Köln – NTV-Chefmoderator Christoph Teuner stand am Dienstagmorgen bei frostigen Temperaturen am Konrad-Adenauer-Ufer. Er berichtete live: über die Evakuierung des Sendezentrums seines eigenen Arbeitgebers auf der gegenüberliegenden Rheinseite.
Dort, am Kennedy-Ufer, wurde am Abend zuvor bei Bauarbeiten eine US-amerikanische Zehn-Zentner-Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Manche Kollegen Teuners hätten den Fundort von ihren Büros aus sehen können. Doch die RTL-Mediengruppe musste ihre Zentrale in den ehemaligen Messehallen am Dienstagmorgen räumen.
So wie rund 10.000 Mitarbeiter von benachbarten Unternehmen im Evakuierungsbereich. Während der Entschärfung kam zeitweise der Zugverkehr in Hauptbahnhof und Deutzer Bahnhof zu erliegen, da die Hohenzollernbrücke gesperrt werden musste.
Kölner Hyatt-Gäste ausquartiert
Die TV-Sender mussten improvisieren. NTV verlegte Teile seiner Redaktion ins benachbarte Café Heimisch, RTL ins Marriot-Hotel. Das Magazin „Punkt 12“ wurde ausnahmsweise in Berlin produziert.
Auch das Hyatt-Hotel mussten seine Gäste zeitweise ausquartieren. Sie wurden in andere Herbergen gebracht, für eine geplante Veranstaltung buchte das Hotel eilig einen alternativen Ort. „Wir hatten aber genug Zeit, alle zu informieren und Busse und Verpflegung zu besorgen“, sagte Janique Weber, Marketing Managerin des Hyatt.
Am Vorabend Kommunikationskanäle genutzt
Im 500 Meter großen Evakuierungsbereich lagen zudem ein Reihe von Wirtschaftsunternehmen. Allein die Zurich-Versicherung musste rund 2800 Mitarbeiter benachrichtigen, dass der Dienstag keine normaler Arbeitstag wird. „Wir am Vorabend alle Kommunikationskanäle genutzt. Am nächsten Morgen standen deshalb nur wenige Kollegen vor den Absperrungen“, sagte Unternehmenssprecher Bernd Engelien. Viele hätten von zuhause aus arbeiten können.
Die Angestellten des Landschaftsverbands Rheinland mussten ihre Gebäude ebenfalls verlassen. Niemand durfte sich auch im LVR-Turm aufhalten, in dem etwa die städtische Gebäudewirtschaft mehrere der 29 Etagen gemietet hat. Der Interimsstandort der Oper im Staatenhaus war auch betroffen.
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Es mussten jedoch gerade einmal 15 Anwohner ihre Wohnungen verlassen. „Es war außergewöhnlich, dass so viele Firmen betroffen waren und so wenige Anwohner“, sagte Jennifer Hedderich, Sprecherin des Ordnungsamts. Die Unternehmen hatten die Gebäude nach ihren eigenen Evakuierungsplänen geräumt. „Und die waren sehr gut. Wir mussten nur noch kontrollieren und hatten keine Probleme“, sagte Hedderich.
Massive Probleme hatten dagegen viele Fahrgäste der Bahn. Ab 9 Uhr fuhren die Züge am Deutzer Bahnhof ohne Halt durch. Am Hauptbahnhof ging der Betrieb bis etwa 11.15 Uhr seinen normalen Gang.
Dann begann die Entschärfung und die Hohenzollernbrücke wurde für eine gute halbe Stunde komplett gesperrt. In dieser Zeit ging nichts mehr an einem der wichtigsten Bahnknotenpunkte Europas. Die Züge stauten sich vor Hauptbahnhof und Deutzer Bahnhof, Verspätungen und teilweise Ausfälle waren die unvermeidliche Folge. Nach Angaben eines Bahnsprechers waren 119 Züge betroffen, es dauerte bis Dienstagnachmittag, bis der Fahrplan wieder einigermaßen im Takt war.
Wasserschutzpolizei unterwegs: Schiffe auf dem Rhein gestoppt
Für die Zeit der Entschärfung – ungefähr zwischen 11.15 und 11.45 Uhr musste die Schiffe auf dem Rhein anhalten, was von der Wasserschutzpolizei kontrolliert wurde. Auch der Luftraum über dem Fundort wurde gesperrt, was bei Bombenentschärfungen üblich ist.
Bombe an LVR-Klinik?
Die Luftbildauswertung eines Baugrundstücks auf dem Gelände der LVR-Klinik in Merheim hat eine „metallische Auffälligkeit im Boden“ ergeben. Um sicherzugehen, dass es sich um keine Fliegerbombe handelt, wird der Kampfmittelbeseitigungsdienst die Stelle untersuchen.
Sollte es eine Bombe sein, müssten 460 Patienten während einer Entschärfung die Klinik verlassen, ebenso ein Teil einer benachbarten Reha-Klinik. Der Zugang zum Krankenhaus Merheim wäre eingeschränkt. 600 Anwohner müssten den Evakuierungsbereich räumen. Die Autobahn 3 müsste zeitweise komplett gesperrt werden, zudem die Straßen um den Fundort der möglichen Bombe. (og)
Am Flughafen Köln/Bonn kam es jedoch zu keinen Problemen, weil die Jets die Gefahrenstelle umflogen. Auch die Autofahrer hatten Glück. Wichtige Verkehrsachsen wie Mindener, Opladener und Deutz-Mülheimer Straße und die Rheinuferstraße auf der linksrheinischen Seite lagen so gerade nicht im Evakuierungsbereich.
Nach Worten von Stefan Höreth vom Kampfmittelbeseitigungsdienst verlief die Entschärfung des gut 75 Jahre alten Sprengkörpers relativ reibungslos. „Wenn eine Bombe von mehreren 1000 Metern herunterfällt, ist das Zündergewinde gestaucht. Da haben wir immer Probleme mit den Rausdrehen. Aber wir haben den Zünder herausbekommen“, sagte Höreth. 250 Kilogramm Sprengstoff steckte in der Bombe, die zunächst in einem Zwischenlager deponiert und dann in einem „Zerlegebetrieb“ entsorgt wird. Alltag für Höreth, der schon mehr als 20 solcher Sprengkörper entschärft hat. Und wenn die Bombe explodiert wäre, „hätte das erstmal einer meiner Freundin erklären müssen“, sagte er schulterzuckend.