Köln – Sofiya Khabyuk ist sichtlich nervös, als sie in ihrer weißen Kutte die Stufen zum Ambo — einem Lesepult — des Kölner Doms hinaufsteigt. Die 14-Jährige ist eine der sechs Absolventinnen und Absolventinnen des ersten Kantoren-Kurses der Kölner Dommusik. Ausgewählte Mitglieder der Domchöre wurden von Domkapellmeister Eberhard Metternich in mehreren Wochen zu Solisten ausgebildet. Beim Abschluss-Vorsingen erhält Sofiya Khabyuk ein paar letzte Tipps vor ihrem ersten Auftritt in der Sonntagsmesse.
Kantoren zu Corona-Zeiten noch wichtiger in der Messe
„Noch ein bisschen weiter weg vom Mikrofon bei den hohen Tönen“, ruft Domkapellmeister Metternich den Sängerinnen und Sängern durch die FFP2-Maske zu. Oder: „Du hast dich einmal versungen - aber du bist super wieder reingekommen. Cool!“ Zwei junge Frauen und vier junge Männer hat der Leiter der Kölner Dommusik unterrichtet, um den Sprung vom Chor hin zum Solisten zu machen. Ein Kantor ist im Gottesdienst ein Vorsänger: Er oder sie leitet die Wechselgesänge mit der Gemeinde, singt den Halleluja-Ruf vor dem Evangelium und Fürbitten. Für die Teilnehmenden des Kantoren-Kurses hieß das neben Stimmbildung und dem Üben mit Mikrofon also auch, Messabläufe und Psalmensingen lernen. In der Pandemie sind die Kantorinnen und Kantoren noch wichtiger als sonst, da die musikalische Gestaltung ansonsten stark eingeschränkt ist - Chöre können gar nicht oder nur in stark dezimierter Besetzung auftreten.
Für die Nachwuchssängerinnen und -sänger ist das aber eine gute Gelegenheit, sich auszuprobieren. „Es ist ein großartiges Gefühl, dass ich hier singen darf - gerade als Frau“, sagt Sofiya Khabyuk. Ihre Generalprobe hat sie gut gemeistert, schon am vergangenen Sonntag stand sie das erste Mal als Kantorin vor der Gemeinde. „Ich mag es, in der Messe zu singen. Es war interessant für mich, etwas Neues auszuprobieren, und auch mal wieder eine echte Probe zu haben.“
Vor der gemeinsamen Live-Probe im leeren Kölner Dom erteilte Eberhard Metternich Einzelcoachings, Gruppensitzungen gab es nur über die Video-Konferenz. „Ich habe heute das erste und einzige Mal alle Teilnehmer zusammen gesehen“, sagt Metternich. Das Singen läuft unter großen Sicherheitsmaßnahmen, wer gerade nicht singt, trägt FFP2-Maske, nur je zwei Leute sitzen auf einer Kirchenbank. „Ich weiß, wie viel Potenzial in unseren Chören steckt. Ich hab zu ihnen gesagt: Jetzt könnt ihr auch alleine etwas bewirken.“
„Beeindruckender Moment, wenn man beim Singen in die Kathedrale schaut“
Direkt auf das Angebot gemeldet hat sich auch der 22-jährige Musikstudent Benedict Nagel. Er hatte bereits ein wenig Erfahrung als Kantor. Das Singen im Dom ist für ihn etwas ganz Besonderes: „Es ist ein beeindruckender Moment, wenn man beim Singen in die Kathedrale schaut. Das, was das Bauwerk rüberbringen soll, wird durch die Musik entfaltet. Für mich ist es einfach eine schöne Möglichkeit, die Zeit zu nutzen. Ich habe schon immer Spaß am Singen gehabt.“
Bis Ostern sollen die neuen Kantorinnen und Kantoren alle ihren ersten Einsatz im Kölner Dom gehabt haben. Domkapellmeister Eberhard Metternich zeigt sich am Ende der Probe zufrieden mit seinen Schützlingen. „Allein im Dom zu stehen und zu singen – das muss man sich schon trauen.“