Köln – Eingeschlagene Fensterscheiben, zerstörte und mit Hakenkreuzen beschmierte Plakate, tätliche Angriffe auf Wahlhelfer – der Protest gegen die demokratischen Parteien hat sich in den vergangenen Wochen radikalisiert. Die Parteivorsitzenden von SPD, CDU und Grünen haben im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ übereinstimmend von einer aggressiven Grundstimmung berichtet, die sie auf diese Art und Weise noch nicht bei einem Wahlkampf erlebt hätten.
Ein Fenster der Geschäftsstelle des Kreisverbands der Grünen am Ebertplatz ist vor wenigen Tagen zerstört worden. Unbekannte hatten versucht, mit einem Stein oder einem ähnlichen Gegenstand eine der Fensterscheiben einzuschlagen, die seitdem einen großen Sprung und mehrere Risse aufweist. Die Grünen schalteten die Polizei ein, der Staatsschutz der Polizei ermittelt.
„Der Ton ist ganz eindeutig rauer und ruppiger geworden“, sagt Grünen-Parteichef Frank Jablonski. Bereits sehr früh im Wahlkampf wurden Plakate seiner Partei mit Hakenkreuzen beschmiert. Die Grünen stünden zurzeit als Hauptgegner im Fokus rechtsextremer und rechtspopulistischer Gruppen. Die Kampagne mit dem abwertenden Titel „Grüner Mist“, die bundesweit auf großflächigen Plakaten zu sehen ist, komme ebenfalls aus dieser Ecke. „Auch durch solche Hetzkampagnen fühlen sich einige offenbar ermutigt, die Grenzen zu überschreiten“, sagt Jablonski. Die Grünen würden jede Straftat konsequent bei der Polizei anzeigen. „Das sollte alle Demokraten anspornen, sich nicht einschüchtern zu lassen“, so Jablonski.
Kölner Polizei führt derzeit 56 Ermittlungsverfahren
Die Polizei führt derzeit nach eigenen Angaben 56 Ermittlungsverfahren wegen Beschädigung oder Entfernens von Wahlplakaten. Die Zahl der betroffenen Wahlplakate liege „natürlich deutlich höher, wird aber nicht erhoben“, betont Polizeisprecher Christoph Gilles. „Sie liegt aber sicher im niedrigen dreistelligen Bereich.“ Alles in allem sei das Ausmaß allerdings nicht größer als üblich. „Das Aufkommen ist nach derzeitiger Einschätzung mit den Wahlen in den vergangenen Jahren vergleichbar“, sagte Gilles.
In den meisten Fällen würden Plakate „beschmiert, beklebt, verbrannt, plump zerstört, oder sie »verschwinden« schlichtweg“, teilt die Polizei mit. Im Fall des zerstörten Fensters in der Geschäftsstelle der Grünen dauerten die Ermittlungen an. Ein Tatverdächtiger sei bislang nicht gefunden worden. „Wir suchen auch weiterhin nach Zeugen“, sagte Behördensprecher Gilles.
Gewalttätiger Übergriff auf Wahlkampfhelfer in Köln
Auch SPD-Parteichefin Christiane Jäger berichtet von zerstörten und mit Hakenkreuzen beschmierten Wahlplakaten. „Wir hatten direkt am ersten Tag des Plakatierens einen tätlichen Übergriff auf ein Parteimitglied“, sagt sie. Die Polizei habe den Täter zum Glück stellen können. In Porz seien sämtliche Plakate der SPD-Kandidatin abgeschnitten worden. Auch verbale Angriffe „übelster Art“ seien keine Seltenheit mehr. „In dieser Schärfe hatten wir das bislang noch in keinem Wahlkampf“, sagt Jäger. Dabei handele es sich bei einem Wahlkampf um eine „Säule des demokratischen Systems“. Die SPD erstatte konsequent Anzeige bei der Polizei.
„Das ist ein sehr emotionalisierter Wahlkampf – die Meinung anderer wird nicht akzeptiert“, sagt CDU-Parteichef Bernd Petelkau. Er beobachte diese Entwicklung bereits seit der Kommunalwahl im Herbst 2020. „Damals wurden unsere Plakate teilweise sogar angezündet“, sagt Petelkau. Auch in diesem Jahr stelle die CDU überdurchschnittlich viele Beschädigungen und Zerstörungen der Plakate fest. In den sozialen Medien gebe es zudem sehr viele Beschimpfungen. „Das ist nicht schön – wir hoffen darauf, stattdessen mit Argumenten streiten und überzeugen zu können“, sagt Petelkau.