Im Zentrum der Gerichtsverhandlung stand die Frage, ob der Angeklagte eingeschränkt schuldfähig war.
Plädoyers vorgetragenProzess um Gasexplosion im Görlinger Zentrum
Im Prozess um eine vorsätzlich herbeigeführte Gasexplosion am 22. November des vergangenen Jahres im Görlinger Zentrum hat die Staatsanwältin am Donnerstag vor der 11. Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts acht Jahre Haft gefordert. Der 57-jährige Angeklagte habe sich des versuchten Mordes, der besonders schweren Brandstiftung und der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht.
Köln: Siebenköpfiges SEK-Kommando war im Einsatz
Am Tattag eilte ein siebenköpfiges Sondereinsatzkommando (SEK) zu dem Mehrfamilienhaus in Bocklemünd, in dem der Angeklagte mit seiner 54-jährigen Lebensgefährtin wohnte. Ihrer Zeugenaussage zufolge hatte sie in der Nacht das Zischen einer Gasflasche bemerkt, die Fenster aufgerissen und fast eine Stunde auf ihren Freund eingeredet, der offenbar versucht hatte, Suizid zu begehen und sie mit in den Tod zu nehmen. Als er zu einem Fleischermesser aus der Küche gegriffen habe, habe sie schleunigst die Wohnung verlassen und sei zu seiner Schwester gelaufen. Die Frauen setzen einen Notruf ab.
Von einem Balkon einen Stock tiefer zündeten SEK-Beamte Blendgranaten, gleichzeitig schossen Kollegen die Wohnungstür auf. In diesem Augenblick soll der Angeklagte das Gemisch aus der Gasflasche gezündet haben. Die sieben Polizisten flüchteten; zwei rannten im Treppenhaus nach oben und erlitten eine Rauchgasvergiftung, obwohl sie die Fenster aufrissen. Überrascht von der Feuerwalze, sprang der 57-Jährige aus dem zweiten Stock hinunter und zog sich einen komplizierten Bruch zu, der zur Folge hatte, dass der linke Unterschenkel amputiert werden musste.
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Der Angeklagte habe kurz zuvor eine Psychose erlitten
Mit seinem „zielgerichteten Vorgehen“ habe der Angeklagte eine „völlig unkontrollierbare Situation geschaffen“, sagte die Staatsanwältin. Er habe die Gefahr „ganz klar abschätzen“ können, und ihm sei bewusst gewesen, dass es vom Zufall abhing, ob und wie schnell sich die Beamten retten könnten. Seine Schuldfähigkeit sei nicht aufgehoben gewesen. Allerdings könne als Ergebnis eines psychiatrischen Gutachtens nicht ausgeschlossen werden, dass sie durch paranoides Erleben, hervorgerufen durch eine hirnorganisch bedingte, kurz zuvor abgeklungene Psychose, vermindert gewesen sei.
Zugute zu halten sei dem 57-Jährigen, dass die beiden SEK-Beamten, die eine Vergiftung erlitten, keine bleibenden Schäden davontrugen, die fünf anderen unversehrt blieben und er sich selber schwer verletzte. Gegen ihn spreche unter anderem, dass er in der Verhandlung nicht den Eindruck gemacht habe, die Tragweite seiner Verantwortung zu ermessen. Er habe das „Überraschungsmoment ausgenutzt“ und sieben Menschen in konkrete Gefahr gebracht, und durch seine Schuld habe die Lebensgefährtin, die keinen Kontakt mehr zu ihm haben will, ihr gesamtes Hab und Gut verloren.
Verteidigerin Karin Bölter machte geltend, dass ihr Mandant sehr wohl Verantwortung übernehmen und sich für den gesamten Vorfall entschuldigen wolle. Zwar sei er „bei Sinnen“ gewesen, doch der „ausgeprägte Defekt im Gehirn“ sei nicht zu unterschätzen. Dass sich das Feuer so rasant ausbreiten würde, sei für ihn „nicht absehbar“ gewesen. Sie beantragte ein „mildes Urteil“. „Es tut mir alles leid, was passiert ist“, ließ sich der Angeklagte zum Schluss vernehmen. „Ich weiß nicht warum, weshalb, ich kann es mir nicht erklären“. Die 11. Große Strafkammer will das Urteil am kommenden Mittwoch verkünden.