Köln – Die Mitarbeiterin hatte sich nichts weiter dabei gedacht, als an einem Montagmorgen im Oktober ein junger Mann mit Hemd und Sakko in der Gemüseabteilung des Marsdorfer Edeka-Marktes vor ihr stand und nach dem Filialleiter fragte. Als „Herr Hoffmann“ aus der Zentrale hatte der Fremde sich vorgestellt. Er sollte sich als Räuber entpuppen. Seit Donnerstag steht er vor Gericht.
Räuber zieht Waffe im Edeka-Büro
Die Mitarbeiterin hatte den 24-Jährigen in das Büro des Chefs geführt, der kurz darauf den Raum betrat. Man begrüßte sich, wonach „Herr Hoffmann“ seinen Rollkoffer öffnete. „Ich habe da etwas für Sie“, bekundete der Mann und hielt plötzlich eine Waffe in der Hand. Eine „täuschend echt aussehende“ Softair-Pistole, so der Staatsanwalt. Der Räuber forderte das Geld aus dem Tresor.
Da sich noch die Bareinnahmen vom Wochenende in der Filiale befanden, machte der Täter mit rund 13.000 Euro hohe Beute. Wie der 24-Jährige beim Prozessauftakt im Landgericht über seinen Verteidiger Michael M. Lang selbst zugab, fesselte er den Edeka-Mitarbeiter mit Klebeband und Kabelbindern. Dann verließ der Angeklagte das Büro und schloss die Tür von außen ab.
Womit der Täter nicht rechnete: Der Filialleiter konnte sich befreien und alarmierte seine Kollegen über die Lautsprecheranlage des Marktes, der zu dem Zeitpunkt noch nicht für Kunden geöffnet hatte. Die nahmen draußen die Verfolgung auf. Der Täter schwang seinen Rollkoffer, konnte aber überwältigt werden. Ein Abteilungsleiter hatte den Mann in ein Gebüsch geschubst.
„Er hat uns gefragt, ob wir ihn nicht gehen lassen könnten“, sagte ein Mitarbeiter des Edeka-Marktes als Zeuge aus. Der Räuber habe gemurmelt, dass er doch einen guten Plan gehabt habe. Die Zeugen begleiteten den Angeklagten zurück zum Haupteingang, dort nahm die Polizei den Mann schließlich in Empfang. Zuvor hatte eine weitere Mitarbeiterin unter Tränen den Notruf getätigt.
In der JVA Köln-Ossendorf zur Ruhe gekommen
Der Mandant sei nicht vorbestraft, stamme aus bürgerlichen Verhältnissen, so Anwalt Lang. Aus finanzieller Not heraus, weil er eine Stromnachzahlung von 800 Euro nicht habe zahlen können, sei der Mandant auf die Idee zum Raub gekommen. „Ohne Strom kein Internet und keine Arbeit“, so der Angeklagte, der im Homeoffice im Kundendienst einer großen Elektronikfirma tätig war.
Er sei erschrocken über die rechtlichen Konsequenzen, denn seit drei Monaten sitzt der Angeklagte in Untersuchungshaft, eine längere Gefängnisstrafe droht. Im Knast sei er zur Ruhe gekommen. „Man stellt sich ein Gefängnis als Gewalt dominiertes Gebiet vor, aber das ist nicht so“, so der Angeklagte. Er spiele dort Tischtennis und habe guten Kontakt zu zwei Mitgefangenen.
Bei Edeka hatte der Mann laut eigenen Angaben selbst eine Ausbildung gemacht. Der Räuber entschuldigte sich beim Filialleiter in aller Form. Der 37-Jähre habe den Vorfall gut verkraftet, auch weil der Räuber so höflich gewesen sei. „Das war kein Profi“, sagte der Zeuge. Er mache sich aber Vorwürfe, seine Kollegen mit seiner Lautsprecherdurchsage in Gefahr gebracht zu haben.
Mutter des Angeklagten verfolgt die Verhandlung
„Ich hoffe, Sie lernen draus, es war für viele ein Schockmoment“, sagte ein weiterer Mitarbeiter der Filiale. Nachdem auch dieser und ein weiterer Zeuge die Entschuldigung des Angeklagten angenommen hatten, sprach der Vorsitzende Richter Peter Sommer davon, dass damit ein sogenannter Täter-Opfer-Ausgleich erfüllt sein könnte. Der würde sich strafmildernd auswirken.
Von den Zuschauerplätzen aus verfolgte die Mutter des Angeklagten die Verhandlung. Zweimal habe sie ihn bisher im Gefängnis besucht, sagte der 24-Jährige. „Gestern kam ich leider zu spät, das tut mir leid“, platzte es da aus der Mutter heraus. Auf Bitte des Anwalts durfte die Frau sich in einer Prozesspause mit ihrem Sohn unterhalten. Ein Urteil soll bereits am Freitag fallen.