Joris Gratwohl spielte in der Lindenstraße die Problemfigur Alexander Behrend. Das Stück „In der Mitte“ hat er selber geschrieben.
Bar wird zur BühneLindenstraßen-Schauspieler spielt Theater in beliebter Südstadt-Kneipe

Joris Gratwohl hat ein Stück geschrieben, das in der Südstadt-Kneipe Backes aufgeführt wird.
Copyright: Susanne Hengesbach
Streng genommen müsste man die Ankündigung zu dieser Veranstaltung mit dem Aufruf verbinden: „Gehen Sie da nicht hin, bleiben Sie besser zu Haus!“ Weshalb? Weil die wenigen Plätze schon vergeben sind – vorerst. Wie es eben schnell passieren kann, wenn in einer Kultkneipe etwas Ungewöhnliches passiert. Obwohl: so ungewöhnlich auch wieder nicht, denn auch zu diesem besonderen Anlass sitzt – wie eigentlich jeden Abend im Backes – jemand an der Bar.
Nur dass dessen Tun und Reden von den übrigen Anwesenden in der Südstadt-Kneipe sehr genau verfolgt werden wird; denn sie, die übrigen Gäste, werden zum Tresen schauen – wie sonst Theaterbesucher auf eine Bühne. Die Bar ist nämlich die Bühne im Stück „In der Mitte“ das am Sonntag, 27. April um 19.30 Uhr Premiere feiert. Für den zweiten Termin, (4. Mai, 19.30 Uhr) gibt es noch Karten, allerdings muss man schnell sein, denn 35 Kneipenplätze sind fix weg.
Schauspieler der Lindenstraße und in Netflix-Serien
Mit einem simplen „Wie geht es Dir?“ seitens des Barkeepers entwickelt sich im Laufe von rund zwei Stunden ein Dialog, der sich immer weiter in Richtung Abgrund bewegen wird. Abgründe, könnte man sagen, sind für den Hauptprotagonisten des Stücks, den Schauspieler Joris Gratwohl, ein vertrautes Terrain: schon in seiner Rolle in der ARD-Serie „Lindenstraße“, mit der der Schweizer in Deutschland bekannt wurde, taten sich dem heute 51-Jährigen Abgründe auf; als er vom Sonnyboy Alex mehr und mehr zur Problemfigur Alexander Behrend mutiert; und natürlich erst recht in seinen jüngeren Rollen – allen voran in der TV-Serie „Der Bestatter“ oder im Netflix-Hit „Liebes Kind“.
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Ähnlich, wie schon bei seinem Theaterstück „Die Glorreichen Zwei“, das vor 15 Jahren in Köln Premiere hatte, stammt „In der Mitte“ aus Gratwohls eigener Feder. Für den Kölner Regisseur Stefan Rogge war die Arbeit mit dem inzwischen zum Freund gewordenen Schweizer deshalb „eine besondere Herausforderung“, weil die Gesetzmäßigkeiten der Bühne, die üblicherweise bei einem Theaterstück eine Rolle spielen, mit der besonderen Räumlichkeit Kneipe kombiniert werden mussten.
Joris Gratwohl, der schon lange in unmittelbarer Nähe zur Einsturzstelle des Stadtarchivs lebt und sich selber Südstädter nennt, ist sehr glücklich über diesen sehr besonderen Raum, den Backes-Wirt Philipp Petry ihm als Aktionsfläche zur Verfügung stellt. Das Gespräch am Tresen, das sich aus einer simplen Frage des Barkeepers (Lutz Winkel) entwickelt, erinnere ihn an Szenen in Hotelbars, sagt Gratwohl, „wo Menschen ihre ganzes Leben dalassen – auch, weil sie wissen, dass man sich nie mehr begegnen wird“.
Theater im Backes mit Joris Gratwohl: Weitere Termine geplant
Dieser Max auf dem Barhocker hadert mit inneren Stimmen, kämpft mit seinen Dämonen, leidet. Er spürt den zunehmenden Druck von außen und innen – Wechselduschen zwischen Einsamkeit einerseits und Überforderung andererseits. Das Schöne an so einer Figur, die sich völlig öffne, sei, sagt Gratwohl, „dass du dann siehst, dass es vielen Menschen ähnlich geht.“
Noch einmal zurück zum Anfang und der Tatsache, dass es für die Premiere wohl keine Karten mehr gibt und für die zweite Aufführung auch nur noch wenige. Hier soll natürlich kein Mund wässrig gemacht werden, ohne eine Perspektive zu bieten. Gerade haben Schauspieler Gratwohl und sein Regisseur Stefan Rogge nämlich beschlossen, dass es „im Sommer und Herbst weitere Termine“ geben wird. Es steht nur noch nicht fest, wann genau.
Karten (18 Euro) für die Abende im Backes, Darmstädter Straße 6, gibt es zum Beispiel über eventbrite.de – Suchbegriff „in der Mitte“.