Über die Architektur der Universitäts- und Stadtbibliothek kann man trefflich streiten. Nur wenige wissen, dass sie einst als stilbildend galt.
Fotograf Gregor Zoyzoyla schafft mit seinen Bildern einen leidenschaftlichen Blick auf die Architektur von Rolf Gutbrod.
Denkmalschützer Tobias Flessenkämper klagt, die Uni vernachlässige das wertvolle Kulturgut.
Köln-Lindenthal – Wie wird ein hässlicher Betonklotz zur architektonischen Ikone? Manchmal muss erst jemand kommen und die Augen öffnen – jemand wie Gregor Zoyzoyla. Der Fotograf begeistert fast 30.000 Follower auf Instagram mit seinen Architekturbildern, die jetzt in der Universitäts- und Stadtbibliothek (USB) zu sehen sind. Er liebt rohen Beton und klare Formen. Und deswegen liebt er auch das USB-Gebäude.
Das kann man von allen Studierenden nicht behaupten: „Ein alter, in einem Block gegossener Betonklotz, der innen wie außen hässlich und marode ist. Eine Beleidigung aller wahren Denkmäler, dass man so ein Teil unter Denkmalschutz stellt!“ – das ist nur eine von vielen Stimmen aus dem Netz.
Viele Menschen mögen grauen Beton nicht
Architekturgeschichte hilft eben auch nicht weiter, wenn man dringend auf die überfüllte Toilette muss oder vergeblich eine Steckdose sucht. Gregor Zoyzoyla weiß, dass viele Menschen grauen Beton nicht mögen. Aber mit seinen Bildern schafft er einen neuen, leidenschaftlichen Blick auf sperrige Architektur. Er zeigt die Klarheit und Modernität dieser Gebäude aus den 1960er und -70er Jahren.
Und plötzlich wird sogar die vielgescholtene USB zum Instagram-Liebling. „Das war das erste Bild, das ich geschossen habe, was derart enorme Reaktionen hervorgerufen hat bei den Leuten“, erinnert er sich an seinen Post der USB vor drei Jahren – so viele Likes hatte er bis dahin noch nie für eines seiner Bilder bekommen.
Zoyzoyla fotografiert brutalistische Gebäude in Europa und Afrika
„Brutalismus“ heißt der Baustil, dem sich der Fotograf verschrieben hat. Das klingt tatsächlich nicht gerade einladend. Dabei hat es mit dem deutschen Wort brutal überhaupt nichts zu tun, sondern kommt aus dem französischen: „béton brut“ heißt „roher Beton“.
Inzwischen hat Gregor Zoyzoyla hunderte von brutalistischen Gebäuden in Europa und sogar Afrika fotografiert. Wer im Foyer der USB seine Bilder betrachtet, bekommt ein Gefühl dafür, wie der Architekt der USB – Rolf Gutbrod – sein Gebäude in den 1960ern gedacht hat. Und stellt fest: Die Kölner Bibliothek befindet sich weltweit in bester Gesellschaft.
Durch einen „Tatort“ auf Köln aufmerksam geworden
Wenn der Fotograf mit seiner Familie Urlaub macht, geht es längst nicht mehr nur um den schönsten Strand. Ob Belgrad oder Agadir – der Fotograf schaut immer, dass es für ihn auch ein paar interessante Fotomotive gibt.
Auf Köln ist er durch einen „Tatort“ aufmerksam geworden: „Da habe ich die Hochhäuser von Chorweiler gesehen und fand das sehr spannend.“ Der Frankfurter setze sich in den Zug und fotografierte einen ganzen Tag lang: Die Hochhäuser, Kirchen von Gottfried Böhm, die Musikhochschule und eben die Uni-Bibliothek.
Gregor Zoyzoyla: Kölner Gebäude sei wie eine Skulptur
Dass ausgerechnet hier nun die Ausstellung mit seinen Architektur-Bildern zu sehen ist, freut ihn besonders. Das Gebäude sei wie eine Skulptur, sagt er und deutet auf die aufwendig gefaltete Betondecke: „Die hätte man ja auch einfach abhängen können, um die Kabel zu verlegen. Aber hier erkennt man sogar noch die organischen Strukturen der Holzverschalung wieder, in die der Beton gegossen wurde.“
Schon in den 1960ern waren nicht alle Kölner begeistert von ihrer neuen Bibliothek. Während die einen Rolf Gutbrod als architektonische Avantgarde feierten, wird der Neubau in der Presse als „Büchersilo“ geschmäht.
Kein direktes Sonnenlicht für kostbare Bände im Magazin
Aber ganz egal was man von der Architektur hielt: Es gab endlich Platz für alle Bücher und durch die auffällige Wabenfassade fiel kein direktes Sonnenlicht mehr auf die kostbaren Bände im Magazin.
Inzwischen ist der Bibliotheks-Bau jedoch in die Jahre gekommen. Längst reicht er nicht mehr für alle Bücher aus. Die Studierendenzahlen sind explodiert, vor den Toiletten bilden sich Schlangen, Steckdosen sind hart umkämpft.
Scharfe Kritik am Zustand der Kölner USB
„Das Gebäude ist so abgeranzt, dass sich die Mäuse hier schon heimisch fühlen und auch für Futter ist reichlich gesorgt, da man in der Bibliothek essen darf“, schreibt ein Nutzer im Netz. Ein anderer berichtet: „Meine Freunde aus dem Senegal wollten die USB von innen sehen. Ich habe sie ihnen gezeigt. Sie waren schockiert. Ich habe mich geschämt.“
„Wie nachlässig die Universitätsverwaltung mit ihrem Erbe umgeht“ – das ärgert auch Tobias Flessenkemper vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz. Für ihn ist das Magazingebäude mit der Rasterfassade „eine Ikone“. Originell, verspielt und leicht sei der Bau im Original gewesen. Vor allem im Foyer, das sich zu einer kunstvollen Gartenanlage hin öffnete. So wurde die Bibliothek mit dem benachbarten Hörsaalgebäude verbunden, das ebenfalls Rolf Gutbrod geplant hat.
Kölner Bibliotheksgebäude als wertvolles Kulturgut
Der Denkmalschützer schwärmt von den schönen Lichtbändern aus Holz unter der eindrucksvoll verfalteten Decke. Und vom Luxus der hohen Decken im Lesesaal: „Da wird dem Geist Raum gegeben.“ Wer im Foyer nach oben schaut, wähnt sich für einen Moment tatsächlich in einer Kirche – bis der Blick wieder auf die Toilettenschlange und die Sicherheitsschleusen fällt.
Ausstellung mit Architekturfotografien im Foyer der USB
Noch bis zum 30. April ist im Foyer der Universitäts- und Stadtbibliothek in der Universitätsstraße 33 die Ausstellung „Concrete: Imagination. Die Ästhetik des Brutalismus“ mit Architekturfotografien von Gregor Zoyzoyla zu sehen. Die USB hat täglich ab 9 Uhr geöffnet, an Wochentagen bis 24, am Wochenende bis 21 Uhr. Besucher ohne Bibliotheksausweis/UCCard sollen an der Einlassschranke angeben, dass sie die Ausstellung sehen möchten. Der Bau für die Universitäts- und Stadtbibliothek Köln wurde unter Leitung des Stuttgarter Architekten Rolf Gutbrod 1966 fertiggestellt: mit einem Benutzungsbereich, einem Verwaltungstrakt und dem wohl bekanntesten Bauteil, dem wabenverkleideten Magazinkubus, stand er seinerzeit für die Avantgarde.
Gregor Zoyzoylas Bilder sind zeitgleich im Deutschen Architekturmuseum zum 100. Geburtstag Gottfried Böhms zu sehen. Er widmet Böhm auch in der Ausstellung der USB eine Fotovitrine.
www.gregorzoyzoyla.com
Der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz hat seinen Sitz in Köln. Tobias Flessenkemper engagiert sich dort ehrenamtlich – unter anderem als Sprecher der Arbeitsgruppe Nachkriegsarchitektur. Er hat in Köln Politikwissenschaften studiert.
Offenbar, beklagt Tobias Flessenkemper, gebe es an der Universität zu wenig Bewusstsein dafür, was für ein wertvolles Kulturgut das Bibliotheksgebäude sei. Stattdessen habe man es „vermöbelt“ – unter anderem mit einer dunklen Schließfachanlage, durch die der luftige Charakter des Foyers kaum mehr zu erahnen sei. Auch die Gartenanlage sei durch allerlei Anbauten zerstört worden. „Die Bodenmosaike sind überwuchert, die Pflanzbeete nicht gepflegt, der ganze Garten und die Terrassenanlage ist quasi verwildert.“ Für Köln als Kulturstadt sei das ein schlechtes Zeugnis.
Immerhin – die Ausstellung mit den Bildern von Gregor Zoyzoyla beweist, dass es an der Kölner Universität durchaus Menschen gibt, die ihre Bibliothek zu schätzen wissen. Und die nicht nur Mäuse, Tristesse und bröckelnden Beton sehen. Sondern ein stilbildendes Bauwerk.