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ProtestUngewisse Zukunft für den Bauwagenplatz in der Kölner Innenstadt

Lesezeit 5 Minuten

Der Eingang zum Wagenplatz ist mit einem Aufruf an die Stadt versehen, die Anlage für die Bewohner zu erhalten.

Innenstadt – Die Bewohner des Bauwagenplatzes „Wem gehört die Welt?“ an der Krefelder Straße haben eine Petition im Internet initiiert, um Unterstützung bei dem Versuch zu erhalten, auch künftig auf dem Gelände leben zu dürfen, das sie seit mehr als 20 Jahren nutzen. Denn die etwa 35 ständigen Bewohner im Alter zwischen vier und 60 Jahren befürchten, dass die Stadt als Eigentümerin das Gelände bald verkaufen will.

Ihre Petition mit den Unterschriften haben sie darum an Andreas Hupke (Grüne), Bezirksbürgermeister der Innenstadt, und an Oberbürgermeisterin Henriette Reker gerichtet.

Mehr als 12.000 Menschen haben den Aufruf bislang unterzeichnet, davon knapp 7000 aus Köln. Damit ist ein Quorum erreicht, und die Wagenplatzbewohner wollen den Rat drängen, erneut über das Thema zu diskutieren.

Alles zum Thema Henriette Reker

Hintergrund des sich anbahnenden Konflikts um das Grundstück ist eine Prognose der Stadt aus dem vergangenen Jahr, die Köln für die nächsten 15 Jahre ein deutlich höheres Bevölkerungswachstum voraussagt als Ende 2014 angenommen.

Mit dem „Stadtentwicklungskonzept Wohnen“ will die Verwaltung dem Bevölkerungszuwachs gerecht werden, ein angemessenes Wohnraumangebot soll bis 2019 entstehen.

In einer ersten Beschlussvorlage hatte der Stadtrat im März die Verwaltung mit einer Flächenrecherche beauftragt, um neue Räume für den Wohnungsbau zu erschließen. „Wenn wir nicht massiv in Grünflächen ausweichen wollen, müssen die dafür verfügbaren Flächen der Innenstadt genutzt werden“, sagt Detlef Fritz, Leiter des Amts für Liegenschaften, Vermessung und Kataster.

Es war durchgedrungen, dass auch das knapp 6000 Quadratmeter große städtische Gelände an der Kreuzung von Krefelder und Innerer Kanalstraße zu den Kandidaten für den Verkauf an einen Investor gehört – als Interessent im Gespräch ist die Sektion Köln des Sozialverbands Arbeiter-Samariter-Bund (ASB).

Der Bauwagenplatz an der Ecke Krefelder Straße (r.)/Innere Kanalstraße (o.) im Jahr 2013

Die Bewohner des Bauwagenplatzes „Wem gehört die Welt?“ wollen rechtzeitig auf sich aufmerksam machen, um zu verhindern, dass sie den Standplatz für ihre fahrbaren Unterkünfte verlieren. Sie sind besorgt, dass die Raumnot in Köln als Argument gegen ihre mehr als zwei Jahrzehnte gewachsene, alternative Wohnform ausgespielt werden könnte.

„In all den Jahren ist der Bauwagenplatz an dieser Stelle zur Institution geworden, die Angebote ermöglicht, die es in dieser Form sonst nicht geben würde. Jede Stadt brauche Freiräume, sie sind für die Entwicklung unserer Gesellschaft unabdingbar“, sagt ein Mitglied des Verhandlungskomitees der Wagenplatzbewohner, das seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Darüber hinaus sei das ehemalige Tankstellen-Grundstück das Zuhause der dort lebenden Menschen.

Detlef Fritz bestätigt das Interesse des Verkaufs der Verwaltung an den ASB und begründete das unter anderem mit dem starken ehrenamtlichen Engagement des größten Sozialträgers der Stadt: „Hunderte freiwillige Helfer stehen jedes Jahr zu Karneval oder beim CSD bereit – der ASB ist ein wichtiger Faktor in Köln.“

Wenn dieser seine Arbeit durch einen Umzug von Sülz in die Innenstadt optimieren könne, profitierten alle davon. „Neben der neuen Verwaltung und Standplätzen für zehn Krankentransporter sollen auch Wohnungen entstehen“, ergänzt Fritz.

Im Gespräch sei bislang Raum für bis zu 300 Menschen: „Das wiegt das Interesse der 15 derzeit offiziell gemeldeten Personen auf dem Wagenplatz mehr als auf.“ Den Bauwagenplatz betreffend sollen dem Kölner Stadtrat dem Amtsleiter zufolge „möglichst bis zur Dezember-Sitzung“ Beschlussvorlagen aus dem Stadtentwicklungs- sowie dem Liegenschaftsamt vorliegen.

„Die Petition ist eine der Möglichkeiten der modernen Demokratie“, bewertet Bezirksbürgermeister Andreas Hupke die Initiative der Wagenplatzbewohner. Er sieht es nicht als Provokation, dass die Unterschriftenliste auch an ihn adressiert wurde, im Gegenteil: „Als Bezirksbürgermeister empfinde ich es als meine Pflicht, die Sorgen der Menschen anzuhören.“

Allerdings sei ihm zu Ohren gekommen, dass nicht alle Ratsmitglieder den Vorschlag begrüßen, einen „Runden Tisch“ aus Mitgliedern aller an den Verhandlungen beteiligten Parteien einzurichten. Hupke: „Einige sehen das als bilaterale Sache zwischen ASB und Bewohnern des Platzes.“ Davor könne er nur warnen.

Wie die Verhandlungsbasis der Wagenplatzbewohner rechtlich zu bewerten ist, sollte ein Verkauf an den ASB konkret werden, darüber sind sie sich mit der Stadt ebenfalls uneins.

Die Vertreter von „Wem gehört die Welt?“ verweisen auf einen Anwaltsvergleich aus dem Jahr 2004, in dem sich die Stadt verpflichtet habe, im Fall einer Veräußerung der Fläche ein „angemessenes Grundstück zur langfristigen Nutzung als Alternative“ zur Verfügung zu stellen. „Ein entsprechendes Angebot wurde uns nicht unterbreitet“, sagt der Vertreter der Platzbewohner. Den Vergleich habe es gegeben, bestätigt Detlef Fritz. „Allerdings hat der seine Geschäftsgrundlage längst verloren“, sagt er.

Dem Amtsleiters zufolge hat er in Verbindung mit dem damals interessierten Investor gegolten, der sei aber abgesprungen. Man versichere den Menschen an der Krefelder Straße allerdings, nichts zu unternehmen, ohne sie vorab in Kenntnis zu setzen. „Es besteht kein Zeitdruck – wir wollen die Fläche nicht abstrakt leeren, sondern streben eine verbesserte Nutzung an.“

Das betont auch Peter Stegmaier, Vorsitzender des ASB Köln. „Ein Beschluss aus dem Liegenschaftsausschuss im März sieht vor, dass dem ASB das Grundstück angeboten werden soll. Er ist uns von der Stadt bisher aber nicht übermittelt worden, insofern kennen wir keine Details“, erläutert Stegmaier.

Er bestätigt allerdings das Vorhaben, auf dem Grundstück eine neue Geschäftsstelle für den ASB Köln errichten zu wollen – als Ersatz für die Geschäftsräume in der Sülzburgstraße und an zwei anderen Standorten. „Aktuell kennen wir keinen Kaufpreis und wissen nicht, welches Baurecht vorliegt und ob möglicherweise ein Bebauungsplan aufgestellt werden muss“, führt Stegmaier weiter aus. Er begrüße es, wenn „noch im Lauf dieses Jahres eine Entscheidung herbeigeführt werden könnte“.

Damit liegt er auf einer Linie mit Amtsleiter Fritz. Der kündigt an, dass die Verwaltung in den nächsten Monaten den Verkehrswert des Grundstücks neu ermitteln und als Grundlage für einen Verkaufspreis heranziehen will. Die Bewohner des Platzes bittet er bis dahin um Geduld: „Erst nach Abschluss der Gespräche können weitere Verhandlungen geführt werden.“ Das habe er auch einer Delegation von „Wem gehört die Welt?“ mitgeteilt, die ihn kürzlich aufgesucht hat.

Bezirksbürgermeister Hupke empfiehlt den Bewohnern indes, „wachsam“ zu sein. Dass ihnen der Teil der Welt, auf dem ihre Wagen stehen, auch künftig gehört, scheint wenig wahrscheinlich.