Die Polizei darf am Wiener Platz wegen der Waffenverbotszone anlasslos Personen kontrollieren. Das stößt auf Zustimmung – aber auch auf Kritik.
„Das finde ich unwürdig“Waffenverbotszone am Wiener Platz sorgt für gemischte Gefühle bei Anwohnern
Auch an einem Mittwochmorgen muss man nicht lange warten, bis Blaulicht auf dem den Wiener Platz aufleuchtet. Polizisten nehmen einen Mann fest, der vorher offenbar randalierend über den Platz in Mülheim gezogen ist. Kurz darauf wird er in einem Mannschaftswagen der Polizei abgeführt, während er die Beamten wüst beschimpft. „Alltag“, nennt das ein Optiker, der den Einsatz von der Fensterfront seines Geschäfts aus beobachtet.
Damit solche Szenen nicht mehr zum Alltag gehören, hat die NRW-Landesregierung Mitte Juni den Antrag der Kölner Polizei genehmigt und den Wiener Platz zur Waffenverbotszone erklärt. Anders als die beiden Zonen auf der Zülpicher Straße und entlang der Ringe gilt die neue Verbotszone nicht nur abends an den Wochenenden, sondern zeitlich unbeschränkt. Die Polizei darf dort seitdem Personen zu jeder Zeit anlasslos kontrollieren – eine einmalige Maßnahme in NRW.
Viel Zustimmung, aber auch Ablehnung
Was hat sich durch die Verbotszone am Wiener Platz verändert? Und wie blicken Einzelhändler, Bürgervereine und Initiativen rund um den Wiener Platz die Maßnahme? Hört man sich vor Ort um, schwankt die Stimmung zwischen Zustimmung, Besorgnis und Ablehnung.
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„Ich kann die Waffenverbotszone nur begrüßen“, sagt etwa Helmut Zoch. Der 72-Jährige ist Vorsitzender der Bürgereinigung Mülheim, er betreibt einen Catering-Service und einen Biergarten direkt auf dem Wiener Platz. „Was hier in den letzten Monaten abgegangen ist, geht gar nicht. Ich finde es gut, dass die Polizei versucht, hier endlich aufzuräumen.“ Bisher, so Zoch, habe die Waffenverbotszone zwar noch nicht viel geändert, „aber die Polizei zeigt mit Kontrollen Präsenz und das ist schon viel wert“.
Über 500 Kontrollen in vier Wochen in Mülheim
Seit Jahren ist der Wiener Platz ein Kriminalitätsbrennpunkt, im vergangenen Jahr hat sich die Situation allerdings nochmal verschärft: Der Bezirk verzeichnete mit 15 Prozent den stadtweit höchsten Kriminalitätsanstieg. Schon seit April reagiert die Polizei mit verstärkten Kontrollen, vor allem auf dem von Drogenkriminalität dominierten Wiener Platz.
Ähnlich wie Zoch begrüßen viele Geschäftsleute die Präsenz der Polizei: „Viele Stammkunden ziehen weg nach Dünnwald oder Holweide und trauen sich kaum noch in die Filiale hier, weil sie über den Wiener Platz anreisen müssen. Solange das Waffenverbot auch kontrolliert wird, finde ich das gut“, sagt Ingo Chalal, Filialleiter des Fotogeschäfts „Photo Porst“ in der Wiener Platz Galerie.
Und das tut die Polizei laut eigenen Angaben auch: In den ersten vier Wochen der neuen Waffenverbotszone haben die Beamten 530 Personen kontrolliert. 89 Platzverweise wurden verteilt, zehn Personen in Gewahrsam genommen und drei festgenommen. Messer sichergestellt haben die Beamten acht mal.
Innenminister Herbert Reul wertete das gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ als Erfolg: „100 Prozent erreicht man dabei nicht. Aber jedes Messer, das wir einkassieren, kann niemanden mehr verletzen – und das ist gut.“ Er sagte aber auch: „Es gibt nicht die eine Lösung gegen Messergewalt.“
Kontrollen am Wiener Platz: Sorge vor „Racial Profiling“
Das merkt auch Filialleiter Chalal an: „Das Elend der Menschen, die hier Drogen und Alkohol konsumieren, kriegt man so nicht in den Griff, dazu braucht es andere Lösungen.“ Jürgen Weinberg, Inhaber der Windmühlen-Apotheke am Wiener Platz, wird deutlicher: „Diejenigen, von denen wirklich Gefahr ausgeht, kriegt man mit solchen Maßnahmen nicht unter Kontrolle und damit auch nicht die Kriminalität. Stattdessen geht man nun teilweise gegen Suchtkranke vor, das finde ich unwürdig“, sagt er und fragt: „Die Drogenkonsumenten werden von allen prominenten Plätzen der Stadt verscheucht, weil man ihr Elend nicht sehen will, aber wo sollen sie denn hin?“
Inan Middelhoff, stellvertretender Leiter der Bürgerhauses „Mütze“, der vom Verein Interkultur betrieben wird, blickt mit gemischten Gefühlen auf die neuen Kontrollbefugnisse: „Ich verstehe, dass die Polizei versucht, hier etwas in Bewegung zu setzen. Aber sie muss darauf achten, sensibel mit ihren neuen Möglichkeiten umzugehen.“
Er fürchtet sogenanntes Racial Profiling, dass die Polizei also vor allem Menschen mit Migrationshintergrund kontrolliert. „Natürlich ist es so, dass in einem migrantisch geprägten Stadtteil wie in Mülheim auch vermehrt migrantisch aussehende Menschen kontrolliert werden, aber wenn dann Jugendliche von der Polizei festgehalten werden, die mit der Drogenszene nichts zu tun haben, entstehen unschöne Szenen, die die Gräben zwischen Polizei und Jugendlichen hier weiter vertiefen.“
Er plädiert für eine Wiederbelegung des Platzes durch mehr Veranstaltungen von und für die Nachbarschaft. Statt mehr Polizei sollen so mehr Bürgerinnen und Bürger den Platz für sich beanspruchen – und damit hoffentlich auch Drogen und Kriminalität verdrängen.