Köln – Der Mammut-Prozess um den Reemtsma-Entführer Thomas Drach (62) befand sich eigentlich auf der Zielgeraden, doch nun kam es zum Eklat. Video-Gutachter George A. Rauscher will hinschmeißen, nachdem die Verteidigung kein gutes Haar an ihm gelassen hatte. „Die machen mich kaputt“, sagt der Sachverständige dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, er empfinde Hass. Vergangene Woche soll er einem Journalisten Geld für eine wohlgesonnene Berichterstattung geboten haben. Rauscher bestreitet den Vorwurf.
Köln: Begegnung vor der Gerichtscafeteria
Der aktuelle Vorfall soll sich am vergangenen Donnerstag in einer Prozesspause vor der Cafeteria des Kölner Landgerichts im ersten Stock abgespielt haben. Nach den Angaben des freien Journalisten, der für verschiedene Medien über den laufenden Drach-Prozess berichtet, soll Gutachter Rauscher diesen gezielt angesprochen und ihm einen 100-Euro-Schein in die Hand gedrückt haben – damit er ihn in seinen Artikeln nicht ganz so schlecht aussehen lasse, soll er sinngemäß gesagt haben.
Der Reporter habe sich dagegen verwehrt und geäußert, nicht käuflich zu sein. Rauscher soll dann geäußert haben, es sei eher als Trinkgeld gemeint gewesen sein, wie er dieses auch Kellnern und Schuhputzern gebe. „Ich bin kein Schuhputzer“, soll der Journalist laut „Kölnischer Rundschau“ daraufhin geäußert haben. Den Geldschein habe der Gutachter wieder eingesteckt. Der Journalist berichtete im Anschluss der Staatsanwältin im Drach-Verfahren von dem mutmaßlichen Vorfall.
Die Staatsanwältin schrieb daraufhin einen Vermerk und ließ diesen dem Gericht zukommen. Die Schwurgerichtskammer schrieb den Gutachter mit der Bitte um Stellungnahme an. Mit dem Ergebnis, dass Rauscher sich aufgrund psychischen Drucks durch die Verteidiger selbst für befangen erklärte. Heißt, er will raus aus dem Verfahren. Der Vorsitzende Richter Jörg Michael Bern will den Vorgang am kommenden Freitag in öffentlicher Hauptverhandlung aufarbeiten.
Drach-Gutachter bestreitet den Vorwurf
Im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ streitet Rauscher ab, dem Journalisten Geld angeboten zu haben. Dem Vernehmen nach soll er den Reporter mit dem Hinweis auf den despektierlichen Beschuss der Verteidigung in der Verhandlung lediglich gebeten haben, „keinen Scheiß zu schreiben“. Der Reporter sei daraufhin aufbrausend geworden und habe sinngemäß gesagt: „Ich bin freier Journalist und schreibe, was ich für richtig halte.“
Beim Prozess hatten die Verteidiger immer wieder gegen den Gutachter geschossen. „So einen Unsinn müssen wir uns nicht anhören“, hatte Drachs Anwalt Andreas Kerkhof etwa geäußert, als es um den Haaransatz auf einem Überwachungsvideo ging – obwohl der Täter eine Kappe aufhatte. Trotz eines Beschlusses und mehrfacher Hinweise darauf von Richter Bern konnte Rauscher sein Gutachten aufgrund ständiger Zwischenrufe nicht in einem Fluss erstatten.
Gutachter ist auch im Fall um Gil Ofarim tätig
Der Video-Gutachter, der auch im Fall um Sänger Gil Ofarim tätig ist, hatte Drach zuvor in zwei vorgeworfenen Raubfällen als „sehr wahrscheinlichen“ Täter benannt, wegen gleicher Merkmale am Kopf und dem auffälligen Gang aufgrund dessen X-Beinen. Fällt Rauscher aus, bricht eine ganze Indizienkette weg. Das Gericht müsste sich um einen neuen Gutachter bemühen, der viel Vorlauf bräuchte. Der teure Drach-Prozess würde sich demnach noch viel weiter in die Länge ziehen.
„Ich fahre zehn Stunden zum Prozess und dann werde ich zerlegt“, sagt der Gutachter aus Starnberg, der um seine Reputation fürchtet. „In Bayern sind solche Zustände undenkbar“, das Kölner Gericht habe ihn nicht geschützt. „Wir kämpfen natürlich mit harten Bandagen“, sagt Anwalt Kerkhof dazu, schließlich gehe es für den Mandanten um alles, Sicherungsverwahrung droht. Den Gutachter hält Kerkhof für „fachlich und charakterlich ungeeignet“.