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„Pisse gehört zum Business“So bereiten sich das Zülpicher Viertel und die Kölner Südstadt auf Karneval vor

Lesezeit 4 Minuten
Vor der Herz Jesu Kirche stehen Dixi Klos

Im Kwartier Latäng plant die Stadt den Einsatz von 670 Dixi-Klos

Anwohnende, Gastronomie und Handel hadern mit einbrechendem Geschäft und ausufernden Alkoholexzessen – bei anderen überwiegt die Vorfreude auf die Karnevalsparty.

Europaletten mit Bierdosen türmen sich vor dem Kiosk in der Roonstraße, die Jalousien sind geschlossen – noch. An Weiberfastnacht, pünktlich zum Straßenkarneval im Zülpicher Viertel, wird der kleine Getränkemarkt wieder öffnen. Mit „fünf Tagen Riesenumsatz“ rechnet der Besitzer während der tollen Tage. Dafür schleppt er Glasflaschen raus und räumt Plastikflaschen und Dosen wieder herein. Notwendig ist das wegen der Sicherheitsmaßnahmen der Stadt. Denn tagsüber herrscht auf der Partymeile im Kwartier Latäng von Donnerstag bis Rosenmontag ein Glasverbot.

Vor einem Kiosk lagern Dosen auf Europaletten

Wegen des Glasverbots setzen Kioskbesitzer auf Dosen und Plastikflaschen – die müssen bis Weiberfastnacht noch eingeräumt werden.

Darauf ist auch Durmus Arslan ein Eck weiter eingestellt. Statt Crêpes und Sandwiches stellt er im Kiosk Pico in den kommenden Tagen auf ausschließlichen Getränkeverkauf um. Bis oben hin ist sein Laden mit Dosen – vornehmlich Bier und Energydrinks – gefüllt. Die gesamte Ware für fünf Tage Karnevalsfeierei sei bereits verstaut. „Ab Donnerstag hat man hier keine Chance mehr, noch etwas anzuliefern“, so Arslan, der das Treiben auf der Zülpicher Straße seit zehn Jahren miterlebt. Zehntausende Jecken strömen dann in das Veedel. „Zülpi ist eben Zülpi“, sagt der Kioskbesitzer, der sich vom anstehenden Ansturm nicht aus der Ruhe zu bringen lassen scheint.

Durmus Arslan steht vor seinem Laden

Kioskbesitzer Durmus Arslan freut sich auf Karneval

Andere Geschäftsinhaberinnen und -inhaber zeigen sich da weniger euphorisch. Eine Buchhändlerin spricht von einem „Tsunami“, der an Karneval durch das Viertel fegt. Genauso wie ein benachbarter Friseur mache sie den Laden über die Tage dicht. „Wir müssen in dieser Zeit gezwungenermaßen Urlaub nehmen. Das nervt“, sagt eine Haarstylistin, die anonym bleiben möchte. Fast schon abgeklärt wirkt da ein Mitarbeiter aus der Papeterie Papelito: „Jalousie runter und gut ist“, kommentiert er die zeitweise Schließung des Geschäfts und sagt auch: „Kotze und Dreck haben wir hier sowieso jedes Wochenende.“ An Karneval werde zumindest schnell aufgeräumt. 

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Restaurants und Geschäfte schließen ihre Läden im Zülpicher Viertel von Donnerstag bis Montag

Kritik und Resignation gibt es trotzdem zuhauf. Die Gastronomie, Händlerinnen und Händler stören sich an Menschenmassen, Lärm, ausufernden Alkoholexzessen, Reste von Erbrochenem oder Kot im Hausflur und Wildpinklern.

„Die Kundschaft bleibt aus. Unsere Gäste würden nicht zu uns durchkommen“, sagt Marco vom Etrusca. Seit ein paar Jahren bleibt der Italiener über Karneval geschlossen. „Wir sind ein Restaurant, keine Kneipe oder Cocktailbar. Wenn, dann kämen die Leute auf der Suche nach einer Toilette bei uns rein.“ Das Geschäft lohne sich da nicht.

670 mobile Toiletten sollen im Kwartier Latäng zum Einsatz kommen

Überhaupt scheint die Toilettensituation eine der Hauptsorgen rund um die Zülpicher Straße zu sein. An der Herz Jesu Kirche reihen sich zwar bereits die Dixi-Klos aneinander. 670 mobile Toiletten plant die Stadt in diesem Jahr allein im Kwartier Latäng. Laut Kioskbesitzer Arslan ist das aber immer noch zu wenig. Frauen hätten zu weite Wege, Männer würden ihre Notdurft an der nächstgelegenen Hauswand erledigen. „Das Partyvolk“, so Arslan, „kann eigentlich nichts dafür“. Sein Kollege aus dem Kiosk in der Roonstraße sagt: „Pisse gehört zum Business.“

Drängel-Gitter schützen Kneipen vor chaotischem Zustrom

Das sei nicht immer so gewesen, sagt die Deutzerin Jeanette. Straßenkarneval kenne sie anders. Schockiert sei sie aus der Bahn am Zülpicher Platz ausgestiegen, wo Absperrgitter und Schutzwände bereits auf ihren Einsatz warten. „Das ist doch furchtbar“, sagt die 59-Jährige. „An Weiberfastnacht sieht man nur noch Alkoholleichen. Man ist heilfroh, wenn die Kinder sicher wieder nach Hause kommen.“ 

Doch auch da gehen die Meinungen auseinander. Katja Pöttker etwa, die im Epizentrum des Karnevals auf der Luxemburger Straße wohnt, ist auf die Menschenmassen eingestellt. „Ich wusste ja, was auf mich zukommt“, sagt sie. Dennoch: Die Lautstärke belaste einen schon. 

Portrait von Katja Pöttker auf der Roonstraße

Als sie ins Zülpicher Viertel zog, habe sie gewusst, was über Karneval auf sie zukommen werde, sagt Katja Pöttker.

Mit der rechnet man auch in der Südstadt. Mit Bierwägen und Dixi-Klos verwandelt sich derzeit der Chlodwigplatz in einen Feierhotspot. Und nicht alle verbarrikadieren sich dort. Im „In Piazza“ etwa, wo normalerweise neapolitanische Pizza und feine Antipasto serviert werden, wird es in den kommenden Tagen rustikaler zugehen. „Wir machen alles auf, alle Tische kommen raus und in der Mitte ist eine Insel mit Musik“, erzählt Inhaber Antonio Lo Coco. Die abgespeckte Speisekarte sehe vier Sorten Pizza, Currywurst, italienische Frikadellen, Kölsch und Aperol vor. „Wir wollen keinen Eintritt, jeder soll kommen und Spaß haben“, sagt der Ladenbesitzer.

25.02.2025, Köln: Vorbereitungen für Weiberfastnacht auf der Zülpicher Straße.

Foto: Michael Bause

Neben einem Glasverbot wird das Zülpicher Viertel aus Sicherheitsgründen über Karneval abgesperrt, der Zugang ist nur im Bereich der Unimensa und an der Roonstraße/Ecke Beethovenstraße möglich.

Auch in der Kultkeipe „Ubierschänke“ wird kein Eintritt genommen. Trotzdem werden drei Türsteher am Eingang aufpassen. Zusätzlich helfen Drängel-Gitter dabei, dass der Zustrom in den Laden etwas geregelt wird. Die Gitter hat der Laden mittlerweile selbst gekauft. „Jedes Mal leihen ist zu teuer“ berichtet eine Mitarbeiterin dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Auf Türsteher setzt auch Inhaber Daniel Lucas vom „Coellner“, einer Kneipe direkt gegenüber. Der Laden werde komplett „entkernt“, damit viel freie Fläche zum Schunkeln und Feiern entsteht. Ganz ohne Sicherheitsmaßnahmen geht es dann aber trotzdem nicht: Das Personal wird mit Notfall-Hämmern ausgestattet, falls die Scheiben aufgebrochen werden müssen. Zusätzlich sorgt die dreifache Anzahl an Feuerlöschern für mehr Sicherheit im Lokal.