Die Uni Köln hat verkündet, dass die Sowi-Studiengänge ab dem Wintersemester dem „of Arts“-Abschluss zugeordnet werden müssen – Soziologie-Studierende fürchten Nachteile im Job.
„Geschockt und frustriert“Sowi-Studierende der Uni Köln bangen um Abschluss – Drohen Nachteile im Job?
Als Studentin Chiara Loi vergangenen Montag wie viele andere ihrer Kommilitonen die Nachricht erhielt, dass sich die Abschluss-Bezeichnung ihres Soziologie-Masters ändern würde – und das zum nächsten Semester ab dem 1. Oktober bereits –, sei sie „geschockt und frustriert“ gewesen.
Die Marburgerin hat für den englischsprachigen Studiengang „Sociology: Social Research“ mit dem Abschlussgrad „Master of Science“ ihr gesamtes soziales Umfeld in Marburg zurückgelassen, um gezielt die Universität zu Köln und das Studium an der renommierten Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät anzusteuern: „Den Soziologie-Bachelor habe ich in Marburg gemacht. Ich wollte einen Master in Soziologie machen, der mich so qualifiziert, dass ich keine Probleme auf dem Arbeitsmarkt bekomme“, sagt Loi.
Soziologie-Studentin: „Überlege, Köln zu verlassen“
Einen Master-Abschluss mit der Bezeichnung „of Arts“ hätte sie ohne Probleme auch in ihrer Heimatstadt oder in Leipzig bekommen, wo der Wohnraum im Vergleich zu Köln deutlich günstiger ist. Nun erwägt die Studentin, Köln zu verlassen. „Ich weiß nicht, ob es dann überhaupt noch Sinn macht, hier zu studieren.“
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Der Hintergrund: Bei dem Prozess der sogenannten „Reakkreditierung“ der Studiengänge an der Wiso-Fakultät – also der Begutachtung ihrer inhaltlichen Ausrichtung sowie Qualität – ist aufgefallen, dass die sozialwissenschaftlichen Fächer gemäß einer aktualisierten gesetzlichen NRW-Regelung dem „of Arts“-Abschluss zugeordnet werden müssen – das hätte laut einer Stellungnahme der Wiso-Fachschaft bereits vor zwei Jahren passieren sollen. 2022 erhielt die Uni Köln nämlich eine Systemakkreditierung, was heißt, dass sie nun die Studiengänge selbst begutachten kann.
In diesem Prozess habe die Uni Köln laut Wiso-Fachschaft nicht noch einmal die Abschlussgrade geprüft, die im Jahr 2007 im Zuge der Bologna-Reform festgelegt wurden. Damals, heißt es weiter, habe es noch „keine eindeutigen Kriterien zur Vergabe des Abschlussgrades gegeben.“
Was die Studierenden nun in einem offenen Brief an das Rektorat fordern, ist, dass ihnen eine Übergangsfrist gewährt werde, sie schließen eine Klage gegen die Universität nicht aus. „Wir bitten Sie, eine Entscheidung zu treffen, die dem Vertrauen der Studierenden in die Universität zu Köln gerecht wird und es allen eingeschriebenen Studierenden ermöglicht, mit dem Abschluss das Studium zu beenden, für das sie sich eingeschrieben haben.“
Sowi-Fächer der Uni Köln für statistischen Schwerpunkt anerkannt
Doch warum sprechen die Studierenden von „Vertrauensbruch“? „Seit Jahren wirbt die Uni mit diesem Studiengang. Sie brüstet sich öffentlichkeitswirksam damit, verweist auf Rankings“, sagt Lea Stratmann, Studentin im Master „Soziologie“.
Der für seine starke methodische und empirische Ausrichtung bekannte Studiengang verschaffe den Absolventinnen und Absolventen einen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt, so Stratmann. Ein Abschluss „of Arts“ suggeriere mehr Theorie als Praxis, betone eher den geisteswissenschaftlichen Aspekt der Soziologie. In Köln seien die Sowi-Fächer aber besonders für ihren statistischen Schwerpunkt anerkannt.
„Die Statistik-lastige Lehre qualifiziert uns für Data-Science-Positionen. Im Berufsleben konkurrieren wir mit Data-Science-Absolventen und Informatikern. Unsere Sorge ist, dass Unternehmen uns mit einem ‚of Arts‘ Abschluss beim Bewerbungsprozess von vorneherein ausschließen“, sagt Chiara Loi. Außerdem moniert sie, dass die Uni bereits seit Monaten im Bilde sei, ohne jedoch den angehenden Erstis während des kürzlich abgeschlossenen Bewerbungsprozesses Bescheid zu geben. „Die, die sich nun beworben haben, denken immer noch, es wird ein Abschluss ‚of Science‘.“
Universität Köln prüft Übergangsfrist und sieht die Sorgen der Studierenden
Auf Nachfrage teilt eine Uni-Sprecherin mit, dass „die Studiengänge 2015 nach damals gültiger Rechtslage mit den Abschlüssen ‚of Science‘ akkreditiert wurden.“ Diese Akkreditierung sei 2022 im Zuge der damals laufenden Systemakkreditierung der Uni bis 2024 übergangsweise „letztmals auf der Basis der ursprünglichen Rechtslage verlängert“ worden. Es sei also laut Uni nichts „versäumt“ worden, so die Sprecherin.
Dennoch nehme man „die Argumente der Studierenden sehr ernst“. Die Studiengänge seien weiterhin gleichwertig, das inhaltliche Profil werde nicht geändert. „Die Universitätsleitung möchte den Studierenden gerne entgegenkommen, kann dies aber nur innerhalb des gültigen Rechtsrahmens tun. Wir prüfen daher derzeit unsere rechtlichen Möglichkeiten, zum Beispiel Übergangsfristen zu gewähren.“
Dass dies laut den Studierenden in einer nächsten Rektorats-Sitzung bereits kommenden Dienstag passieren soll, wollte die Sprecherin auf Nachfrage nicht bestätigen.