Köln – Oberbürgermeisterin Henriette Reker wünsche sich ein Fernglas, sagte sie. Damit könne sie die Ratsmitglieder besser erkennen im weitläufigen Saal des Gürzenich, wo die Sitzung des Stadtrats aus Infektionsschutzgründen wieder einmal stattfand. Und das tat Not, denn viele Politiker hatten etwas zu sagen zum kontroversesten Tagesordnungspunkte der Sitzung. Und es wurde emotional und laut im Sitzungssaal wie selten.
Der als Ersatz für den Großmarkt geplante Frischemarkt in Marsdorf soll verkleinert werden, um dort mehr Platz für ein Trainingsgelände des 1. FC Köln zu schaffen. So haben es Grüne und CDU mit ihrer Mehrheit im Rat beschlossen. Eine Lösung, die dem Vernehmen nach weder die Großmarkthändler noch der 1. FC Köln wünschen.
Volt hatte sich von Anfang an nicht an Antrag für Köln-Marsdorf beteiligt
Wie kontrovers das Thema selbst innerhalb der Union diskutiert wird, zeigten schon die Aussagen von CDU-Ratsherr Henk van Bethem, der an der Sitzung nicht teilnehmen konnte, weil er in Quarantäne ist. Er kritisierte das Vorhaben seiner eigenen Partei scharf, weil dies ein schlechter Umgang mit einer für Köln so wichtigen Institution wie dem 1. FC Köln sei.
Die SPD hatte in der Sitzung eine geheime Abstimmung beantragt. Offenbar wollte sie Abweichlern innerhalb der CDU die Chance eröffnen, im Verborgenen gegen die Pläne zu stimmen. Der eigentlich dritte Partner des Ratsbündnisses von Grünen und CDU, die Europapartei Volt, hatte sich an dem Antrag von vornherein nicht beteiligt.
Kritik an den Fraktionsspitzen
In der Debatte ging schlugen die Wogen hoch. Nach Worten der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Christiane Martin und des CDU-Fraktionschefs Bernd Petelkau sei ihr Antrag eine Chance für den FC und den Großmarkt gleichermaßen. Es sei ein Bekenntnis zum Großmarkt am Standort Marsdorf und eines zu den Erweiterungsplänen des Bundesligisten. Sollte die Klage einer Bürgerinitiative gegen den Ratsbeschluss, dass der FC sich im Äußeren Grüngürtel erweitern darf, Erfolg haben, müsse dem Verein eine Alternative geboten werden, die sie in Marsdorf sehe, sagte Martin. „Ob der der FC diese Chance nutzt, ist aber Sache des FC“, sagte Petelkau zu dem Angebot.
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Daraufhin hagelte es Kritik für die beiden Fraktionsspitzen. Christian Joisten (SPD) sprach von einem „unwürdigen Schauspiel“, das weder dem Großmarkt noch dem FC noch der Parkstadt-Süd helfe. Zu allem gebe es längst bestehende Beschlüsse. Der FC müsse an seinem „historischen Ort“, dem Grüngürtel bleiben. „Sonst müssen wir damit rechnen, dass der Verein die Stadt verlässt“, mahnte Joisten.
Lindenthaler lehnen FC-Pläne im Grüngürtel ab
„Sie lösen weder die Probleme des FC noch die der Großmarkthändler“, kritisierte Jörg Detjen (Linke). Letztere seien durch den Antrag von Grünen und CDU „in der Existenz gefährdet“, und dann „rühren Sie auch noch den FC mit rein.“ Es sei „unglaublich, wie arrogant man mit Macht umgehen kann“, griff Detjen die beiden Parteien scharf an.
Volker Görzel (FDP) sagte, ihm sei „das Frühstücksmüsli aus dem Mund getropft“ als er vom grün-schwarzen Ansinnen gehört habe. Grüne und CDU handelten in dieser Sache nur „aus machtpolitischem Kalkül“ und aus „Rücksicht auf den Wahlkreis“. Damit spielte Görzel unter anderem darauf an, dass es in Lindenthal viele Wählerinnen und Wähler von Grünen und CDU gibt, die eine FC-Erweiterung im Grüngürtel strikt ablehnen. Mit ihrem Antrag „zerstören Sie das Vertrauen in die Politik“, zürnte er.
Bürgerinitiative hat gegen Ratsbeschluss zu FC-Leistungszentrum Klage eingereicht
Die Idee dürfte das jahrelange Ringen um Großmarkt und FC-Erweiterung nicht unbedingt einfacher machen. Die Verkleinerung der Marsdorfer Fläche für den Großmarkt, der bis 2025 dorthin umziehen soll, lehnen die Händler ab, weil die reduzierte Fläche nicht den Mindestanforderungen genüge und unrentabel sei. Der Großmarkt, der zurzeit in Raderthal ist, soll sein aktuelles Areal für das große Wohnprojekt Parkstadt-Süd räumen, das bereits in Teilen in der Umsetzung ist.
Der 1. FC Köln konnte dem Angebot von mehr Platz für die Errichtung eines Leistungszentrums und von Trainingsplätzen in Marsdorf ebenfalls nichts abgewinnen. Die Ackerfläche gilt als alternativer Standort für die Erweiterungspläne des FC, der sich eigentlich im Äußeren Grüngürtel vergrößern möchte. Dafür gibt es auch einen Ratsbeschluss, der jedoch zurzeit auf Eis liegt, unter anderem, weil die Bürgerinitiative gegen den Beschluss Klage eingereicht hat. Marsdorf wäre für den Bundesligisten allerdings unattraktiv, da ein neues Bebauungs- und Flächennutzungsplanverfahren starten würde, das mehrere Jahre dauern könnte.
FC will sich am Mittwoch äußern
Der 1. FC Köln will sich am Mittwoch zur Entscheidung des Stadtrats äußern, wie zu erfahren ist. Noch während der Ratssitzung meldete sich Uwe Vetterlein, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer zu Wort und hatte vor allem die Zukunft des Großmarkts im Blick: „Wenn der Rat heute dem Antrag von Grünen und CDU zustimmt, die Fläche des Großmarkts willkürlich zu verkleinern, kann dies das vollständige Aus des neuen Großmarkts bedeuten, weil sich das Projekt nicht mehr rechnet. Allen sollte klar sein, dass ohne Frischezentrum die vielen Wochenmärkte in unserer Stadt leiden und vermutlich etliche sterben werden.“
Die Bürger-Interessen-Gemeinschaft (BIG) Weiden hingegen begrüßte den Ratsbeschluss. „Spätestens wenn die Klage gegen die Expansionspläne des FC im Äußeren Grüngürtel Erfolg haben sollte, dürfte man froh sein, wenn die einzig denkbare Ausweichfläche nicht bereits anderweitig verplant ist", sagte die Vorsitzende Viviane Fröhling.