Laut Staatsanwaltschaft soll der Mann einen Bekannten erwürgt haben – doch nun sah der Richter keinen dringenden Tatverdacht mehr.
Medizin-GutachtenWende bei Totschlag-Prozess – Kölner Rentner aus der U-Haft entlassen
Eine Wende in einem Totschlag-Prozess hat für die Freilassung eines 69-jährigen Kölner aus der Untersuchungshaft gesorgt. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Rentner vorgeworfen, im Streit einen Bekannten erwürgt zu haben – weil dieser die Wohnung des Angeklagten nicht habe verlassen wollen. Das ist nach der Erstattung des Gutachtens der Rechtsmedizin nun offenbar vom Tisch.
Köln: Angeklagter erleidet Schwächeanfall im Gericht
Nachdem der Rechtsmediziner die in einem vorläufigen Gutachten aufgestellte These des Erwürgens nicht mehr bestätigen konnte, hob der Richter kurze Zeit später den Haftbefehl auf. Der Angeklagte bekam diesen Vorgang zunächst nicht mit – während des Vortrags des Rechtsmediziners hatte der Mann im Saal einen Schwächeanfall erlitten, ein Rettungswagen brachte ihn in ein Krankenhaus.
„Wir hatten schon sehr früh Zweifel an der behaupteten Todesursache“, sagen die Verteidiger Dawit Stefanos und Maximilian Klefenz auf Nachfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die beiden Anwälte hatten auch beim Prozessauftakt die Beiziehung der Krankenakte des Verstorbenen gefordert. Dem Vernehmen nach soll das Opfer unter Blutarmut und weiteren schweren Krankheiten gelitten haben.
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Kölner Rentner wurde aus der Untersuchungshaft entlassen
Nach Einsicht in die Akten schließt mittlerweile offenbar auch die Kölner Gerichtsmedizin nicht mehr aus, dass die Vorerkrankungen und auch der anschließende Rettungseinsatz für die typischen Einblutungen am Hals gesorgt haben könnten, die für ein Erwürgen sprechen können. „Ein unabhängiger Rechtsmediziner hatte unsere Annahme bereits bestätigt“, so die Verteidiger.
Nach etwa sechs Monaten im Gefängnis kam der Angeklagte auf freien Fuß. Nach Verlassen der Klinik muss er nun zunächst bei Bekannten unterkommen, denn seine Wohnung in der Altstadt soll vom Vermieter bereits geräumt worden sein. „Der Haftbefehl hätte nie erlassen werden dürfen“, so die Anwälte. Es erscheint daher möglich, dass der Rentner für die Zeit in der U-Haft entschädigt wird.
Körperverletzung steht noch im Raum – Prozess geht weiter
Allerdings soll nach Spurenlage ein vom Angeklagten durchgeführter Griff an den Hals weiterhin im Raum stehen, daher erscheint eine Verurteilung wegen Körperverletzung weiterhin möglich. Zeugen sagten jedoch aus, dass der Verstorbene auch zu Selbstverletzungen geneigt haben soll. Der Angeklagte selbst hatte jedwede Gewalthandlungen gegenüber seinem Bekannten stets bestritten.
Auch das Motiv für einen mutmaßlichen Angriff erscheint fraglich. Die Anklage geht davon aus, dass der 69-Jährige seinen Bekannten nach einem Rettungseinsatz am selben Tag aus der Wohnung werfen wollte – eine Notärztin hatte den Beschuldigten aber als fürsorglich beschrieben. Weitere Zeugen sagten, das Opfer habe die Wohnung in der Vergangenheit immer freiwillig verlassen. Der Prozess wird Mitte November fortgesetzt.