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Missbrauch im Kölner ErzbistumWürdenträger behalten trotz Beurlaubung wichtige Ämter

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Rainer Maria Woelki

Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln

Köln – Die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals im Erzbistum Köln hat eine erste personelle Konsequenz von Dauer: Der oberste Kirchenrichter, Offizial Günter Assenmacher, ist seit Ende April nicht mehr im Amt. Dies teilte das Erzbistum Köln am Montag in einer kurzen Erklärung mit. Allerdings behält er seinen Sitz im Domkapitel mit allen Rechten und Pflichten, wie die Dompropstei auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ bestätigte. Das kann für die Zukunft des Erzbistums von erheblicher Bedeutung sein.

Mit keinem Wort erwähnt die Mitteilung des Erzbistums, dass das Missbrauchsgutachten des Kölner Strafrechtlers Björn Gercke dem 69 Jahre alten Geistlichen zwei Pflichtverletzungen im Umgang mit Missbrauchsfällen zur Last legt. Konkret handelt es sich dabei um falsche Rechtsauskünfte. Dies führte im März zu Assenmachers vorläufiger Beurlaubung durch Kardinal Rainer Woelki.

Neben Assenmacher entband Woelki im März auch die Weihbischöfe Dominikus Schwaderlapp und Ansgar Puff bis auf Weiteres von ihren bischöflichen Aufgaben, weil sie in ihren früheren Ämtern als Generalvikar (Schwaderlapp) und Personalchef (Puff) laut Gercke-Gutachten im Umgang mit Missbrauchsfällen ihre Pflichten verletzt haben.

Sitz und Stimme im Domkapitel

Auch diese beiden Würdenträger sind aber nach wir mit Sitz und Stimme im Domkapitel vertreten. Das bedeutet, sie dürften auch einen neuen Erzbischof wählen, falls dies erforderlich sein sollte. „Weder der Erzbischof noch das Domkapitel können einem residierenden Domkapitular kraft Amt das Kanonikat entziehen“, erklärte Dompropst Guido Assmann auf Anfrage.

Das Kanonikat, also der Sitz im Kapitel, erlösche, „wenn ein Domkapitular aus dem priesterlichen Dienst ausscheidet oder das Erzbistum Köln verlässt. Seine Emeritierung – wie etwa bei der Vollendung des 75. Lebensjahres – ist vom Kapitular beim Erzbischof zu beantragen.“

Rücktritt wäre möglich

Ihres Amtes und ihrer Aufgabe könne der Kardinal die Domkapitulare nicht entbinden, erläuterte Assmanns Sprecher Markus Frädrich, „weil er sie ihnen auch nicht übertragen hat“. Die Statuten des Kapitels ließen hier keinen Spielraum. Denkbar wäre ein freiwilliger Rücktritt.

Auch Woelkis Sprecher Oliver Schillings betonte die kirchenrechtliche Unabhängigkeit des Doms und seiner Geistlichkeit vom Erzbistum. „Die vom Kardinal ausgesprochene Beurlaubung gilt für den Einsatz im Arbeitsbereich des Bistums.“ Im Bereich des Doms nähmen Schwaderlapp, Puff und Assenmacher ihren Dienst weiter wahr.“ Dieser bestehe „im Wesentlichen darin, dass gottesdienstliche Angebot am Dom aufrecht zu erhalten.“

Woelki: Assenmacher „gebührt Dank“

Der Erzbischof wird nun mit den Worten zitiert, dass Assenmacher für seine mehr als 30-jährige, „mit großem Einsatz geleistete“ Arbeit im Offizialat, die zum größten Teil das kirchliche Eherecht betreffe, „Dank gebührt“. Die Arbeit des Offizialates sei „ein wichtiger Beitrag der Kirche, um Menschen in ihren jeweiligen Lebenssituationen möglichst gerecht zu werden“, sagte Woelki laut Mitteilung des Erzbistums. Das Ausscheiden aus dem Amt sei „das einvernehmliche Ergebnis eines Gesprächs“, das Kardinal Woelki am 29. April mit Assenmacher geführt habe.

Bis zur Ernennung eines Nachfolgers hat Vize-Offizial Thomas Weitz die Leitung des Kirchengerichts übernommen.

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Assenmacher war seit 1984 am Kirchengericht des Erzbistums tätig. 1995 übernahm er die Leitung. Von 2010 an war er auch Offizial des Bistums Limburg. Dort endete seine Tätigkeit im März – wenige Tage nach Vorlage des Gercke-Gutachtens und der Beurlaubung durch Woelki in Köln. Das Bistum Essen hatte eine zehnjährige Zusammenarbeit mit Assenmacher als Offizial bereits 2019 beendet.

Annullierung kirchlicher Eheschließungen

Der Offizial nimmt in Stellvertretung für den Bischof in dessen Bistum als seinem Hoheitsgebiet die kirchliche Gerichtsbarkeit wahr. Das Offizialat entscheidet nach kirchlichem Recht über eingehende Klagen. Hauptaufgabe sind die sogenannten Ehenichtigkeitsverfahren, in denen eine kirchlich geschlossene Ehe für ungültig erklärt werden kann.

Nach einer „Annullierung“ der Ehe ist den Eheleuten eine erneute kirchliche Eheschließung möglich. Auf dem Weg dorthin müssen sich die Beteiligten umfangreichen Befragungen zur ihrer Persönlichkeit und zu ihrer Beziehung stellen, intime Details eingeschlossen. Der sogenannte „Ehebandverteidiger“ tritt in solchen Verfahren als derjenige auf, der die Gültigkeit und damit die Unauflöslichkeit der sakramental geschlossenen Ehe zu erhärten versucht.