Köln – Eltern der Stephan-Lochner-Schule sammeln derzeit Geld für die von der Stadt Köln kürzlich nach Albanien abgeschobene Familie Lico. Bislang seien 1600 Euro zusammengekommen, um die Familie in Albanien zu unterstützen, sagte Elternvertreter Tristan Söhngen. Zwei der drei Kinder der Familie hatten die Grundschule am Rathenauplatz besucht.
„In Albanien hat die Familie keine Perspektive, keine Arbeit, nichts”, so Söhngen. „Die Familie und insbesondere die Kinder stecken also in einer wirklich katastrophalen Lage. Sie sind noch sehr aufgewühlt, weinen viel.” Derzeit lebe die Familie in einem kleinen Hotel in Korca. „Nächste Woche aber haben sie kein Geld mehr. Wie es dann weitergeht, wissen sie noch nicht.“
Dramatische Abschiebung
Die Familie war am 24. Mai abgeschoben worden. Am frühen Morgen hatten Polizei und Mitarbeitende des Ausländeramts die Familie mit drei Kindern (9, 7, 4) in der Wohnunterkunft für Flüchtlinge am Schlagbaumsweg in Köln-Holweide aufgesucht, um sie in ein Flugzeug in Richtung Albanien zu setzen. Die Abschiebung verlief offenbar unter dramatischen Umständen. Weil die Mutter Daniela (34) versucht habe, sich mit einem Messer selbst zu verletzen und der Mann Gentian (39) wiederum seine Frau schützen wollte, seien beide gefesselt worden, hatte ein Angehöriger der Familie Flüchtlingsberaterin Marianne Arndt vom Verein Mosaik berichtet.
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Arndt war eine halbe Stunde, nachdem Polizei und Stadt eingetroffen war, selbst vor Ort und kritisiert, dass die älteste Tochter Antonella (9) in dieser kritischen Situation habe übersetzen müssen, weil die Eltern nur wenig Deutsch verstehen und kein Dolmetscher vor Ort war. Arndt ist auch entrüstet darüber, dass zahlreiche Gründe, die Familie nicht abzuschieben, von der Ausländerbehörde nicht berücksichtigt worden seien.
Die Familie lebte seit 2015 mit einer Duldung in Deutschland. „Die Kinder sind in Köln aufgewachsen, sie kennen Albanien überhaupt nicht“, so Arndt. Zudem leide die Mutter unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, da die Familie in Albanien mit einer Blutrachefehde zu tun gehabt habe. Als Asylgrund habe sie allerdings Armut beim Bundesamt für Migration angegeben. Wegen mehrerer Suizidversuche sei die Frau seit längerem in psychologischer Behandlung gewesen. In Albanien sei nicht gewährleistet, dass sie angemessen medizinisch betreut werden könne.
Stadt verteidigt Vorgehen
Die Stadt verteidigt hingegen ihr Vorgehen. Eine Abschiebung könne nur ausgesetzt werden, wenn tatsächliche oder rechtliche Abschiebehindernisse vorliegen. „Leisten Personen gegen eine zulässige behördliche Maßnahme Widerstand, besteht ein Eigen- oder Fremdverletzungsrisiko oder ist eine Flucht anzunehmen, darf und muss eine Behörde zur Durchsetzung ihrer Maßnahmen und aus Gründen der Eigen- und Fremdsicherung Zwangsmittel anwenden“, begründet eine Stadtsprecherin die Fesselung der Eltern. Ein Dolmetscher sei im Fall der Familie Lico nicht nötig gewesen, weil mit der Familie bereits im Vorfeld über die Auseise unter Hinzunahme eines Dolmetschers gesprochen worden sei.
Auch der Gesundheitszustand der Mutter sei kein Grund gewesen, um die Abschiebung auszusetzen. „Ein tatsächliches Ausreisehindernis kann in medizinischen Gründen liegen, wenn eine Krankheit zum Beispiel im Heimatland überhaupt nicht behandelbar ist – jedoch sind die Maßstäbe an die medizinische Behandlung im Herkunftsstaat nicht mit der Qualität der Behandlung in Deutschland gleichzusetzen, die Prüfung dessen obliegt dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“, so die Stadt. Zudem sei es den Kindern zuzumuten, sich in Albanien einzuleben. „Eine Integration in die Lebensverhältnisse im Herkunftsland stellt jedoch keine unbillige Härte dar.”
Für Arndt ist dagegen „diese Abschiebung ein Akt, der in keiner Weise mit Menschenwürde vereinbar ist“. Würde das Land NRW die Vorgriffsregelung nutzen, wie das andere Bundesländer bereits tun, wäre es nicht zu dieser Abschiebung gekommen. „Aber nein, stattdessen noch schnell abschieben, was geht.“ Mit der Vorgriffsregelung erhalten geduldete Flüchtlinge einen Schutz vor Abschiebung, bis das geplante Chancen-Aufenthaltsrecht des Bundes beschlossen ist. Beabsichtigt ist, das gut integrierte Geflüchtete in Deutschland ein Aufenthaltsrecht erhalten.
Flüchtlingsrat kritisiert Ausländeramt
Auch Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats, kritisiert die zunehmend harte Linie des Kölner Ausländeramts. „Die Ausländerbehörde Köln setzt weiter auf Abschiebungen auch von Personen, die hier gut integriert, krank oder verwurzelt sind.“ Zudem befolge die Behörde ihre selbst gesteckten Richtlinien vom Juni 2021 nicht. Dort heißt es: „Bei gut integrierten Geduldeten helfen wir durch Nutzung vorhandener gesetzlicher Entscheidungsspielräume, eine gesicherte Perspektive zu schaffen. „In den Ohren auch dieser abgeschobenen Familie dürften diese Sätze zynisch klingen.“
In den vergangenen Monaten hatte es mehrere Fälle gegeben, die Flüchtlingsexperten kritisieren. Erst am Dienstag hatte die Stadt versucht, einen 59-jährigen Algerier abzuschieben, der bereits seit 30 Jahren mit einer Duldung in Köln lebt. Das Verwaltungsgericht hatte die Abschiebung in letzter Minute gestoppt.
Aus dem albanischen Korca hat sich inzwischen die neunjährige Tochter Antonella Lico per Sprachnachricht bei Elternvertreter Söhngen gemeldet. „Wir brauchen Hilfe, wir möchten wieder nach Deutschland kommen. Es ist sehr schlimm hier.”
Wer will, kann unter der folgenden Adresse für die Familie spenden.
gofund.me/e531246a