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„Vertrauen schwer geschädigt“Kölner SPD-Fraktionschef Joisten soll abgewählt werden

Lesezeit 4 Minuten

Christian Joisten

Köln – Die SPD-Ratsfraktion steht nach zahlreichen Konflikten in den vergangenen Monaten mitten in der Corona-Pandemie vor einer Zerreißprobe. Fraktionschef Christian Joisten soll in der nächsten Sitzung der Fraktion am kommenden Mittwoch abgewählt werden. Seine drei Stellvertreter Andreas Pöttgen, Monika Schultes und Peter Kron haben einen entsprechenden Antrag gestellt.

Das Vertrauen der Fraktion in den Vorsitzenden sei „schwer und anhaltend geschädigt“, heißt es in dem Papier, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. „Dieser erhebliche Vertrauensverlust ergibt sich aus einer nicht endenden Summe von Fehlentscheidungen, politischen Einschätzungsfehlern und eigenmächtigem Vorgehen zum Nachteil der Fraktion“, lautet die Begründung für den Abwahlantrag. Joistens Handeln lasse keine Wertschätzung gegenüber der Fraktion und ihren Mitgliedern erkennen.

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Joisten selbst äußerte sich am Donnerstag äußerst zurückhaltend auf den Versuch seiner drei Stellvertreter, ihn abzuwählen. „Die Fraktion wird diesen Antrag intern beraten und anschließend eine Entscheidung treffen“, ließ er auf Anfrage mitteilen.

Mehrheit soll sich bereits gegen Joisten entschieden haben

Wie wahrscheinlich es ist, dass die Mehrheit der 27 Fraktionsmitglieder am Mittwoch für die Abwahl ihres Vorsitzenden stimmen wird, ist unklar. Dem Vernehmen nach soll aber bereits eine Unterschriftenliste existieren, auf der die Mehrheit sich für eine Abwahl ausgesprochen haben soll. Wie zu erfahren war, gibt sich Joisten intern wiederum kämpferisch und geht davon aus, siegreich aus einer geheimen Abstimmung hervorzugehen.

Unabhängig vom Ausgang wird das Vertrauensverhältnis zwischen dem Fraktionschef und seinen Stellvertretern auf jeden Fall zerrüttet sein. Das es soweit kommen konnte, hängt auch mit dem Rückzug des ehemaligen Parteichefs Jochen Ott und des ehemaligen Fraktionschefs Martin Börschel zusammen. Seit beide ihre Posten aufgegeben haben, ist die Aufteilung der Kölner SPD in zwei konkurrierende Lager deutlich öffentlicher geworden und auch weiter vorangeschritten als das zuvor der Fall war. So werden die vorhandenen Konflikte mit aller Härte ausgetragen und dringen regelmäßig nach außen.

Joisten soll eigenmächtig über Fraktionsmittel verfügt haben

Die drei Stellvertreter werfen Joisten vor, die Fraktion nicht wie versprochen zusammengeführt zu haben. Im Abwahlantrag finden sich konkrete Vorgänge, die als Beleg für den Vertrauensverlust seitens der Fraktion dienen sollen. So habe der Fraktionschef eigenmächtig über Fraktionsmittel in Höhe eines fünfstelligen Betrags verfügt ohne eine vorherige Einbindung oder Entscheidung der Fraktion. Das Geld sei für eine von Joisten persönlich in Anspruch genommene Beratungsleistung ausgegeben worden.

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Dem Vernehmen nach hatte der Fraktionschef eine Rechtsanwältin und einen Kommunikationsberater beauftragt, ihn beim Umgang mit den Ermittlungen gegen ein anderes Mitglied der SPD-Ratsfraktion zu unterstützen. Eine junge Frau, ebenfalls SPD-Mitglied, hatte den Mann wegen sexueller Übergriffe, Nötigung und Vergewaltigung angezeigt. Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren im Januar ohne Auflagen ein. Die Beratung des Fraktionschefs soll ein Viertel des Budgets für die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion gekostet haben. Dabei sei innerhalb der Fraktion und der SPD-Geschäftsstelle „ausreichend Expertise vorhanden“, lautet der Vorwurf in dem Abwahlantrag. Dort arbeiten etwa ehemalige Journalisten sowie drei Juristen – unter anderem Fraktionsgeschäftsführerin Barbara Lübbecke. Im Rathaus heißt es, dass Joisten die Mitarbeiter nicht mit der Krisenkommunikation habe überfordern wollen und sich deshalb dafür entschieden habe, externe Berater hinzuzuziehen.

Joisten zieht Klage zurück

Ein weiterer Vorwurf gegen Joisten bezieht sich auf seine Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen die Stadt (hier lesen Sie mehr), um seinen persönlichen Dienstausfall für seinen Arbeitgeber durchzusetzen. Ratsmitglieder erhalten für ihre ehrenamtliche Arbeit eine Aufwandsentschädigung sowie Sitzungsgeld. Auch in diesem Fall sei die Fraktion nicht eingebunden oder informiert worden, heißt es im Abwahlantrag. Die Klage diente der Fristwahrung in einem Verwaltungsvorgang, der keine Widerspruchsmöglichkeit vorsieht“, sagte Joisten damals. Seine Klage hat er inzwischen zurückgenommen.

Sollte Joisten abgewählt werden, soll bis zur Kommunalwahl kein Nachfolger gewählt werden. Die Aufgabe des Fraktionschefs sollen dem Vernehmen nach die drei Stellvertreter sowie die beiden Bürgermeister Elfi Scho-Antwerpes und Ralf Heinen gemeinsam übernehmen.