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Kölner SPDOtt und Börschel - Die ehemals Unantastbaren

Lesezeit 5 Minuten
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Auf dem Zenit : Ott und Börschel nach dem SPD-Sieg bei der Landtagswahl 2010

  1. Der eine musste unfreiwillig das Feld räumen, der andere geht aus freien Stücken
  2. Mit dem Rückzug von Jochen Ott und Martin Börschel stehen die Sozialdemokraten vor einem personellen Neuanfang

Köln – In Köln endet eine Ära. Nach dem jähen Ende der politischen Karriere von Ex-SPD-Fraktionschef Martin Börschel zieht sich nun auch Parteichef Jochen Ott aus der Lokalpolitik zurück. Er will nur noch Landespolitik machen. Börschel musste nach der Affäre um die Posten-Klüngelei bei den Kölner Stadtwerken unfreiwillig das Feld räumen. Ott geht, ohne das ihn jemand drängte.

Den Verdacht, sein Rückzug könnte etwas mit Börschels Fall zu tun haben, bestreitet Ott heftig. Dass ihn die Stimmung in der Kölner SPD nicht gerade ermutigt haben dürfte, noch einmal zu kandidieren, wird er jedoch nicht leugnen. Die Partei steckt bundesweit in der Krise, die Enttäuschung über den langjährigen Freund und politischen Partner Börschel sitzt auch bei Ott tief. Das Macht-Tandem, das viele Jahre die Kölner SPD und von 2004 bis 2015 auch die Geschicke der Stadt bestimmte, ist nach der Stadtwerke-Affäre zerbrochen.

Es klingt recht seltsam, wenn ein 44 Jahre alter Politiker seinen Abgang mit einem fälligen Generationswechsel begründet und dann eine 55-Jährige als Nachfolgerin vorschlägt. Doch das kann man auch anders sehen: Es ist immerhin schon 18 Jahre her, dass der damals 26-jährige Lehramtsanwärter Vorsitzender der Kölner SPD wurde. Zu dem Zeitpunkt war er bereits zehn Jahre Parteimitglied – politisch sozialisiert durch seine Familie, katholische Jugendarbeit, die deutsche Wiedervereinigung und den Golfkrieg-Protest. Damals begann der steile Aufstieg eines ehrgeizigen Mannes, dem alles zuzutrauen war.

Alles zum Thema Jochen Ott

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Die Anfänge einer erfolgreichen Karriere 2002: Ott als Parteichef und Börschel als Schatzmeister meisterten eine schwere Krise der Partei.

Vor ein paar Wochen war sich Ott noch unsicher, ob er seine Partei nicht doch noch in die nächste Kommunalwahl führen sollte. Als sich dann abzeichnete, dass die Landtagsabgeordnete Susanna dos Santos gegen ihn beim Parteitag antreten könnte, wurde ein länger vorbereitetes Personaltableau zur Strategie gegen eine innerparteiliche Zerreißprobe. Ott hätte die Konkurrentin wahrscheinlich in der Abstimmung am 16. März geschlagen, aber die Wunden wären in der durch den Bundestrend ohnehin schon arg geschundenen Partei groß gewesen. Ott hat der SPD weitere Schmerzen erspart.

Untrennbar und unantastbar

Die Forderung der Basis, dass die SPD weiblicher und jünger werden müsse, ist alt. Das Männerbündnis Ott und Börschel schien von dieser Forderung ausgenommen, galt es doch als untrennbar und unantastbar. Der eine glänzte da, wo der andere nicht ganz so stark war – und umgekehrt. Eine unschlagbare Einheit. Zusammen hatten sie die SPD aus einem tiefen Jammertal geführt. Die Kölner Partei war nach der Affäre um Aktieninsider-Geschäfte ihres damaligen Oberbürgermeisterkandidaten Klaus Heugel und einem noch schwerwiegenderen Spenden-Skandal, in den fast die komplette ehemalige Führungsriege verwickelt war, am Boden. Die jungen Politiker übernahmen 2001 Verantwortung, räumten auf und stellten die Weichen für ein schnelles Comeback der Kölner SPD.

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Ott war der Antreiber und Organisator, Börschel brachte die Finanzen in Ordnung, verhandelte und knüpfte Netzwerke. Und mehr noch: Es gelang auch eine Neuaufstellung im Stadtrat. Schon 2004 war die SPD wieder an der Macht, zunächst als Juniorpartner der CDU, dann ein Jahr später als führende Kraft in einem Bündnis mit den Grünen. Der CDU-Oberbürgermeister Fritz Schramma hatte es immer schwerer und wurde schließlich 2009 vom SPD-Mann Jürgen Roters abgelöst. Da war der Jurist Börschel bereits Profipolitiker im Landtag. Ott machte es ihm 2010 nach. Das kraftvolle und ehrgeizige Tandem war auf dem Zenit seiner Macht. In Köln hatten sie fast alle Hebel in der Hand, und auch in Düsseldorf schienen alle Türen offen zu stehen.

Roters und die konservative Lobby bremsten Ott und Börschel aus

Nur zwei Machtfaktoren konnten sie bremsen: In Düsseldorf und in der Landespartei ließ die konservative Lobby der Ruhrgebiets-SPD die reformwilligen Rheinländer immer wieder auflaufen. In Köln war es Oberbürgermeister Roters, der vor der Kommunalwahl 2014 nicht so wollte, wie es die beiden gerne gehabt hätten. Er sollte wie viele andere Oberbürgermeister in NRW seinen Platz vorzeitig räumen, damit die OB-Wahl zeitgleich mit der Stadtratswahl stattfinden konnte. Dann hätte Ott gute Chancen auf die Nachfolge gehabt. Doch Roters beharrte auf seinem Recht, ein Jahr länger im Amt bleiben zu können. Das verschaffte der CDU die nötige Zeit, um ein Anti-SPD-Bündnis zu schmieden, für das eine parteilose, für Grüne und FDP tragbare Kandidatin aufs Schild gehoben wurde. Henriette Reker gewann die OB-Wahl 2015 gegen Ott.

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Einst wie Schweini und Poldi: Jochen Ott und Martin Börschel

Die Wähler hatten dem SPD-Mann nicht abgenommen, dass er für einen Neuanfang an der Stadtspitze stehen wollte – im Rückblick ein Konflikt, der Ott in seinem ganzen politischen Leben begleitet: Der Kritiker vieler Probleme und zu kurz greifender Lösungsansätze ist gleichzeitig leitender Funktionär in einer Partei, die für vieles mitverantwortlich ist. Das galt für die Bewertung der rot-grünen Landesregierung genau wie für die Beurteilung der Arbeit der Kölner Stadtverwaltung unter Jürgen Roters. Um den Widerspruch auszuhalten, braucht man Frustrationspotenzial. Das scheint nach dem rasanten Abstieg der Bundes-SPD und den Folgen der Stadtwerke-Affäre aufgebraucht zu sein.

Ein Neuanfang wie vor 18 Jahren

Der nun für die neue Parteispitze vorgelegte Personalvorschlag ist das Ergebnis eines zweijährigen Prozesses. Außer Ott räumen auch die langjährigen und erfahrenen Stellvertreter das Feld: die Landtagsabgeordnete Gabriele Hammelrath und der Bundestagsabgeordneter Rolf Mützenich. Eigentlich sollte auch Susanna dos Santos für einen Jüngeren Platz machen.

Doch Otts Kritikerin wollte dem Vernehmen nach nicht. Ihre Ambitionen für den Vorsitz indes musste sie aufgeben, zu überzeugend ist das Personaltableau mit mehreren, jungen politischen Talenten. Die innerparteiliche Entwicklung dürfte dazu geführt haben, dass es nun etwas früher als geplant präsentiert wird. So oder so markiert es eine ähnliche Zäsur wie die vor 18 Jahren, als Otts Kölner Karriere begann.