Köln – Seit sich herumgesprochen hat, dass die Stadt an der Thieboldsgasse nahe dem Neumarkt einen Drogenkonsumraum plant, sind die Anwohner alarmiert.
Jährlich 16.000 Besuche im Kontaktcafé
Sie befürchten ähnliche Auswüchse wie im vergangenen Winter, als in der Wohnstraße nur wenige Meter weiter eine Notschlafstelle für Obdachlose aufmachte. Drogenhandel auf offener Straße, Junkies, die sich in Hauseingängen einen Schuss setzen, Spritzen in den Vorgärten, Gruppen alkoholisierter Obdachloser direkt vor der Haustür – die Zustände seien katastrophal gewesen, klagen Nachbarn.
Dass es auch anders geht, zeigt das Kontaktcafé der Drogenhilfe Köln auf der Victoriastraße in der Nähe des Hauptbahnhofs. Von außen deutet nichts darauf hin, dass sich hinter der Toreinfahrt mit der Nummer 12 ein Suchthilfeangebot befindet, das jährlich 16.000 Besuche verzeichnet: keine Zusammenrottungen auf dem Bürgersteig, kein Müll, kein Lärm.
Kaum Beschwerden
Die Einrichtung kann als Blaupause für den Neumarkt gelten. „Das Kontaktcafé bietet exakt das gleiche Angebot wie das, was am Neumarkt geplant ist, nur eben ohne Konsumraum“, sagt der Geschäftsführer der Drogenhilfe, Thomas Hambüchen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Mit der Winterhilfe, die allein schon personell viel schlechter ausgestattet ist, sei das nicht zu vergleichen. Hambüchen hält die Ängste der Anwohner an der Thieboldsgasse deshalb zwar für nachvollziehbar, aber unbegründet. Es habe in all den Jahren so gut wie keine Beschwerden aus der Nachbarschaft gegeben.
„Und wenn es doch einmal Klagen gab, etwa weil einer unserer Kunden in einen Hauseingang gepinkelt hat, haben wir sofort Gegenmaßnahmen ergriffen.“
Seit 1991 bietet das „Kontakt- und Gesundheitszentrum Café Victoria“ fünfmal in der Woche Mahlzeiten für kleines Geld an. Es gibt Dusch- und Waschgelegenheiten, eine Kleiderkammer, medizinische Versorgung und die Möglichkeit, benutzte Spritzen auszutauschen.
Hausregeln eindeutig
Für die Beratung stehen Sozialpädagogen zur Verfügung. Die Hausregeln sind eindeutig, und sie gelten nicht nur im Café, sondern auch auf der Straße in der näheren Umgebung: Kein Verkauf und Konsum, kein Pöbeln und keine Gewalt, kein Hinterlassen von Spritzen und anderem Müll.
Direkt vor der Café-Tür gibt es eine kleine Raucherecke, ansonsten ist den Besuchern das Herumstehen draußen verboten. „Bei wiederholten Verstößen machen wir das Café für ein oder zwei Tage zu. Das riskiert kaum jemand“, sagt Thoralf Wedig, Suchttherapeut und Leiter der Einrichtung.
Situation unter Kontrolle
In der Vergangenheit musste Wedig etwa zweimal pro Jahr auf diese drastische Maßnahme zurückgreifen. So hatten sich etwa Anwohner des Klingelpützparks über weggeworfene Spritzen im Gebüsch beschwert.
Wedig und seine Mitarbeiter verwarnten damals nicht nur die Besucher, sondern gingen auch regelmäßig Streife im Park, um die Situation unter Kontrolle zu bekommen. „Wir rufen die Nachbarn ausdrücklich dazu auf, uns zu informieren, damit wir sofort reagieren können.“
Täglich ist ein Mitarbeiter ausschließlich dafür abgestellt, die Lage vor der Tür zu beobachten. „Allein das konnte die Winterhilfe am Neumarkt gar nicht leisten, weil sie finanziell und personell so schlecht ausgestattet war“, sagt Thomas Hambüchen.
Anders als bei der Winterhilfe seien die Besucher des Cafés auch nur zu etwa 20 Prozent obdachlos. Als Einrichtung der Suchthilfe sei das Café zudem verpflichtet, eine Ordnungspartnerschaft mit Stadt und Polizei einzugehen. „Probleme wie Müll und Lärm kommen so viel schneller zur Sprache.“
„Zu glauben, dass sich die Szene am Neumarkt auflöst, ist eine Illusion“
Für Hambüchen schafft eine solche Einrichtung – ob es nun das Café Victoria ist oder der geplante Drogenkonsumraum am Neumarkt – eine „Win-win-Situation“. „Die Abhängigen haben die Möglichkeit, sich aufzuhalten. Und sie sind gleichzeitig für eine Weile weg aus dem Straßenbild, wo sich viele Bürger an ihnen stören.“
Er warnt allerdings auch vor unrealistischen Erwartungen. „Zu glauben, dass sich dann die Szene am Neumarkt komplett auflöst, ist eine Illusion.“