb er. Der Karneval sei ein Fest im Jahreskreislauf wie Weihnachten oder Ostern. Niemand würde ernsthaft fordern, alle weihnachtlichen Feiern vom Weihnachtsmarkt über die Christmette bis zu den Treffen im Familienkreis auf den Sommer zu verlegen – selbst in Pandemiezeiten nicht, so Kuckelkorn.

Kritik an Vorschlag zu Karneval im Sommer

„Inhaltlich teile ich die Ansicht des Festkomitees Kölner Karneval, dass man den Kölner Karneval nicht verschieben kann“, sagte Stadtdirektorin Andrea Blome am Montag auf Anfrage. Ob und wie im Februar 2022 der Straßenkarneval möglich sein werde, sei zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht abzusehen. „Höchstwahrscheinlich wird die pandemische Lage nun im zweiten Jahr hintereinander den Jecken einen Strich durch die Rechnung machen und verhindern, dass wir Karneval feiern“, sagte Grünen-Fraktionschefin Christiane Martin. Das sei sehr bitter, aber nicht zu ändern. Die Idee, die Züge und Sitzungen in den Sommer zu verlegen, sei vielleicht gut gemeint, aber wohl nicht umsetzbar.

„Der Kölner Karneval ist ein Brauchtum, das mit dem Winter und dem Übergang zur christlichen Fastenzeit eng verbunden ist“, sagte CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau. Vor diesem Hintergrund könne man den Karneval nicht einfach in den Sommer verlegen. Die CDU lehne deshalb den Vorschlag entschieden ab.

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„Gesundheit geht vor, da hat Karl Lauterbach absolut recht“, sagte SPD-Fraktionschef Christian Joisten. Im Zweifel müssten Karnevalsveranstaltungen abgesagt werden, wenn der Gesundheitsschutz das nötig mache. Es brauche staatliche Regelungen, um die Vereine finanziell entschädigen zu können. „Wenn das geschieht, müssen wir aus meiner Sicht nicht über einen Sommerkarneval diskutieren, sondern können uns mit vereinten Kräften auf die Session 2022/2023 vorbereiten“, so Joisten.

Martin Müser vom Vorstand des Reiter-Korps Jan von Werth sagt: „Der Brief von Christoph Kuckelkorn war längst überfällig. Karneval ist von Leuten, die nichts damit zu tun haben, viel zu lange auf Party und Sauferei reduziert worden.“ Stattdessen müsste man die gesellschaftliche Bedeutung für Köln wieder herausheben. Ein solches Brauchtumsfest könne man ebenso wenig wie Weihnachten oder Ostern einfach verschieben.

Lauterbach sei in einige „Fettnäpfchen“ getreten. Der Gedanke, dass man möglicherweise wegen der epidemischen Lage wieder nicht zur gewohnten Zeit feiern kann, sei allgemeiner Konsens. Es gebe schon jetzt in den Karnevalsgesellschaften Überlegungen, wie man im Sommer mit verschiedenen Formaten feiern könnte. „Das haben wir auch letztes Jahr schon gemacht. Das ist aber dann kein Karneval.“

Max Eumann: „Jeck im Sunnesching“ kann Karneval nicht ersetzten

Die Band Miljö gehört zu den Stars, die regelmäßig bei „Jeck im Sunnesching“ mitmachen. Das unter Karnevals-Puristen nicht unumstrittene Festival, das an verschiedenen Plätzen und Kneipen gefeiert wird, soll nach bisherigen Planungen im September 2022 stattfinden. Bandmitglied Max Eumann findet aber nicht, dass das ein Ersatz für Karneval sein kann. „Karneval gehört in die Jahreszeit, das kann man nicht einfach verschieben.“ „Jeck im Sunnesching“ sei lediglich ein „Festival mit kölscher Musik“. „Das sind ganz verschiedene Dinge.“

Sänger Björn Heuser, ebenfalls engagiert bei „Jeck im Sunnesching“, ist zwar dagegen, den Karneval an sich zu verlegen: „An der Tradition muss festgehalten werden. Aber: Man sollte doch überlegen, ob man auf die besondere Situation auch besonders reagiert.“ Die Arbeit der Ehrenamtler, die viel Mühe in den Karneval stecken, müsse gewürdigt werden und dürfe nicht umsonst gewesen sein. Feiern im Sommer sei eine Möglichkeit. „Die Leute haben auch im Sommer Lust zu singen, das haben wir bei Jeck im Sunnsching ja wunderbar gesehen. Karneval würde ich das aber nicht nennen.“