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„Marsch für das Leben“Kölner CDU bewirbt Demo von Abtreibungsgegnern – Kritik von den Grünen

Lesezeit 4 Minuten
CDU-Parteichef Karl Mandl (rechts) und sein Vorgänger Bernd Petelkau (rechts)

CDU-Parteichef Karl Mandl (rechts) unterstützt den Marsch für das Leben. Ob solche Aussagen von Vorgänger Bernd Petelkau (rechts) wohl denkbar gewesen wären?

In Köln findet am Samstag eine Demo von radikalen Abtreibungsgegnern statt. Die CDU wirbt dafür, bei den Grünen ist man „zutiefst irritiert“.

Unterstützt die Kölner CDU „Leute, die Frauen vor Beratungsstellen bedrängen und ihnen vorschreiben wollen, ungewollte Schwangerschaften auszutragen“? Das ist der Vorwurf von Sven Lehmann, Grünen-Bundestagsabgeordneter für die Kölner Südstadt und Staatssekretär im Bundesfamilienministerium.

Die beschriebene Gruppe würde sich beim „Marsch für das Leben“, der am Samstag in Köln stattfinden soll, „tummeln“, so Lehmann dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ gegenüber.

Die Kontroverse: Auf der Webseite der Kölner CDU findet sich ein Hinweis auf die Veranstaltung, die seit 2002 Stimmung gegen das Recht auf Abtreibung macht. In diesem Jahr findet der „Marsch für das Leben“ erstmals in Köln statt. Der Kölner CDU-Chef Karl Mandl verteidigt den Hinweis auf Anfrage. Er nannte den „Marsch für das Leben“ eine „Demo mit einem berechtigten Anliegen“. Er könne sich selbst auch vorstellen, mitzugehen. Er sei für den Erhalt des Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch, der Abtreibungen in Deutschland weiterhin formal strafbar macht. Eingereicht wurde der Hinweis von der CDU-Gruppierung „Christdemokraten für das Leben“ (CDL). Die CDL gehört dem Bundesverband Lebensrecht (BVL) an, der die Veranstaltung organisiert. Mandl betonte, die CDL sei seit Jahren Teil des Kölner Parteivorstandes: „Lebensrechtler gehören wie viele andere auch zur CDU.“

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Kölner Grünen-Chefin: „Die CDU sollte ihre Haltung überdenken“

Die Kölner Grünen-Chefin Katja Trompeter sagte: „Die CDU sollte ihre Haltung gegenüber der Demonstration überdenken und sich nicht mit einer Position gleichmachen, die Schwangeren ihre körperliche Selbstbestimmung abspricht und zu einer Geburt nötigt.“ Teilnehmende würden Schwangerschaftsabbrüche mit Euthanasie vergleichen und insofern „nicht für das Leben, sondern für den Zwang zur Fortsetzung einer ungewollten Schwangerschaft“ demonstrieren.

Eine Demo mit einem berechtigten Anliegen
Karl Mandl über den „Marsch für das Leben“

Mandl sieht in dem Hinweis kein Problem und geht davon aus, dass auch die frühere Parteispitze um Ratsfraktionschef Bernd Petelkau den Hinweis gestattet hätte. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ist das Thema innerhalb der Kölner Partei allerdings sehr umstritten. Petelkau selbst äußerte sich auf Anfrage nicht. Im Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt sieht man das Thema grundsätzlich als Parteiangelegenheit. Und dennoch sprach etwa Volt-Ratsherr Manuel Froh von einem „immer größeres moralischen Dilemma“ in der Zusammenarbeit mit den Christdemokraten.

„Marsch für das Leben“ in Köln: Gegendemonstrationen angemeldet

Für Samstag sind bereits sechs Gegendemonstrationen bei der Polizei angemeldet worden. Die größte von ihnen wird von dem eigens gegründeten „Bündnis Pro Choice Köln“ organisiert. Dessen Motivation: „Wir sehen den Marsch als Angriff auf die körperliche Selbstbestimmung und als den Versuch, liberale Errungenschaften der letzten Jahre zurückzunehmen“. Auch die Grünen rufen zur Teilnahme an dieser Demonstration auf.

Die Demonstration stoße „in ein gesellschaftliches Klima, in welcher Intoleranz und Sexismus wieder auf dem Aufwind sind“, erklärt das Bündnis auf Anfrage weiter. Der „Marsch für das Leben“ sei ein „Zusammenkommen verschiedener Akteure des christlichen Fundamentalismus, Burschenschaften und der extremen Rechten“. Bei den Berliner Demonstrationen nahmen regelmäßig Politikerinnen und Politker der AfD teil oder verfassten Grußworte. Die „taz“ berichtete im vergangenen Jahr, dass ein Demonstrierender ein T-Shirt mit der Aufschrift „Stoppt den Babycaust“ trug.

Alexandra Linder, Vorsitzende des BVL, weist diese Vorwürfe zurück. Es gebe „auch in der Lebensrechtsbewegung vereinzelte Personen und Grüppchen, deren Position wir in keiner Wiese teilen und die mit uns nichts zu tun haben“. Einige von ihnen könnten sich auch unter den Teilnehmenden der Demonstration befinden. Beim „Marsch für das Leben“ gehe es darum „die Rechte jedes Menschen weltweit zu achten und zu schützen“. Weil „die ‚bioethische Politik‘ der jetzigen Bundesregierung in vielen Punkten nicht der Wahrung der Menschenwürde entspricht“, will man in diesem Jahr auch zum ersten Mal in Köln demonstrieren.

Sven Lehmann über die Haltung der CDU: „Zutiefst irritierend“

Mit Blick auf problematische Teile der Bewegung argumentiert Karl Mandl ähnlich. Die Formulierung „Babycaust“ nannte er auf Anfrage „widerlich“, er verurteile diese Wortwahl aufs Schärfste. Er halte die Veranstaltung insgesamt aber nicht für problematisch. Sven Lehmann sieht das anders: „Es ist zutiefst irritierend, dass die Kölner CDU diese Demo auf ihrer Homepage bewirbt. Ungewollte Schwangerschaften sind existenzielle Konfliktsituationen, in denen Frauen Unterstützung brauchen, keine Bevormundung.“

Am Samstag versammelt sich die Demonstration ab 13 Uhr auf dem Heumarkt, genauso wie der Gegenprotest vom „Bündnis Pro Choice Köln“. Nach Auftaktkundgebungen soll zuerst der „Marsch für das Leben“ am Nachmittag durch die Innenstadt zurück zum Heumarkt laufen, auf der gleichen Route dann die Gegendemo. Bis zu 2500 Teilnehmende werden jeweils auf beiden Seiten erwartet.