Köln – Aufgrund eines Urteils des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofes müssen rund 30 Wahlkreise für die Landtagswahl neu zugeschnitten werden. Die Richter hatten den Landtag 2019 aufgefordert, die Grenzen nach anderen Maßgaben festzulegen.
Die Wahlrechtsgleichheit gebiete eine Einteilung, die die Zahl der jeweils dort lebenden wahlberechtigten Deutschen ab 18 Jahren berücksichtigt; bislang bildet die Einwohnerzahl die Grundlage, also auch der Minderjährigen. Zudem darf ein Wahlkreis in der Regel künftig nicht mehr als 15 Prozent vom Durchschnittswert aller 128 Wahlkreise abweichen - was vielerorts nicht der Fall ist.
Antrag betrifft drei Stadtteile
Bevor das Düsseldorfer Parlament am kommenden Mittwoch über den Gesetzesentwurf der Regierung mit der neuen Wahlkreis-Einteilung abstimmt, haben die CDU und die FDP etliche Änderungen beantragt. In Köln betrifft das die Stadtteile Braunsfeld, Widdersdorf und Bilderstöckchen.
Die SPD kritisiert, es gehe den „regierungstragenden Fraktionen“ ausschließlich um parteitaktische Ziele. „Hier wird Wahlkreiseinteilung allein unter Gesichtspunkten der Aussichten für das eigene Wahlergebnis betrieben“, sagte die Kölner SPD-Vorsitzende Christiane Jäger. „Das ist weder im Sinne der Grundsätze im Gesetz, noch dient es dem Vertrauen in demokratischen Prozesse.“
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Das Stadtgebiet ist in sieben Landtagswahlkreise aufgeteilt. Einige von ihnen entsprechen einem der neun Stadtbezirke, etwa Mülheim. Andere umfassen Stadtteile unterschiedlicher Bezirke.
Der schwarz-gelbe Antrag sieht vor, den Stadtteil Bilderstöckchen vom Wahlkreis Nippes nach Ehrenfeld zu verschieben. Widdersdorf, bisher dem Wahlkreis Ehrenfeld zugeordnet, soll Lindenthal zugeschlagen werden. Und der nördliche Teil des Stadtteils Braunsfeld soll künftig zum Wahlkreis Ehrenfeld gehören, statt wie bisher zu Lindenthal.
„Eine solch willkürliche Einteilung untergräbt die Bindung zwischen der Bevölkerung und den Abgeordneten“, sagt Jäger. Das widerspreche den Interessen der Bürgerinnen und Bürger. Nicht ohne Grund sei „die Wahrung räumlicher Zusammenhänge im Landeswahlgesetz ausdrücklich erwähnt“.
CDU-Chef würde profitieren
Anhand der einzelnen Ergebnisse der Landtagswahl vom Mai 2017 lässt sich ersehen, dass CDU-Chef und Landespolitiker Bernd Petelkau von den von seiner Fraktion beantragten Änderungen profitieren würde. Sein Heimatwahlkreis Lindenthal, in dem er direkt gewählt wurde, würde durch die CDU-Hochburg Widdersdorf erweitert. Hinzu kommt: In jenem Teil von Braunsfeld, der künftig zum Wahlkreis Ehrenfeld gehören soll, war die SPD stärker. Auch diese Änderung würde die Ausgangslage Petelkaus bei der Landtagswahl 2022 stärken.
Im Wahlkreis Nippes hätte die CDU wohl ebenfalls bessere Chancen. 2017 war ihr Kandidat Christian Möbius dem Sozialdemokraten Andreas Kossiski mit gerade einmal 62 Stimmen unterlegen. Eine Verlagerung der SPD-Hochburg Bilderstöckchen in den Wahlkreis Ehrenfeld würde die Erfolgsaussichten der CDU in Nippes jedenfalls nicht schmälern. Ehrenfeld selber wiederum gilt in der Union ohnehin als kaum zu gewinnender Wahlkreis.
Alles Zufall? Die schwarz-gelben Änderungsvorschläge dienten allein dazu, die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, sagt Petelkau. In einem Wahlkreis sollten möglichst ähnliche Zusammenhänge bestehen.
Widdersdorf sei als Siedungsgebiet Lövenich näher als den Stadtteilen im Bezirk Ehrenfeld. Das nördliche Braunsfeld dagegen weise mehr Gemeinsamkeiten mit Ehrenfeld auf als mit Lindenthal.
Der Landtag hat für seine Beratungen eine Reihe von Experten hinzugezogen, darunter Juristen des Instituts für internationales und vergleichendes öffentliches Recht der Universität Münster.
Die Zahl unvermeidbarer Wahlkreisneuzuschnitte sei „recht hoch“, heißt es in deren Stellungnahme. „Es ist eine realitätsferne Vorstellung, dass politische Parteien dabei nicht die Wahlchancen kalkulieren würden, die Wahlkreiszuschnitte für sie haben.“
Es gebe keine „verfassungsrechtliche Erwartung, dass sie das nicht tun dürften“, schreiben die Juristen der Uni in Münster. „Im Gegenteil: Es ist Aufgabe politischer Parteien, sich im politischen Wettbewerb um Wahlerfolge zu bemühen und ihre Strategien auf die konkreten Wahlaussichten auszurichten.“
Anzahl der Landtagsmandate könnte weiter zunehmen
Das Institut für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf führt noch einen anderen Gesichtspunkt an. Es sei „anzumerken, dass der Gesetzentwurf keine Regelung vorsieht, um ein weiteres Anwachsen des Landtags zu verhindern.
Nach einer Prognose vom Oktober 2017 könnte der Landtag nach der nächsten Wahl auf 295 Abgeordnete anwachsen und damit auf das 1,6-fache seiner Regelgröße von 181 Mandaten.“