- In Köln demonstrieren Prostituierte gegen Corona-Auflagen, die die Arbeit für viele unmöglich macht.
- Viele Sexarbeiterinnen würden deshalb in die Illegalität gezwungen, oft unter gefährlichen Bedingungen.
- Die Frauen-Union NRW erinnert zu dieser Gelegenheit an das Thema Zwangsprostitution und Menschenhandel.
Köln – Sie fühlen sich diskriminiert und in ihren Existenzen bedroht. Und das sagen sie auch so. Laut und selbstbewusst. 250 Sexarbeiterinnen aus Köln und der Region haben am Mittwochabend auf dem Vorplatz des Kölner Hauptbahnhofs unter dem Motto „Rotlicht an jetzt!“ protestiert. Vor allem der Lockdown aufgrund der Corona-Pandemie treffe die gesamte Branche hart, erklärt Nadine „Bibbi“ Drallkopp vor den Kundgebungsteilnehmern.
„Corona hat dazu geführt, dass Sexarbeiterinnen aus der Not heraus illegal und unter gefährlichen Bedingungen arbeiten müssen“, so die 35-Jährige, die seit 15 Jahren in Köln selbstständig tätig und Mitglied des „Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen“ (BesD) ist. Sie hat die Veranstaltung am Bahnhofsvorplatz angemeldet. „Wir fordern Gleichbehandlung und die Wiedereröffnung der Bordelle“, so Drallkopp. Selbstbewusst, laut.
Das ist die eine Seite. Doch da sind auch noch die Frauen, die man auf dem Bahnhofsvorplatz nicht sieht. Die leisen. Die ihre Stimme und die Kontrolle über ihre eigene Sicherheit schon vor der Corona-Zeit verloren haben.
Trotz Pandemie ist besonders die illegale Prostitution ein florierendes Geschäft. Die Dienstleistungen würden den Freiern im Moment nicht mehr in offiziellen Bordellen, sondern oft in Privatwohnungen, in Hotels oder auf der Straße angeboten, heißt es aus Sicherheitskreisen. Banden nutzen das aktuelle Prostitutionsverbot, um auch Frauen, die bislang legal gearbeitet haben, unter ihre Kontrolle zu bringen.
Fast die Hälfte ist unter 21
Laut Lagebericht des Bundeskriminalamts kommen viele Zwangsprostituierte aus dem osteuropäischen Ausland. In Bulgarien, Rumänien und Ungarn sind die Menschenhändler besonders aktiv. 47 Prozent der Frauen sind unter 21 Jahre alt.
Auch sie werden noch da sein, wenn die Bordelle wieder öffnen. Helfen will ihnen nun die Frauen-Union NRW. Zum Tag gegen den internationalen Menschhandel am 30. Juli hat die Vereinigung einen Beschluss auf den Weg gebracht. „Menschenhandel ist moderne Sklaverei zu Lasten von Mädchen und Frauen im 21. Jahrhundert“, sagt die Landesvorsitzende Ina Scharrenbach dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
„Keine Menschen zweiter Klasse“
Frauen und Mädchen würden über das Internet angeworben, fallen auf falsche Model- und Künstleragenturen herein. Zum Teil gehörten auch Familienangehörige zu den Tätern. „Es ist an der Zeit, dass die relevanten Strafnormen des Menschenhandels und der Zwangsprostitution, bei denen Frauen unter 21 Jahren als Opfer identifiziert werden, endlich erhöht werden“, sagt Scharrenbach.
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Die Chefin der Frauen-Union will nun die EU-Zahlungen benutzen, um die Herkunftsländer von Opfern und Tätern politisch unter Druck zu setzen. „Die grundsätzliche Bereitstellung von europäischen Fördermitteln sollte davon abhängig gemacht werden, dass die Mitgliedstaaten Mädchen und Frauen einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung, Ausbildung, Studium und in der Folge zu Arbeit und einem selbstbestimmten Leben ermöglichen“, erklärt Scharrenbach. „Mädchen und Frauen sind keine Menschen zweiter Klasse“, fügt sie hinzu.
Die Frauen-Union in NRW fordert außerdem die Bundesregierung auf, die polizeilichen Maßnahmen gegen Menschenhändler zu forcieren. „Je häufiger die Bundespolizei, die jeweilige Landespolizei und die damit zusammenarbeitenden Behörden die Strukturen der Organisierten Kriminalität aufbrechen, desto eher gelingt es, den Menschenhandel aufzudecken und diesen wirksam zu unterbinden“, sagt Scharrenbach.
Hohe Dunkelziffer
Das ist die zweite Seite. Welche die größere ist, die der selbstbestimmten Sexarbeiterinnen wie Drallkopp oder die der Zwangsprostituierten, kann kaum jemand belastbar sagen. Die Zahl zwischen den offiziell angemeldeten Prostituierten und den Schätzungen von Experten unterscheidet sich um mehrere Hunderttausend. Auch wenn in Deutschland die Prostitution vollständig legalisiert ist, bleibt sie ein Geschäft abseits der Öffentlichkeit.Am Bahnhofsvorplatz in Köln fordert die Sexarbeiterin Drallkopp, dass der Umgang mit den Frauen weniger stigmatisiert werden muss. Passanten in Köln applaudierten.