Die Immobilien-Firma Pandion hat einen dreistelligen Millionenbetrag für den Schrottplatz an der Widdersdorfer Straße bezahlt.
Doch bis zum Verkauf gab es keinen einzigen politischen Beschluss, der neue Planungen für das Areal ermöglicht.
Während Pandion schon an Plänen für ein „urbanes Quartier“ arbeitet, gibt es viel Kritik aus der Politik. Gab es im Vorfeld Zusagen an den Investor?
Ehrenfeld – Zwölfeinhalb Hektar im hippen Stadtteil Ehrenfeld, dazu die Aussicht auf weitere Areale mit viel Entwicklungspotenzial in der Umgebung – das verspricht in einer Stadt mit knappem Baugrund und in Zeiten von Niedrigzinsen beste Renditeaussichten. Einen dreistelligen Millionenbetrag hat das Immobilienunternehmen Pandion für einen Schrottplatz an der Widdersdorfer Straße bezahlt. Hundert Millionen mindestens, heißt es.
Einige sprechen von einem Betrag bis 200 Millionen – und fragen, wie so etwas möglich sein kann. Bis zum Verkauf gab es nämlich keinen einzigen politischen Beschluss, der neue Planungen für das Areal ermöglicht. Noch nicht einmal die Umwandlung des Industriegebiets in ein Gebiet für eine gemischte Bebauung ist bislang beschlossen.
Firma arbeitet seit zwei Jahren für „urbanes Quartier“ in Köln
Schon seit fast zwei Jahren arbeitet die Firma Pandion an Plänen für ein neues „urbanes Quartier“. Ende vergangenen Jahres kamen die Verhandlungen zwischen Pandion und dem Metallreycling-Unternehmen Max Becker über den Grundstückskauf wohl zum Abschluss. Erst danach wurden die politischen Gremien der Stadt informiert. Pandion und Max Becker setzen offensichtlich darauf, dass ihnen nun nachträglich alle Pläne genehmigt werden.
Unbeteiligte staunen: Lässt sich hier ein potentes Unternehmen auf ein riskantes Pokerspiel ein? Oder gibt es außerhalb der regulären politischen Entscheidungsprozesse irgendwelche Versprechungen, die das Risiko des Investors überschaubar machen? „Wer ist denn schon so blöd, so ein hohes Risiko ohne Absicherungen einzugehen“, fragt der Ehrenfelder Bezirksbürgermeister Josef Wirges. „Das macht man doch nur, wenn man sich sicher ist, dass man seine Pläne auch umsetzen kann.“ Über die Frage, woher Pandion diese Sicherheit nimmt, wird im Rathaus spekuliert.
Max-Becker-Gelände in Köln: Firma plane auf eigenes Risiko
Baudezernent Markus Greitemann, der nach eigenen Angaben seit Mitte vergangenen Jahres „intensive Gespräche“ mit dem Investor führt, bestreitet, irgendwelche Zusagen gemacht zu haben. Pandion plane „auf eigenes Risiko“. SPD und Linke äußern Zweifel: „Wer hat Pandion glauben gemacht, dass sich so ein hoher Preis lohnt?“, fragt SPD-Landtagsabgeordneter Jochen Ott. Michael Weisenstein von den Linken spricht bereits von einem „Skandal“. Er gehe davon aus, dass es Zusagen am Stadtrat vorbei gibt.
Das Thema hat Sprengkraft – nicht nur weil es um die Frage geht, ob in einer sich stark verändernden Stadt weitere Luxus-Wohnungen in großer Zahl nötig sind. Es geht exemplarisch auch um die provokanten Grundsatzfrage, wem die Stadt gehört. Wie viel Macht hat ein Stadtrat, wenn er einem potenten Investor Vorgaben machen will? Pandion geht davon aus, neben Büros für 2300 Arbeitsplätze 1300 Wohnungen bauen zu können. Da man auch eine Schule und Kitas mit einplant, muss es schon ziemlich genaue Vorstellungen über die Dichte und die Höhe der Bebauung geben. Beim Wohnungsbau folgt Pandion der städtischen Richtschnur, dass 30 Prozent der Wohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus errichtet werden müssen. Den meisten Politikern im Stadtrat sowie der ganzen Bezirksvertretung Ehrenfeld ist das jedoch zu wenig.
Der einstimmige Beschluss der Bezirksvertretung fordert neben den 30 Prozent geförderten Wohnungsbau, 20 weitere Prozent für preisgedämpften Wohnungsbau sowie noch einmal 20 Prozent für Werkswohnungen. „In Ehrenfeld brauchen wir Wohnungen für die Vielen und nicht nur für wenige Reiche“, sagt Michael Frenzel, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der SPD. Für Bezirksbürgermeister Wirges geht es um nicht weniger als die Rettung des Stadtteils: „Wenn wir das dem Investor durchgehen lassen, können wir den Deckel zumachen. Dann hat die Gentrifizierung in Ehrenfeld gesiegt.“
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Die CDU geht nicht so weit, stellt aber ebenfalls klar, dass die „Planungshoheit“ bei der Stadt bleibe. In die weiteren Planungsschritte würden die „Interessen der Stadt und der Öffentlichkeit eingespielt werden“, so CDU-Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz, der auch Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses ist. Dass Pandion das Max-Becker-Gelände gekauft habe, sei für ihn „ein ganz normales Privatgeschäft“. Auch Pandion findet nichts ungewöhnlich an seinem Vorgehen. „Für uns gehört es zum Alltagsgeschäft alle möglichen Risiken vorab in einer Projektanalyse zu erfassen und abzuwägen.“
Investor soll Politik zu spät informiert haben
Müsste es nicht eigentlich umgekehrt laufen? Wie kann ein Investor Preise kalkulieren, bevor Stadt und Politik sagen, was sie an Ort und Stelle wollen? „Wir sind ein Jahr zu spät einbezogen worden“, resümiert der Vorsitzende des Liegenschaftsausschusses des Rates, Jörg Frank von den Grünen. Er wirft dem Investor, aber auch der Stadtverwaltung vor, die Politik viel zu spät informiert zu haben. Baudezernent Greitemann weist die Kritik zurück.
Pandion sagt auf Anfrage, man habe im Vorfeld des Ankaufs versucht, „die Interessen von Stadt, Verwaltung und Fraktionen in Erfahrung zu bringen“. In einer Pressemeldung behauptet die Firma, dass ihre Pläne bei den stadtentwicklungspolitischen Sprecher von CDU, SPD, Grünen, Linke und FDP „auf großen Zuspruch“ gestoßen seien. SPD, Grüne und Linke widersprechen. „Wenn Pandion glaubt, so Druck aufbauen zu können, täuschen sie sich“, sagt Lino Hammer, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen.
Ziel: Städtebaulicher Vertrag mit Pandion
Der zuständige Baudezernent hält wenig von einer aufgeheizten Konfrontation. Schließlich gehe es auch darum, eine „großartige Chance“ zu nutzen, so Greitemann. Ziel sei ein städtebaulicher Vertrag mit Pandion. Er habe klare Vorstellungen über das, was man Pandion noch abverlangen will.
Wie sehr der Konflikt um das Grundstück eskaliert, wird sich zeigen. Die Stadt braucht Zehntausende Wohnungen. Und Firmen, die sie bauen. Druckmittel bei Vertragsverhandlungen wären durchaus vorhanden: Neben dem städtebaulichen Wettbewerb und dem Bebauungsplanverfahren, die der Stadtrat in seiner vergangenen Sitzung beschlossen hat, gibt es weitere Möglichkeiten. Das Geschäft kann nur funktionieren, wenn Max Becker wie geplant in einen städtischen Hafen umziehen kann. Auch die unmittelbare Nachbarschaft zu einem Kugelgasspeicher der Rheinenergie ist problematisch.
Das Rheinenergie-Areal könnte in die Entwicklung des neuen Quartiers einbezogen werden – oder als „Störfallbetrieb“ die Pandion-Pläne verhageln. „Wenn übel gespielt wird, muss man übel mitspielen“, fordert Weisenstein von den Linken. Eine Bürgerinitiative will für zusätzlichen Druck sorgen.
Vorkaufsrecht für Rheinenergie
Das Unternehmen „Max Becker“ in Ehrenfeld wurde 1935 gegründet und beschäftigt sich seitdem mit der Verwertung so genannten „Sekundär-Rohstoffe“. Hinter denkmalgeschützten Villen an der Widdersdorfer Straße erstreckt sich das Firmengelände, das nun an Pandion verkauft wurde. Max Becker plant, 2022 in den Niehler Hafen zu ziehen.
Bis 2002 war die Firma Mieter der städtischen Tochter GEW, die dann in der Rheinenergie AG aufging. Diese verkaufte das Gelände in den folgenden Jahren in mehreren Tranchen an den Mieter. Über den Preis gibt die Rheinenergie bislang keine Auskunft, so wie auch Pandion nicht sagt, was nun für das Areal bezahlt wurde. Man kann davon ausgehen, dass Max Becker ein glänzendes Geschäft gemacht hat.
Im Zuge der Abgabe des Grundstücks sicherte sich die Rheinenergie jedoch ein Vorkaufsrecht für den Fall, dass Max Becker – so wie jetzt geschehen – das Areal weiter verkauft. Die Rheinenergie prüft, ob sie dieses Vorkaufsrecht nutzen will. Sie müsste dann aber den gleichen Preis an die Firma Max Becker zahlen, den diese mit Pandion ausgehandelt hat. (fra)