Köln – Ihr habt gut reden! Kardinal Rainer Woelki weiß, dass dieser Satz nicht notwendig als Kompliment gemeint ist, wenn die Kirche sich zu Wort meldet. Den Wohnungsmangel in Köln hat der Erzbischof schon mehrfach angeprangert. „Wohnen ist Menschenrecht“, das wiederholt er auch auf seinem jährlichen Medienempfang am Mittwochabend. Woelki klagt über zu wenige und zu teure Immobilien in der Stadt. Es sei ein „gewaltiges Problem“ und eine Gefährdung des gesellschaftlichen Konsenses, wenn sich Krankenschwestern, Feuerwehrleute, Polizisten oder Straßenbahnfahrer – diejenigen also, die das Sozialwesen tragen – trotz aller Anstrengungen nicht einmal mehr die eigenen vier Wände leisten könnten.
Damit diese Kritik nicht als leeres Gerede abgetan wird und weil die Kirche sich nach Woelkis Worten selbst in der Verantwortung für die Besserung der sozialen Verhältnisse sieht, kündigt er als „kleine Überraschung“ den Bau von 632 neuen Wohnungen in Köln an. „Wir wollen mit gutem Beispiel vorangehen.“
Zahl mit Symbolcharakter
Die Zahl 632 hat – natürlich – Symbolcharakter und nimmt – auch das liegt nahe – auf Köln und seine bedeutendste Immobilie Bezug: 632 Jahre, von 1248 bis 1880, hat es von der Grundsteinlegung des Doms bis zur Vollendung gedauert. Für jedes Baujahr soll nun eine Wohnung entstehen. „Wohnungsbau ist Dombau“, hat schon Woelkis Vorgänger, Kardinal Josef Frings gesagt, als das Erzbistum nach dem Zweiten Weltkrieg mit der 1949 gegründeten „Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft“ daran ging, bezahlbaren Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten zu schaffen.
Für die geplanten neuen Wohnungen müsse kein einziges neues Baugrundstück erschlossen werden, erläutert Benjamin Marx, Geschäftsführer bei der Aachener. Das Ziel werde „allein durch Aufstockung und sensible Nachverdichtung im Bestand“ erreicht. Und der ist gewaltig: Die Aachener steht mit der Zahl ihrer Bestandsimmobilien in Köln auf Platz zwei. Dementsprechend groß sind die baulichen Reserven an den elf Standorten, wo die neuen Wohnungen vorgesehen sind: 282 sind es in Holweide, 152 in Bilderstöckchen, 40 in Mülheim, 16 in Porz, je neun in Ehrenfeld und Klettenberg, acht in Müngersdorf und sieben in Poll.
Im Wesentlichen würden dafür Dachgeschosse ausgebaut, erklärt Marx. In der Planung sei aber Wert darauf gelegt worden, dass die Aufstockungen den Nachbargebäuden kein Licht wegnehmen – was bei Verdichtungen oftmals ein Problem darstelle. Die fertigen Wohnungen sollen nach Marx’ Worten für eine Kaltmiete von neun Euro pro Quadratmeter angeboten werden.
Warnung vor sozialer Spaltung
„Das Geheimnis des ganzen Projekts“, sagt Marx, bestehe darin, dass die Planer es mit nur vier Ausbautypen zu tun hätten, weil die Siedlungsanlagen der 50er und 60er Jahre einander sehr stark ähnelten. „Die serielle Bauweise von damals können wir uns heute zunutze machen und die geplanten Wohnungen als Einheit behandeln. Das führt zu Synergien für den Bauherrn und die Verwaltung.“ Die Kölner Erfahrungen ließen sich überdies auf andere Standorte übertragen, so Marx.
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Den kirchlichen Einsatz für soziale Belange bezeichnet Woelki ausdrücklich als „Gottesdienst“ – und bezieht sich dabei auf die christliche Botschaft von der Menschwerdung Gottes. Gesellschaftliche Schieflagen zu benennen, gehöre „zur DNA der Kirche und besonders des Kölner Erzbistums“, betont der Kardinal. Er erinnert aber auch an die Verantwortung aller für die Besserung der sozialen Verhältnisse und warnt vor sozialer Spaltung und vor Polarisierung. „Wer auf der Straße nur SUVs sieht und Kinder, die vom Geigenunterricht zur Reitstunde auf dem Ponyhof eilen, nimmt das Leben nur sehr einseitig war“, sagt Woelki mit Blick auf die Wohngegenden Wohlhabenden. Wer demgegenüber „das Gefühl hat, abgehängt zu werden, entwickelt Wut“. Umso wichtiger sei es, Sündenbock-Mechanismen und falschen Zuschreibungen – „Die Flüchtlinge sind an allem schuld“ – gemeinsam entgegenzutreten, im Wort und in der Tat.