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Das Grün der GroßstadtWarum der Kölner Grüngürtel für die Stadt so wichtig ist

Lesezeit 8 Minuten
Grüngürtel FC Trainingsgelände

Das Grün der Stadt: Ein Teil des Kölner Grüngürtels von oben, im Vordergrund das Trainingslände des 1. FC Kölns.

  1. Pläne zur Umnutzung des Naherholungsgebiets Kölner Grüngürtel sorgen immer wieder für Streit.
  2. Eine Radtour zeigt: Natur in der Stadt ist auch immer Stadt in der Natur.
  3. Kommen Sie mit uns mit auf eine Reise über 42 Kilometer Stadt, Grün und Entspannung.

Köln – „Das Kölner Grünsystem ist ein Segen für diese Stadt.“ Joachim Bauer, studierter Landschaftsarchitekt, der über das Thema Grünvernetzung innerhalb der Stadtplanung promovierte, ist begeistert: „Was wir hier haben, ist einmalig“, sagt der stellvertretende Leiter des Grünflächenamtes. Denn es ist wissenschaftlich längst erwiesen: Naturaufenthalte in Form von Wandern, Fahrradfahren, Laufen, Reiten oder Gartenarbeit hellen schon nach wenigen Minuten körperlicher Aktivität die Stimmung deutlich auf und steigern das Selbstwertgefühl. Eine Tatsache, die der damalige Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer schon Anfang der 1920er Jahre zumindest erahnte, als er große naturähnliche Flächen in Köln gegen eine Bebauung absicherte und im Sinne einer modernen Naherholung auch für die einfachen Bürger der Stadt zugänglich machte. Und entsprechend umgestalten ließ.

Damals kamen zwei Komponenten zusammen, die man sich auch in der heutigen Politik viel öfter wünschen würde. Ein durchsetzungsfähiger Politiker, der sagt: „Ich will!“, und ein kompetenter Fachmann, der sagt: „So geht’s.“ Adenauer holte sich dafür den Besten seiner Zeit: Fritz Schumacher, festangestellter Stadtplaner in Hamburg, ließ sich für drei Jahre beurlauben und brachte das Kölner Grünsystem auf den Weg.

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Alles zum Thema Grüngürtel

„Was die in den 1920ern geschafft haben, ist unvorstellbar“, sagt Joachim Bauer. „Der Preußische Militärring um die Stadt war eine Brache, da stand kein Baum, es gab keine Seen, nichts. Aber er war eben, bis auf die Forts, unbebaut.“ Adenauer, selbst begeisterter Hobbygärtner und Rosenzüchter, war sich offensichtlich sehr bewusst, dass das, was ein jeder sich unter Naherholung und Freizeitgestaltung vorstellt, höchst unterschiedlich sein würde. Aktuell entzündet sich der Streit an einer rund 600 Meter langen und 80 Meter breiten Wiese an der Gleueler Straße. Hier will der 1. FC Köln seit Jahren neue Trainingsplätze bauen. Ein Projekt, das vor allem das anwohnende Bürgertum, aber auch Umweltschützer verhindern wollen. Aber auch andernorts muss diese Stadtnatur schon einiges aushalten, um den Ansprüchen des Städters zu genügen, wie eine Fahrradtour durch den historischen Äußeren Grüngürtels belegt.

Wohnmobile statt Natur

Schon der Einstieg am Rodenkirchener Rheinufer, direkt nördlich der Autobahnbrücke, wo der Militärring auf die Rheinuferstraße trifft, zeigt: Draußen in der Stadt kocht jeder sein eigenes Süppchen. Der kleine Platz am Treidelpfad, angelegt, um Boote zu Wasser zu lassen, und hoch frequentiert von Joggern und Bikern, Radtouristen und Spaziergängern ist komplett zugestellt mit Wohnmobilen, die hier teils tagelang den Platzhirsch geben.

Der Kölner Grüngürtel in der Stadt-Ansicht

Bereits auf dem ersten Kilometer wird der Charakter des Grüngürtels erkennbar. Der Sound ist eine Mischung aus dem monotonen Grundrauschen des Autoverkehrs, das auch zu Corona-Zeiten nicht verstummt, und dem Gezwitscher der Vögel. Hinzu kommt der Rhythmus des Plop-Plop geschlagener Tennisbälle, das Rascheln der Bäume, das Klappern von Wanderstöcken, Hundebellen, Rufe kickender Kinder, hin und wieder übertönt vom Kreischen eines bremsenden Güterzugs oder dem Grollen eines startenden Flugzeugs.

Vom Rhein bis zum Bonner Verteiler teilen sich das Grün, zwischen der sechsspurigen Autobahn und dem vierspurigen Militärring, eine Tennisanlage, ein Fort, ein Kleingartenverein, ein Sportplatz und ein Golfclub mit Mischwaldbeständen, Wiesen, Parkplätzen, Durchgangsstraßen und Wegen. Stadt und Natur in enger Umklammerung – ein Muster, das sich in wechselnden Flächenanteilen immer wieder erkennen lässt: Sportanlagen, Kleingärten, Wiesen, Wald, Wasserflächen, Parkplätze.

Grün und blau: Wasser und Pflanzen im Grüngürtel

Die Wege teilen sich Radfahrer, Fußgänger und Hunde. Gemessen an der Anzahl freilaufender Hunde ist schwer vorstellbar, dass irgendwelche „wilden“ Tiere außer Vögel und Insekten hier Überlebenschancen haben. Harte Zeiten für Kaninchen, Hasen oder Füchse – zu sehen sind jedenfalls keine. An einem Parkplatz haben irgendwelche Strategen ihren Grünschnitt in Plastiksäcken entsorgt. Das Überqueren etwa der Straßen „Zum Forstbotanischen Garten“ ist – besonders für Familien mit Kindern – lebensgefährlich. Es gibt keinen Überweg, die Autos sind in der langgezogenen Waldkurve schnell unterwegs. Wenigstens kann man dem Bonner Verteiler ausweichen, gleich hinter dem Marienburger Golfclub ist eine Unterführung unter der ältesten Autobahn Deutschlands.

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Man passiert das mehr als hundert Jahre alte Wasserwerk Hochkirchen. Dann weitet sich der Grüngürtel, Wald und Wiesen werden großflächiger, der schmale Weg zu einer fünf Meter breiten Asphaltpiste. Hier trennt sich tempomäßig die Spreu vom Weizen: Radrennfahrer und Mountainbiker geben Gas, während eine Dreijährige auf ihrem Laufrad übt.

Sonnenbaden, Insektensammeln, Krötenwanderweg

Die angrenzenden Wiesen, ob der anhaltenden Trockenheit eher farblos und braun statt sattgrün, sind meist ungemäht und wie der Wald durchzogen von unzähligen Pfaden. Papier im Gebüsch zeugt von anderen Hinterlassenschaften. Reitweg trifft auf Fahrradweg, trifft auf Krötenwanderweg. Ganz vereinzelt liegen Menschen in der Sonne, eine Mutter schickt ihre Kinder mit Lupen zum Insektensammeln, ein sonnenbehütetes weibliches Pärchen marschiert händchenhaltend durch die Prärie, eine Gruppe hat Matten zum Yoga ausgelegt und auf den Fußballplätzen trainieren Jugendliche. Das Grün ist möbliert mit Bänken, Mülleimern, Hinweisschildern und Parkplätzen. In den Schrebergärten blitzen Satellitenschüsseln und Solarzellen auf den Gartenhäuschen – Natur in der Stadt ist auch immer Stadt in der Natur.

Bei so viel Natur müssen auch Radfahrer manchmal aufpassen, wo sie hinradeln.

Auch wenn der Dom kaum sechs Kilometer vom rechtsrheinischen Grüngürtel entfernt steht, war die gute Anbindung der Autos stets Teil der städtischen Planungen. Ein Punkt, den man aus heutiger Sicht überdenken könnte, Parkplätze müssen nicht überall bis tief in die Grünanlagen führen. Nicht nur hier bieten sich stellenweise Renaturierungen an. Etwa an der Unterführung zur Kaserne an der Brühler Straße. Die Ausfahrt ist geschlossen, die Prostituierten, die jahrelang hier mit ihren Campern standen, mussten wegen neuer Sperrbezirksregeln ins Gewerbegebiet Eifeltor umziehen.

Und eine Brücke für Fußgänger und Radfahrer gibt es auch – die autofreie Verbindung zur Stadt ist also gegeben. Die Fortanlagen zeigen sich unterschiedlich: Die am Decksteiner Weiher wird genutzt und soll jetzt für 8,5 Millionen Euro generalsaniert werden, die neben dem Eifeltor sieht zwar verwunschen aus, verfällt aber und bietet höchstens Obdachlosen eine Zuflucht.

Der Grüngürtel ist in stetiger Veränderung

Immer wieder muss man bei der Fahrt Richtung Aachener Straße direkt zum verkehrsreichen Militärring zurück, um weiterzukommen, etwa an den Bahnanlagen am Eifeltor oder der schlimmsten Kreuzung Kölns, an der Luxemburger Straße. Diese wird gerade ausgebaut (die Stadtbahn soll die Kreuzung in Zukunft unterqueren) und ist sichtbarer Beweis dafür, dass der Grüngürtel sich immer auch in einem Prozess der Veränderung befindet.

Fast schon mystisch ist es an manchen Passagen des Kölner Grüngürtels

Die größten Eingriffe der vergangenen Jahrzehnte gab es im Rechtsrheinischen im Zuge des Autobahnausbaus am Kreuz Ost am Rande der Merheimer Heide. Am Sportpark Müngersdorf hat es viele Baumaßnahmen gegeben, nicht zuletzt den Neubau des Stadions oder der Radrennbahn. An der Wiese zwischen Gleueler Straße und Waldkindergarten / Geißbockheim will der 1. FC Köln seine neuen Trainingsplätze bauen. Vor allem das anwohnende Bürgertum will das verhindern. Es ist hier in Lindenthal, wie so oft bei Eingriffen ins Stadtbild, egal, ob es um Flüchtlingsheime, Sozialwohnungen oder Sportplätze geht: Veränderungen ja, aber bitte nicht vor meiner Haustür. Alles eine Frage der Lobby – stünde das Geißbockheim in der Merheimer Heide, wären die Plätze wohl längst gebaut. Was nicht heißen soll, dass Umwelt- und Denkmalschützer keine guten Argumente gegen die Umnutzung der Wiese hätten.

Der Grüngürtel wächst allerdings andernorts immer noch: Es gab zum Teil großflächige Ausweitungen, etwa im Bereich Stüttgenhof, am Belvedere-Park nördlich der Eisenbahntrasse Köln-Aachen, in der Westhovener Aue.

Bei einer Tour durch den Grüngürtel gibt es auch für erfahrene Kölner immer noch etwas zu entdecken.

Rund um den Decksteiner Weiher liegt der wohl am meisten frequentierte Bereich des ÄGG, an Pfingsten boxte hier bei Traumwetter der Bär. Die wunderschönen Kastanien-Alleen entlang des einst als Ruderstrecke angelegten Kanals laden zum Flanieren, das Haus am See mit Gastronomie, Minigolfplatz und Tretbootverleih zu Kaffee, Kuchen und Familienfreizeit. Klassisches Wochenende bei Sonnenschein. Treffen der Generationen. Naherholung, die sich seit den 1950ern kaum verändert hat. Schwer vorstellbar, dass hier noch vor 100 Jahren nichts als Brache war.

Der Kölner Grüngürtel - 42 Kilometer Erholung

Der Äußere Grüngürtel wurde seit den 1920er Jahren auf der Fläche des ehemaligen Festungsgürtels angelegt. 13 Fortanlagen sind teilweise gut erhalten, es gibt 24 sehr unterschiedlich große Sportanlagen – vom Sportpark Müngersdorfer Stadion über den Fühlinger See bis zum Tennisplatz. Da es damals hier keine natürlichen Wälder gab, sollte ein großes zusammenhängendes Waldgebiet aus Eiche, Buche, Lärche und Kiefer als Hauptbaumarten und Ahorn, Esche, Birke, Linde, Erle, Mehlbeere und Akazie als Mischbaumarten geschaffen werden. Ausländische Holzarten wie Douglasien, Sitkafichten, amerikanische Eichen und Eschen wurden wegen ihres „schnellen Wachstums, ihrer Unempfindlichkeit gegen natürliche Feinde und wegen ihres farbenprächtigen Herbstlaubs“ verwendet.

In seiner neuen Ausgestaltung sollte der Grüngürtel ein grünes Band zwischen der Stadt Köln und dem Umland bilden. Es wurden Weiher angelegt, mit dem Aushub schuf man Hügel und nivellierte die Wiesen. Die Anzahl der Spielplätze im Äußeren Grüngürtel ist sehr gering, diese liegen in der Regel eher in wohnungsbezogener Nähe des Inneren Grüngürtels. In den vergangenen Jahren sind verschiedene Bewegungsparcours neu gebaut worden. Der Rat hat beschlossen, vier große Bewegungsparcours zu errichten sowie kleinere Anlagen. Hinzu kommt eine ausgewiesene Laufstrecke von zehn Kilometern. Die Gesamtfläche umfasst 2800 Hektar, davon sind 405 Hektar Wald. Der Gesamtumfang beträgt 42 Kilometer. Der ausgewiesene Rundweg ist 63 Kilometer lang. (stef)