Die Stadt Köln steckt in einer „dramatischen Finanzlage“ und hofft, dass die Bezirksregierung ihren Haushalt genehmigt.
„Dramatische Finanzlage“Stadtrat verabschiedet Kölner Haushalt – Wie reagiert die Prüfbehörde?

Verkleidete Demonstrierende auf der Ratstribüne.
Copyright: Alexander Schwaiger
Eine Oberbürgermeisterin, die aufgrund der Finanznot der Stadt die Demokratie in Gefahr sieht. Eine Kämmerin, die den beschlossenen Haushalt als Meilenstein bezeichnet, aber weitere Konsolidierungsschritte in den nächsten Jahren ankündigt. Und Politikerinnen und Politiker, die den letzten Haushalt vor der Kommunalwahl am 14. September beschlossen haben. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Was ist mit dem Begriff „Haushalt “gemeint?
Im Entwurf des Haushalts listet Kämmerin Dörte Diemert die Einnahmen und Ausgaben der Stadt auf, in diesem Fall für die beiden Jahre 2025/2026, deshalb ist die Rede von einem Doppelhaushalt. Sie legte ihn dem Stadtrat im November vor, damit er darüber beraten konnte. Zusätzlich blickt Diemert auch noch etwas weniger konkret als im Doppelhaushalt auf die drei Folgejahre von 2027 bis 2029, man spricht in dem Fall auch von der mittelfristigen Finanzplanung, damit sind die fünf Jahre von 2025 bis 2029 gemeint.
Alles zum Thema Stadtrat Köln
- Pizzakartons und Einwegbecher Kölner Stadtrat ebnet Weg für Verpackungssteuer
- Abstimmung AfD, CDU und FDP verhindern Verpackungssteuer in Gummersbach
- „Fatalismus“, „resigniert“, „unglücklich“ Kölner Parteien und OB-Kandidaten kritisieren Reker-Aussagen
- Kommunalwahl im September BUND stellt Forderungen an die Kölner Stadtpolitik
- Stadtverwaltung warnt Ratspolitiker Neue U-Bahn-Pläne gefährden die gesamte Förderung
- „Kriege schon wieder Gänsehaut“ Nach Hilferuf – So steht es um die Zukunft der Schull- un Veedelszöch
- 65,7 Millionen Einwegbecher pro Jahr Kölner Stadtrat soll am 13. Februar über neue Verpackungssteuer entscheiden

Viel zu besprechen: Kämmerin Dörte Diemert telefoniert vor der Ratssitzung.
Copyright: Alexander Schwaiger
Wie groß ist der Haushalt?
Zum ersten Mal knackt der Haushalt die Sechs-Milliarden-Euro-Grenze. Im nächsten Jahr sind es 6,46 Milliarden Euro an Ausgaben, im Jahr darauf 6,70 Milliarden Euro. Tarif-Steigerungen, Inflation und auch ausufernde Großbauprojekte sind unter anderem die Gründe. Doch die geplanten Einnahmen decken diese Summen nicht: Diemert geht für dieses Jahr von 399,34 Millionen Euro Verlust aus, nächstes Jahr von 443,80 Millionen Euro. Diese Summen sind aber zunächst Prognosen, die sich noch verändern, vor allem wegen der Steuereinnahmen, die sich nicht genau planen lassen.
Warum ist er für die Menschen so wichtig?
Weil die Stadt vielen freien Trägern oder Vereinen Fördergeld zuschießt, damit diese ihren Betrieb finanzieren können. Doch angesichts der prognostizierenden Verluste von rund 1,75 Milliarden Euro in den nächsten fünf Jahren kürzte die Verwaltung in ihrem Entwurf viele Zuschüsse, dagegen protestierten zehntausende Menschen. Die Rede war von einem Kahlschlag, Köln werde zur unsozialen Stadt.
Was sagt Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos)?
Sie sprach am Donnerstag von einer „dramatischen Finanzlage“ und forderte erneut mehr Geld von Bund und Land, damit Kommunen ihre Aufgaben erledigen könnten, die Bund und Land ihnen auftragen. Reker wählte drastische Worte, was sonst passieren könnte: „Wenn die Bürgerinnen und Bürger in den Städten und Gemeinden, die Keimzellen der Demokratie sind, erleben, dass staatliches Handeln nicht funktioniert, verlieren sie das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit unseres demokratischen Staates insgesamt.“
Was hat der Stadtrat mit dem Haushalt zu tun?
Er kann den Entwurf der Verwaltung ändern, etwa indem er Geld umschichtet. Dafür gibt es unterschiedliche Pläne der Fraktionen, am Ende setzt sich traditionell das Mehrheitsbündnis durch, in diesem Fall Grüne, CDU und Volt (50 von 90 Sitzen). Das war auch dieses Jahr so, das Bündnis rettete Fördergeld für einige Träger, für andere nicht (wir berichteten). Das Trio plus Einzelmandatsträger Thor Zimmermann verabschiedete den Haushalt mit seinen Änderungen – doch diese machten nur rund 21 Millionen Euro und damit 0,2 Prozent des Gesamthaushaltes von 6,46 Milliarden Euro in diesem Jahr aus. Die Linke hatte zuvor detaillierte eigene Haushaltspläne vorgelegt, für die sich aber keine Mehrheit fand.
Wie bewerten die Politikerinnen und Politiker den Haushalt?
Die Haushaltssitzung am Donnerstag war traditionell die Stunde der Politik. Die Spitzen der jeweiligen Fraktionen setzen neben den Finanzen auch inhaltliche Schwerpunkte. Grünen-Fraktionschefin Christiane Martin (26 von 90 Sitzen im Rat) sagte beispielsweise, das Bündnis mache aus Köln eine „lebenswerte, nachhaltige und resiliente Stadt, in der Öffentlicher Personennahverkehr, Radfahrer und Zufußgehende Vorrang haben sollen“. Vom Auto sagte Martin in diesem Zusammenhang nichts. Bernd Petelkau, Fraktionschef der CDU (20 Sitze), sagte trotz der Finanzprobleme: „Wenn wir uns den Zustand von städtischen Liegenschaften anschauen, egal ob es Gebäude, Straßen, Tunnel oder Brücken sind: In allen Bereichen müssen Sanierungen fortgesetzt werden.“ Die CDU lehnt aber etwa Erhöhungen bestehender Steuern ab, um zusätzliches Geld einzunehmen.
Christian Joisten, Vorsitzender der SPD-Fraktion (19 Sitze), warf dem Mehrheitsbündnis vor, die versprochene Verkehrswende nicht umgesetzt zu haben. Er sagte: „Die Liste der Korrekturen des Bündnisses kaschiert nur notdürftig die gröbsten Einschnitte. Viele Träger stehen weiter vor dem finanziellen Ruin.“ Heiner Kockerbeck, Sprecher der Links-Fraktion (sechs Sitze), sagte: „Eines der größten Probleme der unteren und mittleren Einkommensschichten sind die explodierenden Mieten, die einen Großteil des Einkommens verzehren. Eine aktive Wohnungspolitik für bezahlbare Mieten findet praktisch nicht statt.“
Volker Görzel, FDP-Fraktionschef und OB-Kandidat (fünf Sitze) bezeichnete das Bündnis in seiner Rede als „Scheckschwindler-Bündnis“. Das Bündnis finanziert seine Änderungen am Haushalt unter anderem damit, dass es jährlich fünf Millionen Euro weniger an die defizitären städtischen Kliniken überweisen will (wir berichteten). Doch ob das möglich ist, steht noch nicht fest. Görzel verwendete den Begriff Scheckschwindel gleich sieben Mal.

Der Rat während einer Abstimmung am Donnerstag.
Copyright: Alexander Schwaiger
Und damit gilt der Haushalt jetzt?
Nein. Die Bezirksregierung prüft ihn in den nächsten Wochen. Erst, wenn sie ihr Okay gibt und die Stadt ihre Haushaltssatzung veröffentlicht, gilt der Haushalt. Diemert sprach für diesen Fall von einer „kleinen Atempause“. Dass die Prüfbehörde das Kölner Zahlenwerk genehmigt, sei „kein Selbstläufer“, sagte Diemert, aber es sei grundsätzlich „genehmigungsfähig“. Vor zwei Jahren brauchte die Bezirksregierung etwas mehr als vier Wochen, um den Doppelhaushalt 2023/2024 zu genehmigen. Demnach könnte Mitte März der Kölner Haushalt gelten.
Was sagt die Bezirksregierung?
Sollte sie den Haushalt nicht genehmigen, muss die Stadt ein Haushaltssicherungskonzept vorlegen. In dem Konzept muss die Verwaltung zeigen, wie sie innerhalb von zehn Jahren wieder einen Haushalt vorlegen will, der ohne Schulden auskommt. Bis dahin würde eine vorläufige Haushaltsführung gelten.
Wie berichtet, hatte die Stadt die Aufstellung des Haushaltes um mehrere Monate verschoben, weil die Verwaltung länger brauchte, um Einsparmöglichkeiten zu finden. Erstmals nach acht Jahren trat der Haushalt deshalb nicht rechtzeitig zum 1. Januar des Haushaltsjahres 2025 in Kraft. Deshalb galt und gilt bis zur Entscheidung der Bezirksregierung die vorläufige Haushaltsführung, die Stadt darf aktuell nur Geld für Aufgaben ausgeben, zu denen sie rechtlich verpflichtet ist. Sie selbst bezeichnet sich deshalb als „eingeschränkt handlungsfähig“.