Köln – Es ist schon Nacht geworden an jenem Donnerstag über dem Flughafen Köln/Bonn, als die kleine Cessna abhebt in Richtung Osten. Ziel: Polen, nahe an der Grenze zur Ukraine, Schlachtfeld von Russlands Krieg in Europa. An Bord: Hilfsgüter für die Menschen – und gut 50 sogenannter „Rape Kits“, also Spurensicherungs-Sets für Vergewaltigungsopfer, die bis vor kurzem noch im Besitz der Polizei waren. Mit seiner Cessna begibt sich der Hobby-Pilot auf den Flug, „weit unterm Radar“, wie er sagt.
Die „Rape Kits“, die auch hierzulande nach Vergewaltigungen eingesetzt werden, könnten die letzte Hoffnung sein, zumindest ein paar der schlimmsten Kriegsverbrechen der russischen Armee irgendwann man aufzuklären. Die Schilderungen, die Helfer des Blau-Gelben Kreuzes Mittwoch vergangener Woche in Köln erreichten, machten fassungslos. Brutal vergewaltigte ukrainische Kinder, Mädchen und Jungen, mit schweren Wunden an den Geschlechtsteilen, vermutlich traumatisiert für lange Zeit. „Nachdem wir das gehört haben, haben wir erstmal eine Stunde lang nur geweint“, berichtet ein Kölner Arzt, der sich in der Hilfsorganisation für die Menschen in der Ukraine einsetzt. Noch am selben Tag nahm die Organisation Kontakt zur Kriminalpolizei und zum Innenministerium auf, weil dort die Boxen liegen, mit denen üblicherweise DNA-Material an Vergewaltigungsopfern sichergestellt wird.
Gen-Beweis sicherer als Zeugenaussage
Die Sets werden in der Ukraine an Krankenhäuser verteilt, wo sich die Opfer behandeln lassen können. Mit Stäbchen und Tupfern wird dann der Intimbereich der Opfer abgestrichen in der Hoffnung, noch Spermien des oder der Täter zu finden. Mit speziellen Tüchern wird außerdem unter den Fingernägeln nach Hautschuppen gesucht.
Für die Betroffenen gilt die Prozedur als belastend, für die Strafverfolgung aber ist es die beste Möglichkeit, der Täter habhaft zu werden. Gen-Beweise gelten als deutlich handfester als Zeugen-Aussagen, so es sie überhaupt gibt. Ziel der Aktion in der Ukraine ist es, die gesicherten Spuren nach Den Haag zu bringen, wo eines Tages ein Tribunal russische Kriegsverbrechen aufarbeiten wird. Einzelne Vergewaltiger mittels DNA-Material zu überführen, könnte zwar die Suche nach der Nadel im Heuhaufen sein, aber die ehrenamtlichen Helfer versuchen es zumindest.
„Rape Kits“ werden aus Köln in die Ukraine gebracht
Die ersten Berichte über Vergewaltigungen an Kindern seien aus der Gegend nördlich von Kiew gekommen, sagt der Kölner Arzt. „Aber mittlerweile hören wir das auch aus dem Osten des Landes. Wahrscheinlich passiert das überall. Die Soldaten gehen mit aller Brutalität gegen die Zivilbevölkerung vor“, sagt er. „Wir müssen diese Kriegsverbrechen aufklären.“ Als er die Polizei um Unterstützung bittet, sagt man ihm schnelle Hilfe mit diesen „Rape Kits“ zu.
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In der folgenden Nacht bringen ihm Beamtinnen Dutzende davon vorbei. Die größten Bestände kommen aus dem großen zentralen Bekleidungscenter der NRW-Polizei in Lünen, berichtet eine Sprecherin des Innenministeriums. Sofort fährt der Arzt das Paket zum Flughafen, wo der ehrenamtliche Pilot mit seiner Cessna wartet, um die Ware zunächst nach Polen zu bringen, wo Helfer auf den Weitertransport in die Ukraine warten. Das Blau-Gelbe Kreuz erwartet weitere Sets, in den kommenden Tagen soll der nächste Hilfsflug Richtung Osten starten.