Köln – Gute Krimis, egal ob geschrieben oder gefilmt, erzählen von der spannenden Aufklärung eines verzwickten Verbrechens, von den Irrwegen, auf den die Ermittler sich bewegen bis sie auf eine heiße Spur stoßen, von den Finten der Täter, von den Tricks der Verfolger. Was aus Gründen der Spannung meistens ausgeblendet wird, ist die akribische Recherche, die detektivische Routine, das Suchen nach kleinen Puzzleteilen, um ein Gesamtbild zu schaffen, das die Lösung enthält. Beim Stichwort Bild kommen Iris und die Detektivinnen ins Spiel. Denn sie klären keine Verbrechen auf, sondern sind auf der Jagd nach den Geheimnissen der Kunst, sind auf der Suche nach den Tricks der großen Malerinnen und Maler, nach der Geschichte hinter Bildern, die (fast) jeder kennt.
Iris, das ist Iris Schaefer, Chefrestauratorin am Wallraf-Richartz-Museum (WRM), die Detektivinnen sind ihr Team aus männlichen und vor allem weiblichen Wissenschaftlerinnen, Kunsthistorikerinnen, Restauratorinnen, die nicht nur am Erhalt historischer Gemälde arbeiten, sondern auch die Geschichten derselben ergründen. Denn der perfekte Schein glanzvoller Bilderausstellungen in den Museen der Welt, er trügt. Davon erzählt eine spannende Ausstellung, die diese Woche im WRM eröffnet wird.
„Ich habe früher gedacht, die Malerinnen und Maler sind Hochbegabte am Rande der Perfektion, Göttern und Göttinnen gleich“, sagt „Kommissarin“ Iris Schaefer in der , „aber was wir hier sehen, zeigt auch, dass das Scheitern sehr nahe liegt.“ Die Künstler, meist Männer, hätten immer wieder neu angefangen, ihre Pläne geändert, Dinge übermalt. All das, was man normalerweise im Museum nicht sieht. „Man steht vor vollendeten, fertigen Bildern und bestaunt die kunstfertigen Oberflächen“, sagt die Frau, die seit Anfang der 1990er Jahre am WRM arbeitet. „Den Kampf dahinter sieht man nicht.“
Schwarzweiß-Reproduktion des „Mädchen mit der Nelke“
Was also haben Künstler gemacht, wenn sie nicht zufrieden waren, wenn sie zweifelten? Wilhelm Leibl etwa hat mehrere seiner Bilder in Fragmente zerschnitten. Zwei davon werden im WRM vor einer Schwarzweiß-Reproduktion des „Mädchen mit der Nelke“ präsentiert. Es ist die einzige erhaltene Abbildung des Gemäldes, denn kurz nach der ersten Ausstellung in Paris 18.. hat Leibl es in vier Einzelteile zerschnitten. Dass er sie nicht weggeworfen oder verbrannt habe, was viele Künstler wie Claude Monet gemacht hätten, sei ein großes Glück, sagt Schaefer. „Es zeigt, dass er seine eigene Malerei sehr wohl wertschätzte. Er verschenkte die Stücke an Freunde, signierte sie neu. Das Bild insgesamt schien ihm nicht stimmig, aber die Qualität der feinmalerischen Fragmente erkannte er durchaus.“ Fasziniert zählt die Restauratorin akribisch gemalte Details auf wie feine Stofffalten der blauen Schürze, Stoffhaken oder eine Brosche auf.
Claude Monet dagegen habe in Serien gemalt, aber auch seriell Bilder vernichtet. Es gibt einen Brief, in dem er seinem Kunsthändler mitteilt, dass er gerade 26 Bilder vernichtet habe, „zu meiner vollsten Zufriedenheit.“
Dass Künstler zweifelten, konnte aber auch abhängig von der äußeren Kritik sein. Als Max Liebermann sein Bild „Trocknende Wäsche“ 1884 im Pariser Salon ausstellte, hagelte es schlechte Kritiken von Seiten der Franzosen. „Kurz darauf hat er eine im Vordergrund angeschnittene Wäscherin übermalt, das Bild unten abgeschnitten“, erläutert Iris Schafer. „Das wissen wir aus dem erhaltenen Salonkatalog.“
Durchleuchten mit Infrarot und Röntgen
Auch auf eine Frau im Hintergrund habe er verzichtet, dafür neue Laken ausgelegt, wie man im Röntgenbild, das in der Ausstellung neben dem Original hängt, sehen könne. „Liebermann hat der Landschaft mehr Raum gegeben, was dem Bild sehr gut getan hat. Es ist eines seiner Hauptwerke geworden.“ So macht das Durchleuchten der Bilder ihre Geschichte erst sichtbar.
Bei der Detektivarbeit hilft moderne Technik wie durchleuchtende Infrarot- und Röntgenstrahlen, aber auch das Stereomikroskop, mit dem man dreidimensional sehen kann. Auch bei geringem Farbauftrag lässt sich so erkennen, ob etwas übermalt wurde. Strukturen, die man mit bloßem Auge nicht erkennen würde. „Wenn man dann entdeckt, dass unter dem Grün plötzlich ein Hautton ist, checkt man das im Infrarot gegen, um Sachen sichtbar zu machen“, sagt Schaefer. „Es gibt heute fast keine Schicht mehr, die wir nicht erreichen können.“ Keine Geheimnisse mehr für Frau Schäfer. „Auch dank naturwissenschaftlicher Analysen können wir Dinge entdecken, die uns früher entgangen wären“.
Konservieren, nicht interpretieren
So war die „Allegorie der Geometrie“ der Brüder Breschanino ursprünglich eine „Muttergottes mit Kind“. Warum die Künstler ihr Sujet änderten, weiß man nicht, aber die Bildträger, hier ein Pappelholz, waren kostbares Material und wurden nicht vernichtet. „Den wenigsten Malern war es gegeben, so viel Geld zu haben, dass sie darauf pfeifen konnten“, sagt die Detektivin, und freut sich über die Entdeckung.
„Eines meiner Lieblingsbilder, „Die Frau im Atelier“ von Edouard Bouillard, ist ganz matt gemalt. Das war total en Vogue im 19. Jhdt.“ Weil man die Wandmalerei wieder entdeckt hatte, das Fresko. Bouillard malte mit einer heißen Leimfarbe, um diese Wirkung zu erzielen. „Das war eine Wahnsinnsarbeit“, sagt Schaefer, „den jedes Pigment musste einzeln im Leimtopf in warmes Wasser gestellt werden, damit die flüssig blieb, sonst gelierten die Farben.“ Sein Neffe, der auch Maler war, hat immer von der Küche seines Onkels gesprochen, nicht vom Atelier. Nachvollziehen, wie der Künstler gearbeitet hat, ist eine essentielle Information für die Restauratorin. „Für uns ist die Erkenntnis wichtig, dass wir nie auf die Idee kommen, hier müsste noch ein Firniss drauf.“ Ein Bild konservieren – ja. Aber nicht interpretieren. Bei aller Liebe – Distanz wahren ist erste Detektivinnenpflicht.
„Entdeckt – Maltechniken von Martini bis Monet“ heißt die große Sonderausstellung, in der das Wallraf-Richartz-Museum/Fondation Corboud ab dem 8. Oktober noch viel mehr Technik und Tricks der Meister vom Spätmittelalter bis zum Impressionismus verrät. Hier präsentiert das Museum die spektakulären Funde seiner „Abteilung für Restaurierung und Kunsttechnologie“ und wirft einen einmaligen Blick hinter die Kulissen von Kunst und Forschung.