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„Dialogforum Ost-West-Achse“Was für einen Stadtbahntunnel in Köln spricht – und was dagegen

Lesezeit 5 Minuten
Zu sehen sind viele Autos und eine Stadtbahn auf der Cäcilienstraße in Köln.

Viel los rund um den Kölner Neumarkt.

Nach bisheriger Prognose der Stadt würde die oberirdische Lösung 193 Millionen Euro kosten, der Tunnelbau 1,06 Milliarden Euro.

Beim „Dialogforum Ost-West-Achse“, das die Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Köln am Dienstag veranstaltet hat, sprachen sich die meisten Teilnehmer dafür aus, ein Stück der Stadtbahn-Strecke unterirdisch verlaufen lassen. Dies entsprach dem Titel der Veranstaltung, dessen erster Teil lautete: „Verkehrswende nur mit Tunnel."

Worum geht es?

Als Ost-West-Achse wird die Strecke der Stadtbahnlinie 1 zwischen Bensberg und Weiden-West bezeichnet. Um die Kapazität zu erhöhen, sollen hier künftig 90 Meter lange Stadtbahnen eingesetzt werden. Dafür müssen fast alle Bahnsteige verlängert werden.

Alles zum Thema Andrea Blome

Für den Bereich Innenstadt von der Universitätsstraße bis zum Heumarkt hat die Verwaltung gemäß Ratsbeschuss von Dezember 2018 gleichberechtigt eine oberirdische sowie eine Tunnel-Alternative geplant. Im Mai hat sie die entsprechende Beschlussvorlage in die politische Beratung gegeben.

Der Auftrag für die Verwaltung sei nicht gewesen, die Alternativen „abschließend zu bewerten, in Form einer Gewichtung“, sondern eine „transparente Entscheidungsgrundlage für die Ratsmitglieder“ zu schaffen, unterstrich Verkehrsdezernent Ascan Egerer. Ob die Entscheidung in der nächsten Ratssitzung am 1. Oktober fällt, ist sehr fraglich. Nachdem die SPD-Fraktion eine weitere Lösung vorgeschlagen hatte, brachten andere Fraktionen Änderungsideen ein. Das macht eine Einigung noch in diesem Jahr unwahrscheinlich.

Wie teuer sind die Varianten?

Nach bisheriger Prognose der Stadt würde die oberirdische Lösung 193 Millionen Euro kosten, der Tunnelbau 1,06 Milliarden Euro. Beide Projektalternativen sind förderfähig. Anfang der Woche hat die Stadt mitgeteilt, dass Land und Bund nur noch bis zu 90 statt 95 Prozent der förderfähigen Kosten übernehmen würden. Damit erhöht sich der Anteil der Kommune.

Wie positioniert sich die IHK?

Die Vollversammlung der IHK Köln befürwortet seit einem Beschluss aus dem Jahr 2018 die unterirdische Variante. Die „Stimme der Wirtschaft“ habe einmütig für die Tunnel-Lösung plädiert, sagte IHK-Präsidentin Nicole Grünewald. „Wir können nicht weiter zuschauen, dass uns andere Städte links und rechts überholen“, indem sie sich „sehr viele Stücke vom ÖPNV-Kuchen abschneiden“ – womit sie Fördermittel des Bundes meinte.

Die Verkehrswende lasse sich nur umsetzen, wenn „eine richtig gute Alternative“ zum Auto geboten werde. Grünewald zählte europäische Städte auf, wo in jüngerer Zeit Bahn-Tunnel gebaut wurden. Neben dem Gewinn für den Nahverkehr habe die Tunnel-Lösung den Vorteil von „120.000 Quadratmetern frei werdendem öffentlichem Raum“, der sich für eine „vernünftige Stadtgestaltung“ nutzen lasse. Grünewald warnte davor, die Entscheidung zum „Spielball der Kommunalwahl zu machen“.

Wie nahmen Baudezernent und Stadtdirektorin Stellung?

Baudezernent Markus Greitemann und Stadtdirektorin Andrea Blome befürworten die Tunnel-Variante, für die sich auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker ausgesprochen hat. Der Ausbau der Ost-West-Achse sei weit mehr als eine „verkehrliche Kapazitätserweiterung“, sagte Greitemann. Das „Leuchtturmprojekt“ biete die „Riesenchance“, entlang der Achse die Stadträume neu zu gestalten, das heißt barrierefrei „so aufzuwerten, dass der Mensch den Raum zurückerobern kann“. Dies sei am besten mit einem Tunnel möglich.

Andrea Blome sagte, sie spreche „nicht als Stadt Köln“, sondern als Privatperson. Als Leiterin des Amts für Verkehrsmanagement in Düsseldorf begleitete sie den Bau der Wehrhahn-Linie. Aufgrund dieser Erfahrung „will ich Ihnen die Zuversicht geben, dass man das schaffen kann.“ Auch in Köln, wo „zwei große Elefanten im Raum“ stünden: der Einsturz des Stadtarchivs im Zuge des Nord-Süd-Bahn-Baus und das Debakel der Opernsanierung. Zum Teil sei das Vertrauen verloren gegangen, dass die Stadt in der Lage sei, Großprojekte zu stemmen, doch „die Verwaltung kann das“. Den Bau der Wehrhahn-Linie, einer 3,4 Kilometer langen U-Bahn-Strecke, schilderte sie als rundum gelungen.

Wie äußerten sich die Vertreter von Ratsfraktionen?

Mit einem Tunnel werde die „Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit“ der Ost-West-Verbindung „langfristig gesichert“, sagte Teresa de Bellis-Olinger, verkehrspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion. Zugleich entstehe oberirdisch eine „ganz neue Lebens- und Aufenthaltsqualität“, etwa auf der Aachener Straße, dem Rudolfplatz und dem Neumarkt. Ohne Tunnel herrsche Chaos, denn unterschiedliche Verkehrsteilnehmer müssten sich den engen Raum teilen. Der unterirdische Ausbau mache im Sinne einer Anpassung an den Klimawandel oberirdisch mehr Grünflächen möglich.

„Sie haben schöne Pläne, aber was Sie machen, ist Stadtgestaltung, nicht Verkehrsentwicklung“, kritisierte Janja Mihaljevic, Mitarbeiterin von „Die Fraktion“ im Stadtrat. Die Bevölkerung brauche „dringend eine Verkehrswende“, eine „Ertüchtigung der gesamtstädtischen Mobilität“, vor allem des ÖPNV. Darauf sei alle Aufmerksamkeit zu richten. „Vielleicht schaffen wir es, die Ost-West-Achse irgendwann später so schön zu machen, wie Sie sich das vorstellen.“

Volker Görzel, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion, sprach von einer „wegweisenden Entscheidung“. Mit dem Bau eines Tunnels ließen sich drei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Erstens käme die unterirdische Variante dem Stadtraum zugute. „Wir versöhnen das Belgische Viertel mit dem Rudolfplatz und dem Rathenau-Viertel, wir schaffen ein neues Herz für Köln.“ Zweitens entstünden „schnellere Verkehrswege“ und „mehr Barrierefreiheit“. Drittens habe Köln die Gelegenheit, „aus vollen Kassen zu schöpfen“, um Infrastrukturmaßnahmen umzusetzen, „nach denen das ganze Land lechzt“.

„Wir halten den Tunnel nicht für den großen Wurf, um die Stadt voranzubringen“, so Lino Hammer, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen. Es gehe darum, so schnell möglich die Kapazität auf der Ost-West-Achse zu erweitern. Deshalb bevorzuge seine Fraktion die oberirdische Lösung. Statt allein in den teureren Tunnel zu investieren, solle man das „restliche Geld aus den vollen Töpfen“ für den „weiteren Netzausbau in der Stadt nutzen“.

Die SPD sei eine „große Anhängerin eine Tunnellösung“, sagte Fraktionsvorsitzender Christian Joisten. Damit allein lasse sich das Kapazitätsproblem aber nicht lösen. Die Fraktion tritt für eine Doppelstrategie ein. Danach soll die Linie 7 auf der Strecke der bisherigen Linie 9 oberirdisch fahren und zugleich ein Tunnel für andere gebaut werden, der schon in Deutz beginnt. Im jedem Fall brauche die Stadt „mehr Verkehr auf der Schiene“, so Joisten.

Im Kriterienkatalog zum Vergleich der Alternativen spreche mehr dafür, „oben zu bleiben“, sagte Angela Bankert, Sachkundige Einwohnerin der Linken im Verkehrsausschuss. Viele Vergleiche mit anderen Städten hinkten, weil Köln kein geschlossenes Metrosystem habe.

Überdies warnte sie davor, der städtische Eigenanteil könne sich trotz Förderung beträchtlich erhöhen. Die Linke schlägt vor, weder einen Tunnel zu bauen noch 90-Meter-Bahnen einzusetzen. Stattdessen solle der Takt der 60-Meter-Züge verdichtet werden; dafür sollten an den Haltestellen Heumarkt und Neumarkt Doppelbahnsteige geschaffen werden.