Impfungen und KlinikenKölner Corona-Studie könnte bundesweit für Aufsehen sorgen
Köln – Die Pandemie war und ist ja nicht arm an Zahlen und Daten unterschiedlicher Qualität, mit denen die Corona-Politik rechtfertigt wurde. Nicht alle aber waren aussagekräftig genug, um die Pandemie verstehen zu helfen. Die Ergebnisse ihrer eigenen Studie aber, die die Stadt am Mittwoch dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ exklusiv vorgestellt hat, könnte – so glauben die Macher – genau diesen Unterschied machen. Zu verstehen, welche Dynamik das Infektionsgeschehen in der vierten Welle hat, in der etwa zwei Drittel der Menschen geimpft sind. Die Resultate jedenfalls könnten auch bundesweit für Aufsehen sorgen, da es vergleichbare Studien bisher kaum gab.
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Ein wesentliches Ergebnis ist, dass eine Impfung gegen das Coronavirus womöglich in noch höherem Maße als bisher angenommen vor einem schweren Krankheitsverlauf schützt – und zwar auch und besonders bei Jüngeren. Von insgesamt 467 Patienten, die mit oder wegen einer Infektion in Krankenhäusern des Regierungsbezirks Köln behandelt wurden, waren im Untersuchungszeitraum 280 – etwa 60 Prozent – überhaupt nicht geimpft, also etwa doppelt so viele wie in der Gesamtbevölkerung, nur 111 hatten vollständigen Impfschutz (Rest: Einfache Impfung oder keine Angabe).
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Auf den Intensivstationen lag der Anteil der Nicht-Geimpften sogar bei 65 Prozent. „Bei den Unter-60-Jährigen dominieren unter den Patienten die gar nicht oder nicht vollständig Geimpften. Fast alle Jüngeren, die mit einem schweren Verlauf ins Krankenhaus kommen, haben keinen vollständigen Impfschutz“, sagt Rettungsdienst-Leiter Prof. Alex Lechleuthner, der als Mitglied des städtischen Krisenstabs die Studie mit Unterstützung der Bezirksregierung erstellt hat.
Kein Geimpfter unter 60 musste auf Intensivstation wechseln
Der Aufwand für die Erhebung war hoch. 52 Kliniken im Regierungsbezirk, darunter sämtliche 19 Häuser in Köln, die Uniklinik Bonn und das Klinikum Leverkusen haben anonymisiert Daten ihrer Patienten mitgeteilt – und zwar mitten in der vierten Welle Ende August/Anfang September. Von den 467 infizierten Patienten lagen 372 auf der Normal- und 93 auf der Intensivstation.
Die Kern-Erkenntnis betrifft die 46 Patienten, deren Zustand sich während des Klinikaufenthalts derart verschlechtert hat, dass sie von der Normal- auf die Intensivstation verlegt werden mussten: Keiner davon, der oder die jünger als 60 war, war vollständig geimpft. Der jüngste vollständig geimpfte Patient, der wegen Verschlechterung des Zustands verlegt wurde, war älter als 60 Jahre alt.
Viel klarer also können Zahlen nicht zeigen, dass die Impfung auch Jüngere vor der Intensivstation schützen kann. „Die Studie begreift die fehlende Impfung als eigenständigen Risikofaktor wie Bluthochdruck oder Adipositas“, sagt Lechleuthner, dem aber deshalb ein Umstand besondere Sorgen bereitet. „Die Impfung ist kein Schalter, den man umlegt und schon ist man für immer komplett immun. Sie ist – nach allem was man bisher weiß – eher eine Eieruhr“, sagt er. Die Schutzwirkung der Impfung nehme mit der Zeit ab. „Und das ist wahrscheinlich nicht nur bei den Älteren so.“ Lechleuthner plädiert daher entschieden für eine Auffrisch-Impfung. „Ich denke, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die auch für Jüngere empfohlen wird“, sagt er. Trotzdem: „Mit gesundheitlichen Risikofaktoren oder hohem Alter gewinnt trotzdem manchmal das Virus und nicht der Impfschutz.“
35 Prozent Impfdurchbrüche
Für Lechleuthner eine mindestens ebenso wichtige Erkenntnis: Die Rolle der sogenannten Antikörpertherapie. Künstlich hergestellte Antikörper können zu einem frühen Stadium verhindern, dass Viren in menschliche Zellen eindringen. „Wo wir noch etwas reißen können, sollten wir die Möglichkeiten der Antikörpertherapie verstärkt nutzen“, sagt Lechleuthner. Wer erst seit Kurzem Covid-Symptome habe, könne von der Art der Therapie enorm profitieren. „Da können Antikörper wesentlich dazu beitragen, ob der Patient auf der Intensivstation landet oder nicht.“
Dass eine Impfung zwar meist vor einem sehr schweren Verlauf, aber nicht immer vor einer Infektion selbst schützt, zeigen aktuelle Zahlen der Stadt. Bei knapp 35 Prozent der aktuell bestehenden Infektionen in Köln handele es sich um Impfdurchbrüche, teilte eine Sprecherin mit. Von den aktuell 61 infizierten im Krankenhaus behandelten Kölnerinnen und Kölner seien 22 vollständig geimpft. Das Gleiche gilt für drei von 18 Covid-Fällen auf der Intensivstation. Der Anteil der Nicht vollständig geimpften Covid-Patienten auf Kölner Intensivstationen liegt damit derzeit bei 83,3 Prozent.