Wir besuchen die Baustelle des Schrotty an der Vogelsanger Straße.
Betreiber Yediyar Isik verrät uns, wie das Schrotty aussehen wird und wann er die Eröffnung plant.
Isik ist ein bekanntes Gesicht im Kölner Nachtleben. Ein Gespräch über Ehrenfeld und die städtischen Hürden bei der Realisierung von Kulturprojekten.
Köln – Herr Isik, wir stehen hier mitten auf der Baustelle des „Schrotty“, der gerade zu einer dauerhaften Konzertlocation umgebaut wird. Seit 2017 fanden hier sporadisch Partys statt, 2020 gab es eine kurze Open-Air-Saison. Wann ist offizielle Eröffnung?
Yediyar Isik: In diesem Jahr noch, wenn die Lieferprobleme mit dem Stahl vorbei sind. Eigentlich wollte ich schon im Juli eröffnen, ich hinke meinem Zeitplan um dreieinhalb Monate hinterher. Jetzt plane ich mit Herbst.
Es wird verschiedene Innenräume geben, darunter eine große Halle mit Holzboden. Das sieht schön aus und ist ein tolles Gefühl beim Tanzen. Der Hof wird als Biergarten gerade im Sommer ein familienfreundlicher Ort für alle Kölner und Kölnerinnen sein. Wenn alles steht, kommt der Schrott auch wieder zurück: Ich habe tausende Rückleuchten, Stoßdämpfer – und dann soll es auch richtig grün werden. Wir haben ein paar Gärtner, die sich gerade überlegen, wie aus dem Schrottplatz eine grüne Oase werden kann.
Wie setzt sich das Programm zusammen?
90 Prozent des Programms machen wir selber, dafür haben wir gute Booker, die hier in Köln schon stark waren: einer hat im Gloria und in der Arena das Booking gemacht. Wir wollen die ganze Palette anbieten, von elektronischer Musik, Reggae bis hin zu kölscher Musik sowie Theater- und Podcast-Vorstellungen und wechselnde Ausstellungen. Das entspricht unserer ursprünglichen Idee, eine Kultur- und Begegnungsstätte aus dem Schrotty zu machen. Auch Partys soll es geben. Wir wollen gemischtes Publikum anziehen, so wie Ehrenfeld auch gemischt ist. Das wird in Köln etwas ganz Besonderes. Am Programm wird schon gearbeitet.
Zur Person
Yediyar Isik ist 45 Jahre alt und in Weinheim an der Bergstraße aufgewachsen. 1995 kam er nach Köln und arbeitete zunächst bei einer Veranstaltungstechnikfirma. Mit der Zeit begann er, selber Events zu organisieren. Sein erstes großes Projekt war der Umbau der Essigfabrik zu einer Eventlocation.
Später folgten der Sensor Club und die Papierfabrik in Ehrenfeld, die es heute beide nicht mehr gibt. Seit 2014 betreibt er den Klub Domhof direkt unter den Gleisen des Hauptbahnhofs, seit 2017 das Schrotty an der Vogelsanger Straße 406. Isik lebt und arbeitet in Ehrenfeld. (gam)
Sie sind in Sachen Clubbau erfahren, haben bereits mehrere Projekte begleitet, 1999 zum Beispiel den Umbau der Essigfabrik. War es früher leichter?
Es war immer schon schwer. Wenn man eine Idee hatte, hieß es immer erst: nein. Ich habe noch nie ein Gespräch geführt, in dem gleich gesagt wurde: super, Herr Isik. Eigentlich würde das Bauamt am liebsten direkt absagen. Ich musste das immer erst politisch angehen, Leute ansprechen und zusammenbringen, die sich begeistern lassen, die eine Perspektive für Köln und die Kultur in der Stadt haben.
Was würden Sie sich denn da wünschen?
Ich verstehe das Amt, die haben ihre Regeln, an die man sich halten muss. Auf der anderen Seite wünsche ich mir mehr Kompromissbereitschaft. Es geht nicht darum, Regeln zu brechen, sondern darum, uns einen Weg zu zeigen, wie man es machen könnte. Das passiert leider nicht, auch wegen des eklatanten Personalmangels. Genehmigungen dauern viele Jahre, dabei ist man auf sich alleine gestellt. Man muss in Vorleistung gehen. Wer hat schon so viel Zeit und Geld? Irgendwann geht einem die Luft aus. Ich wünsche mir, dass die Verwaltung offener ist, Wege gemeinsam erarbeitet und nicht abblockt, denn das verhindert die Weiterentwicklung der Kultur in Köln.
Sie haben an dem „Schrotty“ festgehalten bis Sie vergangenes Jahr die Baugenehmigung erhalten haben. Wie sind Sie denn überhaupt zu dem Schrottplatz gelangt?
Ich hatte nebenan einen Reifenhandel. Der Besitzer vom Schrotty war mein Nachbar, Hans Wacker, der mittlerweile leider verstorben ist. Ich hatte immer einen sehr guten Draht zu ihm und wir haben davon geträumt, etwas daraus zu machen, weil er wusste, dass ich Veranstalter bin. Das fand er super. Jetzt habe ich das Gelände als Mieter übernommen.
Kölner Schrotty-Chef spricht über Köln-Ehrenfeld und Gentrifizierung
Solche glücklichen Fügungen sind in Köln doch eher selten.
Ja, es gibt nicht so viele geeignete Flächen in Köln. Eigentlich bleiben nur die Gewerbe- und Industriegebiete, die auch immer kleiner werden. Ehrenfeld ist hier beim Schrotty noch ein richtiges Mischgebiet: Industrie, Sozialwohnungen, Kultur, Gastronomie. Das ist für mich typisch Ehrenfeld und ich liebe es. Wenn alles gleich ist und nur aus Wohnsiedlungen besteht, das finde ich uninteressant. Damit zerstört man das urbane Leben. Zum Grünen Weg kamen früher Zehntausende, um zu feiern. Heute drängt man die Leute immer mehr in eine Nische. Für uns ist der Schrotty also auch Hoffnung. Und ohne politischen Rückhalt wären wir auch nicht so weit gekommen.
Es ist ein Bewusstsein dafür entstanden, dass diese Veedels-Kultur erhalten werden muss, dass gerade diese Ehrenfeld zu dem gemacht hat, was es ist. Und dabei geht es nicht nur um den Schrotty. Die Nachfrage ist viel größer, auch wenn man bedenken muss, dass Corona die Menschen verändert hat.
Inwiefern?
Wir hatten zwei Jahre Stillstand. Die Ausgehkultur hat sich verändert. In meinem eigenen Laden, dem Klub Domhof, sehe ich das. Wir machen 20 bis 30 Prozent weniger Umsatz im Vergleich zu 2019, vor der Pandemie. Ich bekomme das auch von anderen Veranstaltern und anderen Clubs mit: Überall gibt es derzeit Probleme bei den Kartenverkäufen.
Kölner Schrotty-Betreiber sorgt sich um Herbst und coronagebeutelte Branche
Blicken Sie besorgt auf den Herbst?
Ja, definitiv, weil wir nicht wissen, ob in Sachen Corona-Auflagen nochmal etwas kommt. Ohne Flexibilität werden wir da nicht durchkommen. Aber wir haben ja bewiesen, dass wir flexibel sein können. Aber es geht nicht nur um die Gegenwart, sondern auch um die Zukunft der Branche. Darum, wo und wie wir in den nächsten Jahren überhaupt noch Kultur anbieten können.
Sie sorgen sich also um die Branche.
Kultur braucht Innovation und dafür braucht es die nächste Generation. Es gibt ohnehin schon nicht viele Veranstalter, die bereit sind, den immerwährenden Kampf mit den Behörden auf sich zu nehmen. Daher habe ich Angst davor, wie es wird, wenn meine Generation, also so die 45- bis 55-Jährigen, aufhört. In meiner Generation gibt es viele Leute, ohne die Köln kulturell arm wäre. Aber der zweijährige Stillstand durch Corona hat dafür gesorgt, dass sich einige, die schon sehr lange dabei waren, umorientiert haben. Sie mussten ihre Familien ernähren, es blieb ihnen also gar nichts anderes übrig. Und ich meine auch andere wie Techniker, Dekorationsfirmen und Künstlerinnen.
Grund zur Hoffnung geben uns natürlich diejenigen in Köln, die sich für den Schrotty und auch andere Projekte begeistern. Menschen die verstehen, was wir hier auf die Beine stellen möchten und die uns dabei unterstützen, wie zum Beispiel der neue Ehrenfelder Bürgermeister Volker Spelthann und einige andere Entscheidungsträger.
Die Beschwerden waren Reaktionen auf die Open-Air-Konzerte. Diese waren aber ja von vorneherein nur ein zeitlich begrenztes Projekt, um während der Corona-Zeit überhaupt ein kulturelles Angebot machen zu können. Trotzdem haben wir diese Beschwerden natürlich sehr ernst genommen und für die Zukunft entsprechende Maßnahmen getroffen. Neben den ohnehin schon vorgesehenen Schallschutzmaßnahmen in den Räumlichkeiten haben wir außerdem eine freistehende Schallschutzwand errichtet.
Diese Maßnahmen haben wir den Vogelsanger Bürgervereinen bei einem Vor-Ort-Termin vorgestellt. Dabei wurde klar, dass die Anwohnerinnen und Anwohner befürchtet hatten, die Open-Air-Bühne würde eine dauerhafte Einrichtung, was ja nicht der Fall ist. So konnten wir in dem Gespräch mit den Vereinsvorständen Bedenken ausräumen.
Aber dem Schrotty bleiben Sie auch nach Fertigstellung erhalten, oder?
Ja natürlich, der Schrotty ist mein Herzensprojekt, wenn auch hoffentlich mein letztes großes Bauprojekt in Köln. Denn wenn der Schrotty einmal eröffnet ist, gibt es da noch ein anderes Projekt, das mir sehr am Herzen liegt: Ich kümmere mich in der Türkei um Straßenhunde, baue dort zwischen Bodrum und Marmaris ein großes Resort, in dem die Hunde in Sicherheit leben können. Kranke und verletzte Tiere werden von der Straße geholt, kastriert, geimpft und gesundgepflegt. Dann werden sie, wenn möglich, in ein Zuhause weitervermittelt. Ich selbst habe natürlich auch mehrere Hunde – alle von der Straße.