Vor Neonazis und AfD-Politikern sprach der Jurist Ulrich Vosgerau im November über Briefwahlen. Die Uni Köln prüft nun seinen Status.
Universität reagiertPrivatdozent der Uni Köln sprach bei Geheimtreffen vor Rechtsextremen
Ein Jurist und Privatdozent der Universität zu Köln hat als Redner an einem Geheimtreffen mit Mitgliedern der Identitären Bewegung und AfD-Politikern teilgenommen. Das Recherchezentrum Correctiv hatte zuerst berichtet. Gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ bestätigte der Dozent seine Teilnahme.
Ulrich Vosgerau sprach demnach auf der Veranstaltung über Briefwahlen, Wahlgeheimnis und seine „Bedenken in Bezug auf junge Wählerinnen türkischer Herkunft, die sich keine unabhängige Meinung bilden könnten“. Zudem antwortete der Jurist unter anderem auf Fragen zur Sinnhaftigkeit eines möglichen Musterschreibens, um die Rechtmäßigkeit von Wahlen in Zweifel zu ziehen. „Als er schließt, gibt es Applaus“, heißt es in dem Text.
Ulrich Vosgerau: „Rein private Zusammenkunft“
Im Zentrum des Treffens im November in Potsdam stand laut Correctiv ein Vortrag Martin Sellners, ehemaliges Führungsmitglied der Identitären Bewegung, zum Thema „Remigration“ – ein euphemistischer Begriff für das rechtsextreme Konzept, Menschen mit Migrationshintergrund zu vertreiben, in diesem Kontext auch solche mit deutscher Staatsangehörigkeit.
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Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ bestätigte Vosgerau seine Teilnahme an der Veranstaltung, eine laut ihm „rein private Zusammenkunft, die dem Austausch über politische Gegenwartsfragen ohne jede Außenwirkung dienen sollte.“ Der Kreis habe sich schon öfter getroffen. Vosgerau sei erstmalig dabei gewesen. „Ich war vermutlich eingeladen, weil ich mehrere der Teilnehmer seit geraumer Zeit anwaltlich vertrete.“
Ulrich Vosgerau: „Ich war nicht als Redner gebucht“
Vosgerau sagt, er sei nicht als Redner gebucht gewesen, sondern spontan gebeten worden, einen Vortrag über Probleme der Briefwahl zu halten. Vom Thema „Remigration“ habe er vorab nichts gewusst. In seiner Gegenwart habe „niemand die Ausbürgerung von bereits eingebürgerten Deutschen verlangt“, so Vosgerau. Zum Thema „Remigration“ im Allgemeinen sagt er: „Das muss ja nicht rechtswidrig sein.“
Martin Sellners Teilnahme hingegen sei Vosgerau bekannt gewesen. Ihn habe er dort zum ersten Mal getroffen. „Ich selber neige der Identitären Bewegung nicht zu, sondern bin CDU-Mitglied“, so der Jurist.
Ulrich Vosgerau war Mitglied in der Kölner CDU
Vosgerau, der als Rechtsanwalt in Berlin aktiv ist und die AfD vor dem Verfassungsgericht vertritt, war bis 2015 Mitglied der Kölner CDU. Wie CDU-Kreisgeschäftsführer Bastian Ebel dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ bestätigt, gehört er inzwischen einem anderen Kreisverband außerhalb von Nordrhein-Westfalen an.
Nachdem unter anderem Studierende und das Kölner Ratsmitglied Jörg Detjen („Die Linke“) nach der Correctiv-Veröffentlichung Aufklärung gefordert hatten, teilte die Uni Köln dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Mittwochabend auf Anfrage mit, dass Vosgerau seit 2018 nicht mehr an der Universität lehre. Ob die Voraussetzungen für den Status „Privatdozent“ noch gegeben seien, werde die Universität zu Köln prüfen, so ein Sprecher.
Die Uni Köln stehe „für Weltoffenheit und Diskriminierungsfreiheit – und für Vielfalt und Diversität, wie sie die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland insgesamt auszeichnen.“
Am Donnerstag forderten auch die Jusos Konsequenzen aus Vosgeraus Auftritt: „Eine sofortige Aberkennung des Titels des Privatdozenten“ sowie „die Entziehung der Habilitation durch die Universität zu Köln“.
In der Regel kann die Verleihung der Bezeichnung „Privatdozent“ widerrufen werden, wenn mindestens zwei Semester, spätestens aber wenn vier Semester lang keine Lehrtätigkeit von mindestens zwei Semesterwochenstunden ausgeübt wurde. Doch es besteht auch die Möglichkeit, sich vom Lehrauftrag befreien zu lassen, ohne den Titel zu verlieren. Offenbar trifft dies auf Vosgerau zu, denn er führt seinen Titel „Privatdozent“ weiterhin auf seiner Homepage und verweist an prominenter Stelle, direkt unter seinem Namen, auf die „Universität Köln“.
Uni Köln: Vosgerau lehrte zu Grundrechten und Staatsorganisationsrecht
Von 2006 bis 2018 lehrte Vosgerau an der Uni Köln unter anderem zu Grundrechten und Staatsorganisationsrecht. Von 2007 bis 2015 war als Akademischer Rat beschäftigt. Zuletzt gab er im Wintersemester 2017/18 ein Seminar. Seit Sommersemester 2018 ist er nach Angaben auf seiner Website wegen „starker beruflicher Beanspruchung als Rechtsanwalt von der Titellehre derzeit freigestellt“.
Auf seiner Website dokumentiert Vosgerau auch seine zahlreichen Veröffentlichungen in konservativen bis grenzrechten Medien, wie zum Beispiel in „Junge Freiheit“, sowie seine Auftritte und Vorträge. Auch sein Redebeitrag bei der Veranstaltung mit Martin Sellner ist dort gelistet: „Das Problem der Briefwahl – Vortrag in Potsdam, 25. November 2023, 18 Uhr.“ Als Kontaktmöglichkeit hat Vosgerau seine E-Mail-Adresse der Uni Köln hinterlegt.