Die Apothekerin schweigt zu den Vorwürfen, dafür äußert sich ihr Anwalt. Alles zum Prozessauftakt im Landgericht Köln.
Anklage spricht von VertuschungMutter und Kind tot – Kölner Apothekerin lässt Anwalt sprechen
Der Routinetest auf Schwangerschaftsdiabetes war vergiftet und brachte einer werdenden Mutter und ihrem Baby den Tod. Vier Jahre musste der Lebensgefährte der Frau und Vater des Kindes warten – nun will er endlich Gewissheit, um in Frieden mit der Tragödie abschließen zu können, sagt sein Anwalt. Im Gerichtssaal verfolgte der Mann am Donnerstag den Prozessauftakt im Landgericht. Angeklagt ist eine Kölner Apothekerin, die für die tödliche Verwechslung verantwortlich sein soll.
Köln: Apothekerin soll Gefäße verwechselt haben
Ausgangspunkt des fatalen Geschehens war die Heilig-Geist-Apotheke am gleichnamigen Krankenhaus in Longerich. Eigentlich gebe diese fertige Trinklösungen an Kunden heraus, doch beim Hersteller herrschte laut Staatsanwaltschaft ein Lieferengpass. Daher habe die Apothekerin, die eher im Verkauf tätig gewesen sein soll, die Glukose für den Diabetestest selbst abgefüllt – aus einem in der Apotheke befindlichen großen Behälter heraus in kleine portionierte Tütchen.
Dabei habe die mit der täglichen Abfüllung nicht vertraute Apothekerin laut Anklage versehentlich zu einem ähnlich aussehenden Behälter gegriffen, der nicht den Traubenzucker, sondern das Betäubungsmittel Lidocainhydrochlorid enthalten habe. Das Arzneimittel zur örtlichen Betäubung und die Glukose sollen zusammengemischt in den kleinen Tütchen für die Kunden gelandet sein. Eine 28-Jährige nahm das aufgelöste Pulver später in einer nahegelegenen gynäkologischen Praxis zu sich.
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Mutter und Kind sterben nach schwerer Vergiftung
Die in der 24. Woche Schwangere kollabierte in der Praxis. „Sie zuckte, hatte Schaum vor dem Mund und ihre Haut war blaugrau“, beschrieb der Staatsanwalt die Momente nach der Einnahme der toxischen Lösung. Die Frau wurde im Heilig-Geist-Krankenhaus reanimiert, Ärzte veranlassten sofort einen Not-Kaiserschnitt. Das Baby hatte bereits einen schweren Hirnschaden erlitten und einen Atemstillstand. Die Mutter starb kurz nach der Geburt, ihr Frühchen Linus nur einen Tag später.
Ein zweiter Vergiftungsfall ging hingegen glimpflich aus. Zwei Tage vor dem tödlichen Vorfall hatte eine weitere Kundin der Heilig-Geist-Apotheke ebenfalls in der Praxis zum Trinken der vergifteten Zuckerlösung angesetzt. Sie nahm einen kleinen Schluck, stoppte dann aber, da ihr der bittere Geschmack auffiel. Von einer früheren Behandlung wusste sie, dass die Lösung süß schmecken musste. Die Frau erlitt Krampfanfälle, verlor das Bewusstsein. Ihr und ihrem Kind geht es heute gut.
Apothekerin droht eine lebenslange Freiheitsstrafe
Bereits nach dem ersten Vorfall soll eine Mitarbeiterin der Klinik die Apotheke aufgesucht und der Apothekerin davon berichtet haben. Die Angeklagte habe daraufhin eine Geschmacksprobe an dem im Geschäft vorhandenen Gemisch vorgenommen. Das habe süß geschmeckt, daher habe es keine Veranlassung zum Handeln gegeben. Anders zwei Tage später. Bei einer erneuten Überprüfung soll die Apothekerin nun einen bitteren Geschmack wahrgenommen haben. Sie gab das Gefäß heraus.
Die Staatsanwaltschaft wirft der Apothekerin vor, nach Kontrolle der eigenen Bestände und nach einer Besprechung mit weiteren Beschäftigten die Möglichkeit erkannt zu haben, dass die Glukosemischung aus ihrer Apotheke mit dem Betäubungsmittel vergiftet gewesen sein könnte. „Obwohl sie von der konkreten Lebensgefahr wusste, nahm sie keinen Kontakt mit der Klinik auf, um eine Rettung zu ermöglichen“, so die Anklage.
Die Apothekerin habe geschwiegen, um ihren mutmaßlichen Fehler bei der Abfüllung zu vertuschen. Im Kollegenkreis soll sie etwa geäußert haben, um ihre Approbation zu fürchten. Das wertet die Staatsanwaltschaft als versuchten Mord durch Unterlassen. Einen vollendeten Mord klagte die Behörde nicht an, da eine Mitteilung der konkreten Vergiftung an die Klinik trotz dann schnellerer möglicher Gegenmaßnahmen nicht „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ zur Rettung der Verstorbenen und des Babys geführt hätte. Gleichwohl droht der Frau lebenslänglich Gefängnis. Die Apothekerin befindet sich auf freiem Fuß, kam nie in Untersuchungshaft.
Verteidiger streitet die Vorwürfe ab und nennt sie „abwegig“
Zu den Vorwürfen schwieg die Apothekerin in Saal 142 des Kölner Justizgebäudes. Ihr Verteidiger ergriff aber das Wort. Die Mandantin sei tief betroffen über den Tod von Mutter und Kind, doch sie sei dafür nicht verantwortlich. „Die Vorwürfe sind abwegig und werden entschieden zurückgewiesen“. Der Vorwurf des versuchten Mordes sei konstruiert, da eine Verdeckung der tödlichen Verwechslung ohnehin nicht möglich gewesen wäre. Zumal die Angeklagte das verunreinigte Gefäß sofort herausgegeben habe.
Der Rechtsanwalt beantragte außerdem ein Verwertungsverbot früherer Aussagen der Apothekerin bei der Polizei. Die Ermittler hätten die Mandantin als Zeugin vernommen, dabei wäre sie doch längst Beschuldigte gewesen, auch sei sie überrumpelt worden. Der Staatsanwalt wies das zurück. Ein langer Prozess – er startete wegen Überlastung des Gerichts erst jetzt – mit vielen geladenen Zeugen muss nun die genauen Hintergründe aufklären. Ein Urteil soll frühestens im September fallen.