Die Straße in der Kölner Innenstadt ist nach einem katholischen Heiligen benannt. Trotzdem sei der Name nicht haltbar.
„Genauso verletzend wie das N-Wort“Neues Gutachten empfiehlt die Umbenennung der Kölner Mohrenstraße
Bekommt die Kölner Mohrenstraße bald einen neuen Namen? Wenn es nach Marianne Bechhaus-Gerst ginge, dann ja. Die Afrikanistik-Professorin der Universität zu Köln empfiehlt in einem neuen Gutachten der zuständigen Bezirksvertretung Innenstadt, die Straße umzubenennen. Der Begriff „Mohr“ (im Folgenden ohne Straßenkontext „M-Wort“), sei „rassistisch und diskriminierend“, heißt es in dem Gutachten. Der Straßenname falle daher in die Kategorie: „schwer belastet/nicht haltbar“.
Das Gutachten geht auf die Arbeitsgruppe „Umgang mit dem (post)kolonialen Erbe Kölns“ im Amt für Integration und Vielfalt der Stadt zurück, die es seit zwei Jahren gibt. Ein Projekt der Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit Kölner Straßennamen. Straßen, die einen kolonialen oder nationalsozialistischen Hintergrund im Namen aufweisen, werden von einem Team aus Historikerinnen und Historikern geprüft. Wie also nun die Straße in der nördlichen Innenstadt, die jede Kölnerin und jeder Kölner kennt - nicht zuletzt, weil dort klassischerweise der Rosenmontagszug endet. Bereits seit Jahren wird in Köln über eine Umbenennung diskutiert, das Gutachten gibt jetzt erstmals eine klare Handlungsempfehlung.
Kölner Mohrenstraße geht auf katholischen Heiligen zurück
Die Kölner Mohrenstraße unterscheidet sich in der Benennungsgeschichte von den durch die Kolonialgeschichte geprägten Benennungen in anderen großen deutschen Städten. Wie in Berlin etwa, wo aktuell ein umstrittenes Umbenennungsverfahren der eigenen Mohrenstraße läuft. In Köln geht der Straßenname auf den katholischen Heiligen Gregor Maurus zurück, dessen Grab sich in unmittelbarer Nähe, in der St.-Gereons-Kirche befindet. 1845 wurde die Straße nach Maurus benannt, nachdem der Kirchenvorstand von St. Gereon bei der Stadt eine „Maurenstraße“ beantragt hatte. „Warum man sich damals dagegen entschied, die Straße direkt nach Gregorius Maurus zu benennen, lässt sich nicht mehr rekonstruieren“, schreibt Bechhaus-Gerst.
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Die Kölner Straße sei in der Betrachtung ein „Sonderfall“, da nicht der Namenspatron in die Kritik geraten sei, sondern das M-Wort heute als klar rassistisch gelesen wird. Pfarrer Dominik Meiering, der die Innenstadt-Gemeinden, darunter auch St. Gereon leitet, fürchtet, dass mit einer Umbenennung das Gedenken an Gregor Maurus verblasst. „Gregor Maurus war ein Gefährte des Heiligen Gereon. Beide waren römische Legionäre aus Nordafrika, die Anfang des 4. Jahrhunderts nach Köln gesandt wurden, um die antike Stadt vor den Barbaren auf der gegenüberliegenden Rheinseite zu verteidigen“, so Meiering. „Sie haben die römische Kultur nach Köln gebracht und uns Recht, Gesetz und Ordnung gelehrt. Deshalb ist es richtig, Gregor Maurus eine Straße zu widmen und mir ist wichtig, dass das Gedenken an Gregor Maurus erhalten bleibt.“
Die Kölner Mohrenstraße habe nichts mit dem kolonialistischen Erbe der Stadt zu tun. Vielmehr erzähle man hier einen glänzenden Teil vom antiken Leben in der Stadtgeschichte. „Die Geschichte von Gregor Maurus möchte ich in dieser Straße weiterhin erzählen können“, so Meiering.
Doch auf dem Straßenschild steht eben nicht Maurus, sondern das M-Wort, dem Bechhaus-Gerst eine eindeutige Wirkung attestiert. Spätestens ab der Zeit des transatlantischen Sklavenhandels werde „die nahezu ausschließlich negative Konnotation des M-Worts immer deutlicher und manifestiert sich in Assoziationen von M. mit Sünde, Lasterhaftigkeit und Bedrohlichkeit.“ Im allgemeinen Sprachgebrauch sei das M-Wort später gegen das sogenannte N-Wort ersetzt worden.
Immer mehr Städte ächten das „N-Wort“
In der Schwarzen Community sind die Wörter kaum voneinander zu trennen, wie Glenda Obermuller erklärt. Sie ist Mitgründerin der ersten Schwarzen Bibliothek Kölns (Theodor Wonja Michael Bibliothek), Mitgründerin der Schwarzen Selbstorganisationsgruppe Sonnenblumen und hat die Initiative „N-Wort stoppen“ mitinitiiert. „Das M-Wort ist genauso verletzend wie das N-Wort“, sagt Obermuller. „Es beschreibt nicht unsere Identität als Schwarze Menschen. Ich bin auf jeden Fall dafür, dass die Straße umbenannt wird.“ Dass Köln 2020 als erste Gemeinde in Deutschland das „N-Wort“ geächtet habe, sei ein guter Schritt gewesen. Weitere Städte folgten diesem Vorbild. „Aber der Prozess muss weitergehen“, so Obermuller. „Es ist 2023. Die Zeit ist reif dafür.“
Die Entscheidung für die Umbenennung trifft am Ende die Bezirksvertretung Innenstadt. 2020 hatte die SPD in der BV die Umbenennung bereits einmal angeregt. Im November beraten die Politikerinnen und Politiker nun über das neue Gutachten. Bezirksbürgermeister Andreas Hupke (Grüne) wünscht sich aufgrund der Sensibilität des Themas „einen möglichst einstimmigen Beschluss.“ Alternativ zu einer Umbenennung könnte der Straßenname auch mit einer ausführlichen Infotafel versehen werden. Zunächst wolle er aber mit den Anwohnerinnen und Anwohnern vor Ort sprechen. „Wir werden uns in der Bezirksvertretung vor der Entscheidung nicht drücken“, sagt Hupke. „Aber wir müssen dem Thema die nötige Ruhe und allen Ansichten Raum geben. Eine Hau-Ruck-Aktion ist hier nicht zielführend.“