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„Damit möchte ich nie aufhören“Eine Kölnerin engagiert sich für die Stadtgeschichte

Lesezeit 3 Minuten

Ina Hoerner-Theodor

  1. Unsere Serie „Zwei Kaffee, bitte!“: Wie reagieren Menschen – was erzählen sie, wenn man sie auf der Straße anspricht und zu einem Kaffee einlädt?

Köln – Heute bin ich nach längerer Innenstadt-Abstinenz mal wieder in Neumarkt-Nähe unterwegs, allerdings nicht im Shopping-Gewusel, sondern in VHS-Nähe. Dort begegne ich einer Frau mit rotem Fahrrad, die aus dem Kölner Süden angeradelt kommt, um in der Zentralbibliothek ein Buch aus der Fernleihe abzuholen. Wahrscheinlich böte allein dieses Werk über das Gesundheitswesen in NRW nach 1945 Stoff für ein stundenlanges Gespräch.

Ina Hoerner-Theodor hofft, darin auch etwas darüber zu erfahren, wie die Situation damals im überwiegend zerstörten Köln war mit all den Menschen, die aus Kriegsgefangenschaft und Lagern zurückkamen.

In Köln fing das „bedeutsamere Leben an“

Dass sie als ganz junge Frau „unpolitisch wie ein Rosinenbrot“ gewesen sein soll, wie sie einräumt, kann ich kaum glauben, als ich höre, in welchen Bereichen sich die inzwischen 70-Jährige engagiert.

Alles zum Thema Henriette Reker

Als sie 1968 zum Studium hierher kam, habe sie einen Aushang am Schwarzen Brett der Uni „Die Arbeitsgemeinschaft Klassenkampf trifft sich“ tatsächlich mit nichts anderem in Verbindung bringen können als mit Schule. Sie lacht. Anders als Düsseldorf, wo sie zur Welt kam, wurde Köln für sie zu der Stadt, „wo das bedeutsamere Leben anfing“.

Reine Mädchenklasse: „Mehr Solidarität, weniger Ablenkung“

Hoerner-Theodor erzählt, dass sie 40 Jahre lang in einem Weiterbildungskolleg in Mülheim als Lehrerin tätig war und somit maßgeblichen Anteil daran hatte, dass viele junge Leute im zweiten Anlauf ihren Schulabschluss geschafft haben. „Besonders spannend“ sei für sie gewesen, dass sie während der letzten anderthalb Jahrzehnte reine Frauenklassen unterrichtet habe.

Sie selber hatte seinerzeit Koedukation in ihren Anfängen erlebt und es im Nachhinein „als gute Schule fürs Leben und zur Selbstbehauptung“ betrachtet, eines von vier Mädchen gegenüber 20 Jungen im Abitur gewesen zu sein. Jahrzehnte später, als Lehrerin vor einer reinen Mädchenklasse, lautet ihr Fazit: „Mehr Solidarität, weniger Ablenkung.“

Gründungsmitglied beim Frauengeschichtsverein in Köln

Wie ich im Laufe unseres Gesprächs mehrfach feststelle, gehört Ina Hoerner-Theodor zu den Menschen, die man schwer in einen Artikel dieser Größe packen kann, weil ihre Interessen so vielschichtig, die Betätigungsfelder so zahlreich und das Erlebte so interessant klingt. Die 70-Jährige ist Gründungsmitglied beim Frauengeschichtsverein, den Oberbürgermeisterin Henriette Reker mal „das Gedächtnis der Frauen der Stadt“ genannt hat.

Für diesen linksfeministischen Verein, wie sie ihn bezeichnet, veranstaltet sie nach wie vor regelmäßige Stadtführungen und vermittelt den Teilnehmerinnen dabei eine Sicht auf Dinge, die auf den ersten Blick nicht zu erkennen sind: Zum Beispiel, dass von den 124 Figuren am Turm des Rathauses heute immerhin 18 Frauen sind. „Früher waren es nur fünf, das war ein elender Kampf“, sagt Hoerner-Theodor.

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Ein „wichtiger Ort“ für ihre berufliche Arbeit sei das NS-Dokumentationszentrum. Eine andere Art von Bereicherung erfahre sie durch ihre Mitgliedschaft im Literaturhaus Köln. „Ich möchte mit dieser Form von Engagement nie aufhören“, sagt die Kölnerin, die zusammen mit ihrem Mann, einem ehemaligen Architekten und immer noch aktiven Maler, in einer „wunderbaren Hausgemeinschaft“ im Kölner Süden wohnt und damit den aus ihrer Sicht perfekten Bogen von der WG, in der sie zwölf Jahre lebte, zum individuellen Wohnen gezogen hat.