Köln – Eine kleine Treppe führt hinab in die schmale Kellerkneipe Zwoeins in der Hochstadenstraße 21. Rote Lampen hängen überm Tresen, überwiegend junge Leute kommen hierher, um im schummrigen Licht Kölsch zu trinken. Am Dienstagabend ist es richtig voll in dem Laden. Die Gäste haben Biergläser in der Händen, sind ganz ruhig und schauen auf eine Leinwand, die in einem schnörkligen Goldrahmen hängt und auf der einer Power-Point-Präsentation zu sehen ist.
Vorn steht Linus Butt und spricht über Nieren, alle hören gebannt zu, selbst die beiden Leute hinterm Tresen. Bestellt wird während des halbstündigen Vortrags nichts. Es ist ruhig wie im Hörsaal. Linus Butt ist Mediziner im Forschungslabor der Klinik für Nierenerkrankungen an der Uniklinik in Köln, dem Nephrolab. Dort beschäftigt er sich mit Podozyten. Über deren Bedeutung für Körper und Gesundheit spricht der 31-Jährige in verständlicher Sprache vor dem Kneipenpublikum.
„Pint of Science Festival“ heißt es drei Tage lang. Weltweit sprechen Forscher über ihre Arbeit – am Dienstag zum ersten Mal in Köln.
„Die Wissenschaftler sollen ihren Elfenbeinturm verlassen und zu den Leuten gehen“, erklärt Organisator Peter Kohl vom Excellent Cluster CECAD der Uni Köln das populäre Konzept. Mit den Kneipenvorträgen solle das Verständnis für die Wissenschaft gestärkt werden. „Gerade in Zeiten, in denen zum Beispiel Kinder aus Skepsis nicht mehr geimpft werden“, sagt Kohl.
Die Reihe Pint of Science
Neueste Ergebnisse der Forschung sollen nicht allein Wissenschaftlern vorbehalten sein. „Pint of Science“, ein Halbliterkrug voll Wissen, bringt die Forschung in die Kneipe. Das Festival-Logo zeigt ein Gehirn im Bierglas. Beteiligt sind in diesem Jahr 21 Länder weltweit.
Im Einszwo kommen an diesem Abend Menschen zusammen, die sich tiefgreifend für Medizin interessieren. Linus Butt serviert ihnen zum Kölsch ein recht spezielles Thema, überschrieben mit der Aufforderung, „Wir müssen übers Altern reden“. Ihm folgt noch ein Vortrag der Zellbiologin Silvia von Karstedt zur Krebsforschung.
Dass auch junge Menschen früh ans Älterwerden denken sollten, wird während der Präsentation seiner Forschungsergebnisse über Podozyten schnell klar. „Ich bin mir nicht sicher, ob es von Anfang an so gedacht war, dass wir 90 Jahre alt werden“, sagt der Mediziner. Die Podozyten würden jedenfalls nicht altern, sondern allenfalls unwiederbringlich sterben. Dabei spielen sie als Zellen der Nierenkörperchen eine zentrale Rolle im Stoffwechsel und der Umwandlung von Blut zu Urin. Linus Butt erklärt in diesem Zusammenhang die dicken Füße beim nephrotischen Syndrom und dass „zwei- bis zweieinhalb Prozent der Todesfälle auf die Niere gehen“.
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Das Gesundheitsthema verdirbt den Abend nicht. Butt erklärt noch den Durst nach dem Kölsch und empfiehlt zur Schonung der Nierenzellen: „Nicht zu viel rauchen, nicht zu viel Stress!“ Von Alkohol ist nicht die Rede. Linus Butt, der mit der deutschen Hockey-Nationalmannschaft in Rio die Bronzemedaille gewann, bemüht sich um eine nicht-akademische und populäre Sprache. Die illuminierten 3D-Mikroskopbilder bezeichnet der Mediziner als „fancy Dinger“, die Filtration von Blut zu Urin nennt er „magic“. Eine Rentnerin, die mit Mann und zwei Freunden gekommen ist, hätte sich dennoch ein populäreres Thema gewünscht. „Das war sehr speziell“, sagt sie. Auf „Pint of Science“ aufmerksam gemacht hatte sie ihre Tochter, die in Bristol Textiltechnologie studiert und dort an der Vorbereitung der Kneipenseminare beteiligt ist. In der englischen Stadt gab es diesmal 21 Vorträge – alle ausverkauft. Forschungsergebnisse interessieren offensichtlich nicht nur an der Uni. In Köln wurde der Weg von der Wissenschaft in die Kneipen jetzt gelegt.
https://pintofscience.de/