Fast vier Stockwerke groß ist das Denkmal für die „Haus des Geldes“-Serienheldin „Nairobi“ in einer Baulücke in Köln-Ehrenfeld.
Zunächst war unklar, von wem das Kunstwerk stammt. Nun wurde das Geheimnis gelüftet.
Was hinter dem Kunstwerk steckt, ob es sich um versteckte, kommerzielle Werbung handelt und warum die Streetart-Szene scharfe Kritik äußert, erfahren Sie hier.
Dem Streaming-Dienst ist hier offensichtlich ein Coup gelungen: Reklame, über die gesprochen wird und die in sozialen Medien als Foto geteilt wird, hat ihren Zweck erfüllt. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat die Berliner Agentur XI-Design den Werbeauftrag umgesetzt. In Berlin wurde das gleiche Motiv platziert.
Aus Markenbotschaften werden Kunsterlebnisse
Der Spezialist für „handgemalte Außenwerbung“ vermittelt Aufträge, damit „Markenbotschaften“ in „Kunsterlebnisse“ verwandelt werden, „die sich in das kollektive Bewusstsein einprägen“. „Selbst im überreizten Großstadtklima“ gelinge es, „für Furore und Faszination zu sorgen“, heißt es in einer Selbstdarstellung der Agentur.
Berlin ist mittlerweile voll von den kommerziellen Murals und auch in Köln werden es immer mehr. Werbung für Spotify, Lufthansa, Amazon, Sony, Mode- und Autofirmen, Alkohol und eben auch Netflix-Serien mischt sich unter die bunten Bilder einer eigentlich unkommerziellen Streetart-Szene. Für die Reklame für „Haus des Geldes“ geht man noch einen Schritt weiter: Der Auftraggeber der Werbung wird nicht auf dem Bild genannt, die Reklame ist nicht mehr als solche zu erkennen.
Scharfe Kritik aus der Szene
In der Szene sind die kommerziellen Wandmalereien umstritten. Einerseits bieten sie den Künstlern lukrative Jobs, andererseits läuft die Kommerzialisierung von Streetart der idealistischen Grundidee dieser Kunstform entgegen. „Total deplatziert“ findet der künstlerische Leiter des Kölner Streetart-Festivals Cityleaks, Georg Barringhaus, die Produktwerbung an den Hausfassaden.
„Die Kunstbewegung ist ja ganz bewusst gegen die Kommerzialisierung des öffentlichen Raums angetreten und wollte auf Verwerfungen hinweisen und ihnen entgegenwirken.“ Nairobi und Co stünden für das Gegenteil.
Flotte Sprüche statt Transparenz
Die kritisierte Berliner Agentur nimmt die Debatte ganz gelassen zur Kenntnis. Die Arbeit für kommerzielle Auftraggeber sei auch ein Beitrag zur Finanzierung der unkommerziellen Kunst. Über Preise wird nicht gesprochen. Stattdessen gibt es einen flotten Spruch, um zu zeigen, dass man weiter zur „Szene“ gehört: „Schreib, dass wir das Geld von der Industrie nehmen und den Armen schenken.“ Wer die Armen sind, erfährt man nicht.
Für das Malen eines Murals werden für die Künstler bis zu 700 Euro Honorar pro Tag veranschlagt, hinzukommen die Kosten fürs Material, ein Gerüst oder einen Steiger. Je nach Aufwand kommen so bis zu 20.000 Euro für das Erstellen eines Wandgemäldes zusammen. Hinzu kommt die Miete der Fläche, die in der Regel für vier Wochen vergeben wird und an die Agentur und den Hauseigentümer bezahlt wird. Danach muss die Wand wieder übermalt werden.
Das alles dürfte sich auf einen hohen fünfstelligen Betrag summieren. Im Vergleich zu anderen Werbemedien, die deutlich weniger Aufmerksamkeit erzielen, dürfte das aber immer noch ein lohnendes Investment sein.
Die Befürworter dieser Art von Reklame können auf eine Jahrhunderte alte Tradition der Auftragskunst verweisen. Zu allen Zeiten hätten auch große Künstler Geld von Päpsten, Regierungen und privaten Unternehmen genommen, um ihr Leben und ihre Kunst zu finanzieren. „Das Argument ist schwer von der Hand zu weisen“, sagt Cityleaks-Leiter Barringhaus. „Letztendlich muss jeder selbst für sich entscheiden, wie weit er sich korrumpiert.“
„Die Stadt wird mit Werbung zugebombt“
Wichtiger sei für ihn die Frage, wie die Stadt mit ihrem öffentlichen Raum umgeht und inwieweit sie seine „visuelle Verschmutzung“ zulasse. „Die Stadt wird mit Werbung zugebombt.“ Beim letzten Cityleaks-Festival 2019 war der Umgang mit Reklame im öffentlichen Raum auch Gegenstand künstlerischer Auseinandersetzung. Der Kölner Streetart Künstler Andrey Ustinov kritisierte mit zwei Arbeiten, dass immer mehr „aggressive Außenwerbung“ dazu beitrage, dass die „Stadtlandschaft“ zu einer „überdimensionalen Werbefläche degradiert“ werde.
Kurioserweise hätten die Kulturverantwortlichen in der Verwaltung und der Kulturbeirat darüber diskutiert, die nicht-kommerziellen Murals, wie sie beim Cityleaks-Festival entstehen, zu reglementieren, so Barringhaus. Tatenlos toleriere man jedoch gleichzeitig, dass die kommerzielle Werbung – egal, ob durch die Werbesatzung der Stadt erlaubt, oder in bislang ungeregelten Bereichen wie privaten Hausfassaden platziert – immer weiter zunehme. Darum kümmere sich keiner. Zum Nutzen der Stadt sei das nicht.