War die Verlegung der Weinwoche erst der Anfang? Die Stadt kündigt weniger Veranstaltungen in der Innenstadt an und will neue Vorgaben machen.
„Mehr Luft zum Atmen“Stadt Köln kündigt neue Regeln für Veranstaltungen in der Innenstadt an
Die Kölner Stadtverwaltung will ein neues Leitbild für die Veranstaltungen auf den zentralen Kölner Innenstadtplätzen erstellen. Es geht um Fragen wie: Wird es weniger Weihnachtsmärkte geben? Und was heißt das für das Image der Stadt? Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) will der Stadt wieder mehr Platz „zum Atmen geben“.
Die Stadt rechnet mit Konflikten, verantwortlich für die Arbeit am neuen Konzept sind Daniel Kölle als Leiter der Stabstelle Events und Alexander Vogel, der übergangsweise in einem Team das Ordnungsamt führt und Presseamtschef ist. Kölle sagt: „Mit dem Leitbild werden nicht alle einverstanden sein, das liegt in der Natur der Sache, aber am Ende braucht es einen Kompromiss und ein gemeinsames Verständnis, wofür in Köln der öffentliche Raum genutzt werden soll.“
Zuletzt hat die Stadtverwaltung die Weinwoche vom Heu- auf den Neumarkt verschoben, unter anderem deshalb, damit das vierwöchige Fanfest zur Fußball-Europameisterschaft der Herren stattfinden kann. Doch kann es das wirklich? Zwei Monate vor dem Start am 14. Juni drohen Probleme. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
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Gibt es bislang ein Regelwerk?
Ja, das „Vergabekonzept für Veranstaltungen auf zentralen Plätzen der Kölner Innenstadt“. Es regelt die erlaubte Anzahl an Veranstaltungstagen und An- und Aufbautagen auf folgenden Plätzen: Roncalliplatz, Alter Markt, Heumarkt, Rheingarten, Neumarkt und Rudolfplatz. Der Stadtrat verabschiedet es, darin aufgeführt sind auch die konkreten Veranstaltungen wie der Christopher Street Day. Die aktuelle Version gilt von 2024 bis 2028, doch die jeweiligen Veranstalter müssen laut Stadt trotz des politischen Beschlusses noch Genehmigungen einholen. Beispielsweise sind für den Heumarkt 63 Veranstaltungstage vorgesehen, inklusive des Auf- und Abbaus sind es 107 Tage.
Was ist das Ziel des Konzeptes?
Darin heißt es: „Ziel dieses Nutzungskonzeptes ist es daher, entstehende Interessenkonflikte zwischen einer zunehmenden Zahl von Nutzungsanträgen für die begehrten zentralen Innenstadtplätze und den berechtigten Interessen der dortigen Anwohnerinnen und Anwohner sowie der Gewerbetreibenden in Bezug auf die Lebensqualität des öffentlichen Raums in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.“
Warum braucht es jetzt ein neues Konzept?
Kölle sagt: „Das Platznutzungskonzept ist ein Planungsinstrument, aber keine strategische Steuerung. Da es das in der Form nicht gibt, sind wir derzeit dabei, ein Veranstaltungs-Leitbild zu erarbeiten. Mit dem Leitbild werden wir die Frage beantworten, welche Veranstaltungen wir auf welchen Plätzen in welcher Qualität als Stadt Köln wollen.“ Anders als heute sollen die Veranstalter nicht mehr an die Stadt herantreten, sondern sie selbst legt fest, was sie beispielsweise auf dem Roncalliplatz haben will, dann können sich Interessenten bewerben. Als Vorbild gelten die Weihnachtsmärkte mit den vorher festgelegten Kriterien und den Konzessionsvergaben.
Ist das der einzige Grund?
Nein. Beispielsweise am Heumarkt wehrt sich ein Anwohner gegen die Lärmbelastung. Laut NRW-Freizeitlärmerlass sind nur 18 Tage als sogenannte „seltene Ereignisse“ erlaubt, an denen es lauter als üblich sein darf. 2016 hatte das Land die Zahl von 10 auf 18 erhöht. Das Problem für die Stadt: Sie überschreitet die Zahl seit Jahren, doch bisher galt: wo kein Kläger, da kein Richter. Vogel sagt: „Für eine Millionenmetropole im Herzen Europas, die eng bebaut ist, ist die geltende Gesetzeslage mittlerweile lebensfremd, so wird eine Stadt zum Freilichtmuseum.“
Köln: Auch auf Plätzen in den Veedeln soll sich viel ändern
Gibt es noch weitere Ereignisse außer etwa Konzerte oder Weihnachtsmärkte?
Ja, beispielsweise Demonstrationen, die für weitere Belastungen der Anwohnerinnen und Anwohner sorgen.
Gilt das Konzept nur für Innenstadt-Plätze?
Nein. Die Konzessionsvergaben gelten laut Kölle vor allem für die zentralen Plätze. Aber auch für die Plätze in den Veedeln soll sich einiges ändern, allerdings ohne Konzessionsvergaben. Kölle sagt: „Wir brauchen weitere Kriterien, die sich am neuen Leitbild orientieren, und für weitere Plätze in der Stadt, die bei der Bewertung von Veranstaltungswünschen gelten.“ Es soll Fragen beantworten wie: Soll dort mehr Kultur stattfinden? Wie ist es mit dem Verkauf von Alkohol?
Wie ist der weitere Weg?
Ein Bürgerrat soll bis nach der Sommerpause die Kriterien diskutieren, daraus will die Verwaltung ein neues Vergabe-Leitbild erarbeiten, über das der Stadtrat Ende dieses oder Anfang des nächsten Jahres entscheiden soll. Vogel sagt: „Theoretisch könnte man überlegen, auch mal einen Platz gar nicht zu bespielen, sondern ihn einfach als Platz wirken zu lassen. Aber das muss der Rat entscheiden.“
Was sagen die Veranstalter dazu?
Ernst-Ludwig Hartz organisiert seit 2018 die Konzerte am Roncalliplatz, unter anderem Joan Baez war dort zu Gast. Hartz findet den Ausgleich wichtig, es werde nicht leichter, solche Events zu organisieren. Einer Konzessionsvergabe würde er sich stellen, „allerdings sollten nicht die Dinge kaputt gemacht werden, die schon gut laufen“. Die Veranstalter des CSD und ihres Festes am Heumarkt und dem Alter Markt planen von Jahr zu Jahr, laut Pressesprecher Hugo Winkels ist der Heumarkt aber die favorisierte Fläche. „Und der CSD ist ja auch nur ein Wochenende“, sagt Winkels und dauere damit kürzer als beispielsweise der Weihnachtsmarkt. Dessen Betreiber, die Heinzel GmbH, sieht der Konzessionsvergabe gelassen entgegen, weil sie laut Sprecherin Anika Schön seit Jahren üblich ist. Demnach hat das Unternehmen gerade erst wieder die Ausschreibung für die nächsten fünf Jahre gewonnen.
Wird die Stadt tot beruhigt, wie manch einer fürchtet?
Joachim Groth, Vorsitzender der Bürgergemeinschaft Altstadt, begrüßt das neue Leitbild-Verfahren. Auf die Frage, ob die Stadt tot beruhigt werde, sagt er: „Wir wissen, dass wir nicht in einem Luftkurort leben, aber wir wollen die Sozialstruktur erhalten. Wir sind weit davon entfernt, etwas tot zu beruhigen.“
Was ist mit dem Fanfest auf dem Heumarkt?
Rund 7500 Gäste können vom 14. Juni bis 14. Juli am Heumarkt die EM-Spiele auf drei Leinwänden verfolgen, es ist die zentrale Anlaufstelle für Fans. Mit dem Ende des letzten Spiels um etwa 23 Uhr endet das Fest. Das Land NRW hat für das Turnier das Landeslärmschutzgesetz übergangsweise geändert, demnach dürfen an neun Nächten die Feste bis 1 Uhr stattfinden und an 13 Tagen bis 24 Uhr. Ein Lärmschutzkonzept muss allerdings dafür sorgen, dass die technische Beschallung nicht lauter als 80 Dezibel ist.
Ist das realistisch?
Die Stadt selbst genehmigt das Fanfest. Wehren sich dagegen Anwohner, weil die 18 Tage auf dem Heumarkt in diesem Jahr auch ohne die EM schon überschritten sind? Vogel sagt: „Hilfreich wäre es, wenn für die bevorstehende EM das Land den Freizeitlärmerlass ändert und die EM aus der Anrechenbarkeit herausnimmt. Wir hoffen, dass da noch was kommt, aber wir sind auf alles vorbereitet.“ Dann hätte die Stadt mehr Rechtssicherheit. Auf die Frage, ob er davon ausgehe, dass das Fanfest auf dem Heumarkt stattfinden kann, sagt er: „Aktuell gehen wir davon aus.“ Das Land teilte mit, dass das Limit von 18 Tagen für die EM nicht maßgeblich ist, das kommt das Stadt also entgegen.