Ein Rundgang um den Dom offenbart die Absurditäten einer Beschilderung, wie Ex-Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner schreibt.
„Schlendrian in den Köpfen“Verwahrlostes Köln – Ex-Dombaumeisterin beklagt absurde Zustände
Köln und der Dreck. Manchmal frage ich mich, wieso das Thema bei mir nach 13 Jahren Verantwortung für den Dom inzwischen zu so einem Dauerbrenner geworden ist. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich gern in Köln lebe und mir deshalb wünsche, dass meine Stadt ein gutes Bild abgibt – besonders natürlich rund um den Dom.
Dass da etwas im Argen liegt, ist ja nicht neu. Vom aktuellen Ärger der Stadtführer hatte ich in einer Folge von „Auf den Punkt“ schon im Mai berichtet. Jetzt hat der erneute Aufschrei der Touristik-Guides eine Diskussion verstärkt, die hoffentlich auch mal etwas bewirkt.
Nur bin ich der Überzeugung, dass es nicht damit getan ist, die Reinigungskolonnen der AWB ein oder zwei Mal mehr am Tag über die Domplatte zu schicken. Es geht nicht bloß um überquellende Mülleimer oder sudelige Ecken. Es geht um einen Schlendrian in den Köpfen, der sich in der Vernachlässigung und Verwahrlosung des öffentlichen Raums insgesamt niederschlägt.
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Das Sinnbild, fast möchte ich sagen: das Mahnmal dafür befindet sich keine fünf Meter entfernt vom Sitz derjenigen Organisation, für die ein sauberes, einladendes Stadtzentrum Programm sein müsste: Kölntourismus. Direkt neben dem Eingang zum Touristenshop gegenüber der Domfassade stehen zwei Briefkästen der Deutschen Post. Windschief, von oben bis unten beschmiert und beklebt.
Wie man an dem abblätternden gelben Lack sieht, kann das seit langer, langer Zeit keinen geschert haben. Niemanden bei der Post, der ihre Briefkästen in solchem Zustand am bestbesuchten Ort Kölns hochnotpeinlich sein müssten. Aber auch niemanden bei Kölntourismus, wo man dem Konzern eigentlich permanent in den Ohren liegen müsste: Sorgt endlich dafür, dass die gelben Dinger vor unserem Schaufenster nicht aussehen wie Sau!
Aber irgendwie gerät so etwas in Köln immer ins schwarze Loch der Unzuständigkeit: Nicht meine Sache! Sollen doch die anderen zusehen.
Am derzeit geschlossenen Römisch-Germanischen Museum (RGM) setzt sich das fort. Die Sperrgitter um das Gebäude krumm und schief, behängt mit unansehnlichen Planen – alles so, als hätte man sie heute mal eben aufgebaut, um sie spätestens morgen oder übermorgen wieder wegzuräumen. Dabei wissen wir doch, dass es sich schon bei der Sanierung des Durchgangs vom Roncalliplatz zur Hohenzollernbrücke um eine monatelange Baumaßnahme handelt – Ende offen.
Mit Blick auf das Desaster im Zentrum Kölns hat Alt-Oberbürgermeister Fritz Schramma gerade vorgeschlagen, die Vollendung der Historischen Mitte insgesamt so lange zu verschieben, bis RGM, Dom-Hotel und das Laurenz-Carré am Südende des Roncalli-Platzes fertiggestellt sind. Das sehe ich – ehrlich gesagt – komplett anders: Es wird höchste Zeit, dass RGM, Stadtmuseum und Dombauverwaltung ihre neuen Räume bekommen und das städtebauliche Chaos ein Ende nimmt. Bis dahin werden sich die Kölnerinnen und Kölner wie auch die Gäste aus nah und fern mit der Situation im Zentrum arrangieren müssen. Es sind nicht die Provisorien an sich, die mich ärgern. Es ist die Art, wie sie in Köln gestaltet oder besser verunstaltet werden.
Erstes Beispiel ist noch einmal das Römisch-Germanische Museum. Im Inneren des leergeräumten Baus hat man inzwischen ja vor dem monumentalen Poblicius-Grabmal und über dem weltberühmten Dionysos-Mosaik bedruckte Folien befestigt, die Besuchern beim Blick nach drinnen zumindest einen Eindruck dieser bedeutenden Zeugnisse der römischen Antike geben sollen. Wenn man sie denn durch die vom Schmutz fast blinden Scheiben vernünftig sehen könnte! Aber auch hier findet sich keiner, der sagen würde: „So, da müssen jetzt mal die Fensterputzer ran!“ Weil keiner sich verantwortlich fühlt.
Zweites Beispiel zum Thema Verunstaltung: Was mich seit geraumer Zeit schier rasend macht, ist die Beschilderung zu den gesperrten Durchgängen zwischen RGM und Domumgebung. Pfeilsymbole und eine knappe Beschriftung sollen den Besuchern helfen, die vom Hauptbahnhof zum Roncalliplatz wollen oder die von Deutz über die Hohenzollernbrücke kommen und dann erst mal nicht mehr weiter wissen.
Was sich die Stadt da leistet, spottet wirklich jeder Beschreibung. Wäre es nicht gar so ein Kalauer, würde ich von einem Schildbürgerstreich sprechen, wie er im Buche steht. Als Ortskundiger merkt man natürlich nicht, wie einen die gelben, mit „U1“ und „U2“ beschrifteten Schilder nasführen. Aber versuchen Sie mal bewusst, sich an diesem „Leitsystem“ zu orientieren!
Leidsystem wäre vermutlich die passendere Schreibweise. Nicht nur, dass die Schilder an ihren rohen Eisenstangen in provisorischen Ständern aussehen wie entlang einer Tagesbaustelle auf irgendeiner Bundesstraße. Sie sind halt auch nicht wirklich informativ.
Ich bin die Strecke am Wochenende eigens noch einmal abgegangen. Es wäre zum Davonlaufen, wenn man sich dabei nicht hoffnungslos verlaufen würde. Die Schildern, sofern sie nicht gerade heruntergefallen sind und irgendwo herumliegen, lassen einen mit ihren Pfeilen teils total verwirrt zurück. Im Bereich zwischen Museum Ludwig und der Ostecke des Domherrenfriedhofs stehen zwei Tafeln einander gegenüber, deren Pfeile genau in entgegengesetzte Richtungen zeigen.
Am oberen Ende der Freitreppe vom Bahnhofsvorplatz hoch auf die Domplatte schickt einen das Umleitungsschild zur Hohenzollernbrücke und – Achtung! - zum Bahnhofsvorplatz geradewegs in den Dom, genauer gesagt zum geschlossenen Nordportal.
„Nun haben Sie sich doch nicht so!“, könnte man entgegnen. „Man muss das Schild doch nur um 90 Grad drehen, und schon stimmt die Richtung wieder.“ Sehr richtig, gut beobachtet! Nur tut das keiner. Und somit führt die sogenannte Umleitung schon seit Wochen vor das Domgitter, an dem man dann sozusagen klebenbleibt.
Ein Stück weiter in Richtung Brücke erreicht die Absurdität dann ihren Höhepunkt. Hier sollen die Besucher – laut Beschilderung – immer noch zum Bahnhofsvorplatz unterwegs sein, obwohl sie den da längst hinter sich gelassen haben. Das ist einfach völlig idiotisch.
Mal nebenbei: Ihnen als Leserinnen und Lesern des „Stadt-Anzeiger“ kann ich ja verraten, was ich Touristen und Tagesgästen von fern mit Rücksicht auf das Personal im „Museum Ludwig“ vorenthalten würde. Wenn Sie von der Hohenzollernbrücke kommend zum Roncalliplatz auf der Südseite des Doms wollen: Vergessen Sie den ganzen unübersichtlichen Schilderwald und nehmen Sie unauffällig die Abkürzung durch das Museumsfoyer – das ist dann fast wie die Passage vom Mittelmeer in den Indischen Ozean durch den Suezkanal, der einem die Umrundung des Kaps der Guten Hoffnung erspart.
Anstelle des ganzen selbst verschuldeten Schildergehudels hätte man sich für eine noch über Jahre notwendige Wegführung doch ein verständliches Infosystem ausdenken können mit einem Plan des Areals und intuitiven Markierungen. Aber ganz offensichtlich fehlt es in Köln an dem Bewusstsein, dass auch solche Dinge Teil eines erfolgreichen Stadtmarketings sind.
Und deshalb bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als genau das immer wieder anzumahnen. Noch will ich den Optimismus nicht aufgeben, dass ich damit nicht auf völlig taube Ohren stoße.
Aufgezeichnet von Joachim Frank
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