Köln – Die Stadt sei voller Renditeobjekte, da brauche es nicht noch ein weiteres, sagt der ehemalige Chef von Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD), Anton Schneider. Es gehe bei der Frage der Zukunft des sogenannten Otto-und-Langen-Quartiers in Mülheim nicht nur um die Bewahrung eines historischen Erbes. „Es geht auch darum, dass eine historische Chance für die Stadtentwicklung nicht vertan wird.“ Der ehemalige Ford-Vorstand Hermann Hollmann, jetzt Sprecher des Kölner Kulturrats, sieht es genauso. Die Stadt solle das sechs Hektar große Areal mit der ehemaligen KHD-Hauptverwaltung und mehreren dahinter liegenden alten Fabrikhallen kaufen, um den Weg für die in den vergangenen Jahren auf Initiative der Künstlerinitiative „Raum 13“ erarbeiteten Konzepte frei zu machen.
Für die Ex-Auto- und Maschinenbauer ist klar: Der Ort, von wo aus einst die Erfindungen der Kölner Gasmotorenfabrik die Motorisierung der Welt beschleunigten, soll wieder ein Ort der Innovation werden, sagten sie auf einer Presskonferenz in der „Villa Charlier“ an der Deutz-Mülheimer Straße. Die Kindertagesstätte, die hier nach dem Umbau des ehemaligen Sitzes der kaufmännischen Leitung von KHD eingezogen ist, hatte Anja Kolacek und Marc Leßle von „Raum 13“ und einigen Unterstützern in ihrer Turnhalle Asyl gewährt.
Zweifel an Bereitschaft zur Unterstützung
Auf dem Otto-und-Langen-Quartier, das über zehn Jahre mit Kunst, Kultur und unzähligen stadtentwicklungspolitischen Diskussionen belebt wurde, steht nur noch ein schäbiger Container, den die Stadtverwaltung zur Unterstützung der Künstler aufgestellt hat. Ein trauriges Symbol: Hier lagert Material von Installationen und aus Werkstätten; weggesperrt hinter einem Zaun. Open-Air-veranstaltung ließen sich hier organisieren. Doch die Künstler kommen zurzeit noch nicht einmal an ihren eigenen Besitz ran, weil die Stadt ihnen keinen Zugang organisiert hat.
In den vergangenen Wochen sind neue Zweifel an der vielfach bekundeten Bereitschaft der Stadtverwaltung aufgekommen, die Ideen für eine gemeinwohlorientierte Entwicklung des Quartiers zu unterstützen. Trotz mehrerer klarer und parteiübergreifender Ratsbeschlüsse zögert die Stadtspitze den Kauf des Areals hinaus. Die Politik wollte schon vor der Sommerpause, dass die Stadt von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch macht. Dann sollte in einer Hauptausschusssitzung während der Sommerferien entschieden werden. Doch da überraschte die noch für die Liegenschaftspolitik zuständige Stadtdirektorin, Andrea Blome, mit rechtlichen Bedenken und der Aussage, dass man mit der privaten Firma Jamestown des Kölner Unternehmers Christoph Kahl verhandle.
Stadt hat Vorkaufsrecht für das Areal
Kahl hat die ehemalige KHD-Hauptverwaltung vom Vorbesitzer Gottfried Eggerbauer für 21 Millionen gekauft. Über das Instrument des Vorkaufsrechts kann die Stadt nun in die Vertrag eintreten. Die Zeit läuft für Kahl, weil die Stadt nur in einem begrenzten Zeitraum in sein Eigentumsrecht eingreifen kann. Kahl hat erklärt, die Ziele der Stadt für das Quartier auch als privater Investor umsetzen zu wollen. Wie ein renditeorientiertes Unternehmen, das privaten Finanz-Investoren Gewinne verspricht, eine gemeinwohlorientierte Entwicklung eines Musterquartiers für die ganze Stadt umsetzen kann, bleibt bislang das Geheimnis von Jamestown und der Kölner Stadtspitze. Unklar ist weiterhin auch, warum die Stadtverwaltung breite und eindeutige Ratsbeschlüsse nicht umsetzt.
Kolacek und Leßle halten sich mit Kritik an Verwaltung und Politik zurück. Ihnen ist es wichtig, dass ihr Werben für eine Quartiersentwicklung, die viele verschiedene Nutzungen und Ziele miteinander verbindet und bei der die Kunst nicht nur dekoratives Beiwerk sondern „Innovationsmotor“ sein kann, immer noch eine Chance auf eine praktische Umsetzung hat. Ihre Unterstützer werden da schon deutlicher: „Die Politik darf sich nicht von der Verwaltung vorschreiben lassen, was sie machen soll“, sagt Winfried Gellner vom Kultur- und Wissenschaftsbeirat von „Raum 13“.
Der pensionierte Referent im Kölner Kulturamt glaubt, dass die Stadtverwaltung die Idee bewusst behindere. Sie befürchte offenbar viel Mühe und Arbeit und habe Angst, dass etwas, was sie noch nie gemacht hat, schief gehen könnte. Wittich Rossmann, Vorsitzender des Kölner DGB, sieht die Politiker des Kölner Ratsbündnisses in der Verantwortung: „Entweder versteckt sich die Politik hinter der Verwaltung oder sie ist nicht stark genug, um sich durchzusetzen. Beides wäre peinlich.“
Demo am Samstag auf dem Heumarkt
Am kommenden Samstag soll bei einer Kundgebung auf dem Heumarkt ab 14 Uhr der Forderung, dass die Stadt das Areal kaufen und nicht einem privaten Investor überlassen soll, noch einmal Nachdruck verliehen werden. Zahlreiche Unterstützer wollen auf dem Podium reden.
Auch Vertreter des Ratsbündnisses haben ihr Kommen zugesagt, was einmal mehr die seltsame Gemengelage in dieser Frage beschreibt. Gegen sich selbst werden sie nicht demonstrieren wollen. Gellner drückt es diplomatisch aus: „Wir demonstrieren nicht gegen etwas sondern für etwas. Das ist eine Ermutigung an die Politiker, sich durchzusetzen.“