Köln – Post-Covid – Das bedeutet, dass zumindest die Infektion mit dem Coronavirus überstanden ist, nicht aber Folgeerkrankungen, ausgelöst durch das tückische Virus. Diese können einen bereits gesundeten Menschen aus der Bahn werfen. So auch Klaudius N. (voller Name der Redaktion bekannt) aus Leverkusen.
Der 56-Jährige, verheiratet, Vater einer Tochter, nicht vorerkrankt, kein Übergewicht, sportlich, wird am 1. August seinen ersten normalen Acht-Stunden-Arbeitstag als Speditionskaufmann erleben, seit bei ihm am 26. Oktober 2020 eine Corona-Infektion diagnostiziert wurde. Dass die Rückkehr ins Arbeitsleben überhaupt möglich ist, hat er den Ärzten und vor allem dem Neurologischen Therapie-Zentrum (NTC) des Kölner St.-Marien-Hospitals zu verdanken.
Am 26. Oktober vergangenen Jahres machte der Hausarzt bei Klaudius N. einen Corona-Test – zur Sicherheit. Vermutet wurde lediglich eine „Männergrippe“. Weit gefehlt. Diagnose: Corona-Infektion. „Die ersten Tage hatte ich etwas Fieber und Gliederschmerzen.“ Mehr auch nicht. Nach zwei Wochen Quarantäne ging es Klaudius N. wieder gut. Das Test-Ergebnis war negativ.
Corona löst Nervenentzündung aus
Doch die Rückkehr in ein Leben wie vor der Infektion blieb für viele Monate illusorisch. Das Virus löste Erkrankungen aus, die den bis dato gesunden Mann zweimal stationär ins Klinikum Leverkusen brachten und 13 Wochen ins NTC. „Ein paar Tage nach der überstandenen Infektion ging es los. Meine Beine fühlten sich komisch an – ohne Gefühl. Von den Sohlen an aufwärts wanderten die Symptome schnell nach oben, und alles ging einher mit einem plötzlichen Kraftverlust.“
Die Einrichtung
Das Therapie-Zentrum und die Klinik für Neurologische und Fachübergreifende Frührehabilitation des St.-Marien-Hospitals behandeln mit einem Team aus Neurologen, Internisten, Psychiatern, Fachärzten und Experten aus diversen anderen Bereichen Post-Covid-Patienten und deren Folgeerkrankungen. Die Patienten kommen aus Köln und dem Umland. Für die Behandlung benötigen schwer erkrankte Patienten keinen speziellen Rehabilitationsantrag.
Zu den Krankheitsbildern dieser Patienten gehören laut Chefärztin Dr. Pantea Pape „meist ein Befall der Lunge, aber auch des Herzens sowie des zentralen und peripheren Nervensystems. Aufgrund des geschwächten Immunsystems kann der Verlauf durch zusätzliche bakterielle Infektionen erschwert sein.“ Bei Patienten, die lange im Bett lagen, baue die Muskulatur schnell ab. Nicht selten seien die schluckrelevanten Muskeln betroffen, was schwere Schluckstörungen zur Folge haben könne. „Zeitweise verschlucken sich diese Patienten sogar am eigenen Speichel, was zu einer erneuten Lungenentzündung führen kann.“
In seinem Zuhause auf die zweite Etage zu kommen war auf einmal ein Kraftakt. „Normalerweise bin ich die Treppe hoch gehüpft. Jetzt zog ich mich mühsam am Geländer hoch“, erinnert sich Klaudius N. Sein Hausarzt überwies ihn umgehend ins Klinikum Leverkusen zum Neurologen. Diagnose Nervenentzündung, ausgelöst durch das Coronavirus. Zwei Wochen lag er stationär im Klinikum mit täglichen Infusionen.
Vom Krankenbett aus ging es direkt ins NTC, wo sich relativ schnell Verbesserungen einstellten, so Dr. Pantea Pape, Chefärztin und Leiterin der Einrichtung im St.-Marien-Hospital, die in der fachübergreifenden Betreuung der Post-Covid-Patienten und anderer rehabilitationsbedürftiger Kranker in dieser Ausrichtung einzigartig ist in Köln und Umland. Doch der Leverkusener konnte seine ersten Erfolge im NTC nicht lange genießen. Ein Rückschlag mit deutlich massiveren Folgen als beim ersten Mal brachte ihn wieder ins Klinikum. Nicht nur die Beine, auch die Hände von Klaudius N. fühlten sich nun taub und leblos an, die Koordination der Bewegungen klappte nicht mehr. Der Verlust seiner Kräfte war enorm. Ohne Hilfe konnte er sich nicht mehr von der Bettkante erheben. Hinzu kam eine angeschlagene Psyche.
Empathie, Können und Herzlichkeit
„Ich hatte große Angst, dass ich mein Leben nicht mehr so würde führen können wie gewohnt.“ Die Ärzte und Therapeuten im NTC bauten ihn wieder auf – Schritt für Schritt. Und, wie Klaudius N. sagt: „Mit viel Empathie, Können und Herzlichkeit.“ Das habe er so noch nicht erlebt. Seine Hände seien zu hundert Prozent wieder hergestellt, in den Füßen spüre er noch eine Resttaubheit. „Das behindert mich aber nicht beim Gehen und Laufen. Beides wäre vor Wochen nicht möglich gewesen.“
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„Post-Covid bedeutet, dass sich ein Topf voller Hemmnisse auftut“, so Dr. Pantea Pape. Ziel der Früh-Reha sei nach Möglichkeit die komplette Rückbildung der Funktionsstörungen. „Das erreicht man längst nicht bei allen. Bei schwerstbetroffenen Covid-Patienten schaffen es nur wenige, so zu werden wie sie vorher waren. Etwas bleibt wohl immer zurück, aber damit kann man leben und auch arbeiten gehen. Manchmal muss man nach längerer Rehabilitation lernen, mit den Rest-Defiziten anders umzugehen oder diese zu akzeptieren.“